Kapitel 12

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Bei dem Gedanken gleich mit der Seilbahn fahren zu müssen, dreht sich mir der Magen um. Egal wie oft meine Freunde versucht haben,mich dazu zu bringen meine Höhenangst zu überwinden, genau so oft sind sie gescheitert. Es hat damit angefangen, als mein Cousin mich damals überredet hat im Freibad vom Turm zu springen. Ich stand auf dem 5 Meter Brett und sah den Grund des Beckens, also fast 10 Meter tief. Ich hatte Panik, wollte einfach wieder die Treppen runter steigen und sicheren Boden unter den Füßen haben. Bis mein Cousin sich an mich heran schlich und mich schubste. Er bekam Hausverbot und einen mächtigen Anschiss von meinen, als auch seinen Eltern. Und ich habe seitdem Angst. Angst, das mich wieder jemand schubsen könnte und ich wieder falle. Deswegen meide ich alles, was sich in der Luft bewegt. Ich gehe nicht aufs Riesenrad oder Achterbahnen. Meine Freunde sagen immer, ich würde etwas verpassen. Aber ich kann einfach nicht über meinen eigenen Schatten springen...

Julian holt mich mit einem Tippen auf meine Schulter, aus meinen Gedanken. "Marie? Alles in Ordnung?", er sieht mich besorgt an. Ich nicke leicht. "Ich weiß nicht was wir machen sollen. Wir können nicht hier bleiben, dann kann ich morgen nicht zur Arbeit gehen. Bis die erste Fähre wieder fährt, ist meine Schicht schon zwei Stunden dran. Und ich habe zu viel Angst mit der Seilbahn zu fahren.", flüstere ich. Er sieht mich verständnisvoll an. "Meine Tante hat ein Boot. Vielleicht kann sie uns noch rüber bringen.", schlägt Julian vor. Mir fällt ein Stein vom Herzen. Keine Seilbahn und ich kann morgen arbeiten. Als wir bei Eli ankommen, fragt sie uns warum wir noch nicht weg sind. "Wir haben uns mit der Zeit etwas verschätzt und die letzte Fähre verpasst. Deswegen sind wir noch mal hier. Kannst du uns mit deinem kleinen Boot rüber fahren?" Sie sieht uns mitleidig an. "Würde ich gerne, aber es hat einen Motorschaden und er neue kommt erst nächste Woche." Und plötzlich kommt meine Panik wieder. Ich muss mit der Seilbahn fahren...

"Ich würde mich freuen wenn ihr hier bleibt. Wir haben im Haus noch ein Zimmer frei.", versucht Eli uns zu überreden, während ich in Gedanken sterbe. Mit Julian hier bleiben oder Seilbahn fahren. Beides ist für mich keine gute Idee. Zum einen, naja, die Seilbahn und zum anderen, was passiert, wenn ich mit Julian hier bleibe? Plötzlich kommt mir der Satz "Wir wissen ja nicht mal, was das mit uns ist.", wieder in Erinnerung. Mein Magen fängt wieder an sich zu drehen. "Das ist wirklich sehr nett, Eli, aber ich muss morgen arbeiten.", schlage ich ihren Vorschlag aus. Ich sehe zu Julian und nicke ihm zu. Wir verabschieden uns von seiner Tante und machen uns auf den Weg zur Seilbahn. Und ich habe das Gefühl mich gleich übergeben zu müssen. 

Auf dem Weg zur Seilbahn, wird kein Wort gewechselt. Was mir diesmal ziemlich unangenehm ist. Ich würde mich freuen wenn Julian reden würde. Am besten ganz viel. Sodass ich etwas abgelenkt werde. Während Julian die Tickets kauft, werde ich immer nervöser. Am lieben würde ich einfach nach Hause laufen, trampen oder so was. Hauptsache ich muss nicht in dieses Ding einsteigen. Julian winkt mich zu sich. Ganz langsam gehe ich auf ihn zu. "Bist du bereit?", fragt er mich. Ich schüttle den Kopf. Er macht einen Schritt auf mich zu und umarmt mich. "Du schaffst das schon.", versucht er mich er ermutigen. Langsam löst er sich von mir und hält mir seine Hand hin. Vorsichtig verschränke ich meine Finger mit seinen. 

Wie in Zeitlupe öffnet sich die Tür der Seilbahn. Immer noch händchenhaltend, läuft Julian los. Aber ich zögere. Ich kann nicht in das Ding steigen. Ich kann es einfach nicht. Julian dreht sich zu mir um und sieht mich an. Er macht einen Schritt zurück und gibt dem Mitarbeiter ein Zeichen, dass er ohne uns fahren soll. Ich löse mein Hand von seiner und laufe zu einer Bank. Die Ellbogen auf die Knie gestützt, mit meinem Kopf in den Händen, versuche ich nicht zu weinen. Julian sitzt schweigend neben mir. Erst als er mir deine Hand auf den Rücken legt und sie sanft auf und ab bewegt, setze ich mich auf und drehe mich zu ihm. "Es tut mir leid, Julian. Ich kann das einfach nicht." Er legt seine Hand auf mein Knie. "Das verstehe ich. Aber, wenn wir die nächste nicht nehmen, müssen wir wirklich hier bleiben.", erklärt er. Ich nicke. "Okay, ich rufe morgen früh auf der Arbeit an und melde mich krank. Wir bleiben hier." Er sieht mich verwundert an, aber sein Lächeln verrät mir, das er sich doch freut. Es steht also fest. Ich mache morgen blau. Und verbringe die Nacht in Koblenz. Mit Julian.

Stay - Julian Brandt Fanfiction (Deutsch)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt