Als ich wieder Umrisse und irgendwann auch wieder Farben wahrnehmen kann, spüre ich, wie mein Schädel pocht. Mein Blut pulsiert in meinem Körper, alles was ich höre ist ein stetiges bumm-bumm. Mein Herz. Es schlägt seinen Rhythmus, gleichmäßig, aber es fühlt sich schwach an. Ich fühle mich schwach. Meine Erinnerungen sind wie ausgelöscht. Wo bin ich? Ich versuche mich krampfhaft daran zu erinnern, aber alles, was ich zustande bringe ist immer nur dieses Pochen in meinem Kopf, das alles andere übertönt. Also versuche ich, aus den Umrissen und Farben tatsächliche Bilder entstehen zu lassen, ein Raum, ein Ort, irgendetwas, das mich an irgendetwas erinnern lässt. Aber alles, was ich erkennen kann, ist eine Zimmerdecke, mit Holz verkleidete Wand. Da ich mich nicht bewegen kann, ist es schwer, mehr in dieses Bild hinein zu interpretieren.
Also muss ich fühlen. Was kann ich spüren? Ich liege auf einer weichen Unterlage, eine Matratze vielleicht. Auf meinem Körper spüre ich das angenehme Gewicht einer warmen Decke. Offensichtlich liege ich in einem Bett.
Als nächstes prüfe ich meinen Hörsinn. Ich höre Atmen. Leises, aber schweres Atmen. Es klingt verzweifelt, wenn man das allein durch das Hören erschließen kann. Wer ist diese Person? Und wieso klingt sie verzweifelt? "Wer ist da?", höre ich mich selber sagen. Das Atmen wird kurz leiser, ich höre ein Schaben, dann Schritte. Die Person scheint sich langsam zu nähern, fast vorsichtig, wie als hätte sie Angst vor mir. Ich erinnere mich an nichts, was passiert ist, bevor ich aufgewacht bin. "Venice? Bist du wach?" Gut, offensichtlich heiße ich Venice. Venice? Ich kann nicht einmal einschätzen, ob ich mich daran erinnere. Es ist ein mieses Gefühl. Auf einmal erscheint in meinem Sichtfeld ein Gesicht. Es ist ein Wunder, dass ich es als Gesicht erkennen kann, denn abgesehen von seinen Augen und seiner Nase ist nicht viel als Gesicht auszumachen. Nun gut, vielleicht ist das etwas übertrieben, aber die Person scheint sich ziemlich stark verletzt zu haben- seine Augen sind blutunterlaufen, seine Unterlippe ist geschwollen, seine Nase unter einem Pflaster verborgen. Er hat überall Hemmatome, aber inzwischen haben sie eine gelbliche Farbe angenommen. Er muss sich wahrscheinlich schon vor einigen Tagen verletzt haben.
Seine Augen sind tiefblau, ich kenne diese Augen, ich weiß, dass ich sie kenne, aber ich kann keinen Zusammenhang herstellen, keine Emotion oder Erinnerung. Ich weiß, dass ich diese Person kenne- aber nicht ob ich sie mag. "Hattest du einen Unfall?", frage ich vorsichtig, sein sorgenvoller Blick irritiert mich- was weiß er, was ich nicht weiß (abgesehen von... allem)? Er zieht kurz seine Augenbrauen zusammen. Er steckt seine Hand nach meiner Stirn aus, ich weiche kurz etwas zurück, weil ich nicht weiß, wie ich die Situation einschätzen sollte. Langsam zieht er seine Hand zurück. "Wie fühlst du dich?", flüstert er. Ich denke nach. "Ich weiß es nicht." Jetzt schließt er seine Augen, und die einzige Verbindung, die ich zu ihm habe, verschwindet mit ihnen. Wer ist er? Ich bin mir ziemlich sicher, dass er genau weiß, was mit mir los ist. Aber bevor ich gedanklich auch nur eine Frage formulieren kann, läuft ihm eine Träne über die Wange, und dann die nächste. Ich bin perplex und auch etwas überfordert. Er greift nach meiner Hand, und diesmal ziehe ich sie nicht weg. "Es tut mir so Leid, Venice- so Leid. Ich weiß nicht, ob du mir jemals verzeihen kannst." Diese Fülle an Emotionen wühlt mich innerlich auf, noch schlimmer ist es allerdings, nicht zu wissen, was ich ihm verzeihen soll. "Wer bist du?", wispere ich vorsichtig.
Er sieht mich an. Die Emotionen verschwinden von seinem Gesicht, er blickt mich ausdruckslos an.(Berechnend?) "Du weißt es wirklich nicht mehr?" Ich schüttele den Kopf. Er seufzt verächtlich. "Vielleicht hat er es ja doch verdient. Aber ich" Er sieht mich einen Moment lang wehleidig an, bevor er weiterspricht. "Ich hätte es eher verdient."
Das beantwortet nicht meine Frage, sondern lässt mich im Gegenteil mit noch mehr Fragen zurück. Er sieht mich an, und, oh Gott, ich weiß, dass ich ihn kenne, ich weiß, dass ich ihn irgendwoher kenne, aber ich kann in meinem Kopf einfach keine Verbindung herstellen. Jetzt bildet sich ein leichtes Lächeln auf seinen Lippen. Er streicht mir behutsam über die Wange, die Berührung so sanft, als wolle er mich auf gar keinen Fall verletzen, als wäre ich eine wertvolle Vase, die bei jeder falschen Berührung zerbrechen würde. Und dann tut er etwas, dass mich am Meisten überrascht. Er beugt sich vor- und küsst mich. Der fremde Bekannte küsst mich. Ich bin hin- und hergerissen zwischen ihm einfach eine runterzuhauen und ihn zu fragen, was um alles in der Welt er sich dabei denkt und mich dem Kuss hinzugeben. Aber bevor ich mich entscheiden kann, löst er sich von meinen Lippen und lässt mich tief in seine Augen blicken. "Ich bin es Venice. Ich bin Robin. Robin Brooks."
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....kurze Info ;)
in den nächsten Kapiteln wird dieses Buch zu Ende gehen, nur, um euch schon einmal "vorzuwarnen"(?) .Wenn ihr noch irgendwelche Fragen oder Wünsche habt, die ich in diese Kapitel einfließen lassen soll, dann stellt sie mir jetzt!
schönen Abend euch noch!
eure Lisa (:
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Robin Brooks - CHANGES
Novela Juvenil//!!Das ist der zweite Teil von 'Robin Brooks'. Um wirklich alle Inhalte zu verstehen, rate ich, den ersten Teil zuerst zu lesen.!!// Als Venice und Robin in Tadem, einer kleinen Stadt in Alaska, Zuflucht vor den Behörden finden, scheint endlich Ruh...