8th chapter

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Nachdem der gestrige Tag besser geworden war, als ich es erwartet hatte, warte ich nun fröhlich auf unsere nächste Begegnung.

Er hat mir gestern versprochen, heute vor Madison's auf mich zu warten, weshalb ich meine Schritte beschleunige, um zu unserem Treffpunkt zu gelangen.

In mir herrscht ein komplettes Gefühlschaos.

Irgendwie ist er ja doch nicht so unfreundlich, wie ich vorerst dachte, aber noch immer lässt mich der Verdacht, dass da irgendwas ist, was er mir nicht sagen will, nicht los.

Trotzdem freue ich mich, als ich ihn mit hinter dem Rücken verschränkten Armen und nervös von der Fußspitze auf die Hacken hin und her wippend auf mich warten sehe.

„Louis!", rufe ich fröhlich und setze ein Lächeln auf.

Er lacht ebenfalls und wir umarmen uns sogar leicht, sobald wir uns sehen.

„Was machen wir heute?", will er wissen und legt den Kopf schief.

Ich überlege kurz.

„Wir können etwas zusammen kochen", schlage ich dann vor.

Ich kann ihn mir ziemlich gut in meiner Küche vorstellen, vollkommen planlos, was er machen soll, aber trotzdem unschuldig schmunzelnd.

„Wo?", fragt er verwirrt und zieht die Augenbrauen zusammen, sodass sich eine leichte Falte auf seiner Stirn bildet.

„Bei mir", erwidere ich.

Er wiegt unschlüssig den Kopf hin und her.

„Komm schon, meine Eltern sind ohnehin bei der Arbeit", ermuntere ich ihn. „Und wir haben alle Zutaten zu Hause."

Er schluckt, sieht einen Moment lang ziemlich zweifelnd aus, nickt aber schließlich. „Okay."

Ich strahle ihn an. „Super!"

Kurze Zeit später stehen wir vor dem großen Haus, in dem ich wohne.

An dem staunenden Blick, mit dem er es mustert, erkenne ich, dass er selbst in einem viel kleineren wohnen muss und plötzlich ist mir der Reichtum meiner Eltern nahezu peinlich.

Louis trägt heute ein weißes Shirt, auf dem jedoch einige Farben zu sehen sind, was mir gut gefällt. Dazu eine schwarze, etwas engere Jeans. Ich muss lächeln, bei dem Gedanken, dass ihm seine Klamotten gut stehen.

Mein Blick schweift zu der Garage und bleibt an dem glänzenden, dunklen Gefährt hängen.

Oh nein. Es ist der Wagen meines Vaters.

Louis will zögerlich zur Tür treten, doch ich halte ihm eine Hand vor die Brust, sodass er verwirrt stehenbleibt.

Nun sehe ich ihn noch einmal an. Er trägt Jeans und T-Shirt. Viel zu leger für den Geschmack meiner Eltern.

Kurzerhand greife ich nach dem Saum seines Shirts und stopfe es ihm in die Hose.

Er sieht mich perplex an, stößt mich dann leicht weg und fährt selbst damit fort, sich sein T-Shirt in die Jeans zu stecken.

Seine Wangen verfärben sich ein wenig dunkler, aber ich weiß, dass es meinen Eltern so besser gefällt.

„Was ist los?", fragt er misstrauisch und ich beiße mir auf die Lippe.

Ich will nicht zugeben, dass ich mich getäuscht habe und hoffe einfach, dass wir uns unbemerkt zu meinem Zimmer schleichen können.

Also gehe ich voraus, trete zur Tür, greife nach dem Schlüssel in meiner Hosentasche und schließe leise auf.

Ich lege meinen Zeigefinger auf meine Lippen, um ihm zu zeigen, dass er ebenso leise sein soll und er nickt verstehend.

Eilig schleiche ich mich in den Flur, warte, bis er mir gefolgt ist und ziehe die Tür zu, streife dann vorsichtig meine Schuhe ab und spitze die Ohren, als ich mehrere männliche Stimmen aus dem Wohnzimmer dröhnen höre.

Es handelt sich um eine Geschäftsbesprechung meines Vaters.

Louis muss das Gespräch ebenfalls vernommen haben, denn er sieht mich mit hochgezogener Augenbraue an.

Entschuldigend ziehe ich die Schultern hoch, winke dann mit meiner Hand, damit er mir folgt und tapse auf Socken durch den Flur.

Nur dumm, dass die Wohnzimmertür offen steht. Und noch dümmer, dass mein Vater von seinem Sessel aus einen perfekten Blick auf den Flur hat. Am dümmsten ist jedoch, dass er gerade zu mir sieht, als ich mich vorbeischleichen will und danach auch noch Louis hinter mir erblickt.

Er runzelt fragend die Stirn.

Zwar habe ich meinen Eltern schon von Louis erzählt, sowie, dass er mein Seelenpartner ist, jedoch hätte ich mir die erste Begegnung irgendwie anders vorgestellt.

„Hallo, Dad", meine ich zögerlich und hebe eine Hand.

Sämtliches Gemurmel im Raum verstummt und auch die drei anderen Männer, die mit Anzug und Krawatte auf dem Sofa und einem weiteren Sessel um den kleinen Wohnzimmertisch herum sitzen und Tee aus dem besten Teeservice meiner Mutter schlürfen, auf dem Rosen abgebildet sind, drehen die Köpfe zu mir und Louis.

„Meine Herren, das ist meine Tochter Mira. Und das daneben muss wohl Louis sein."

Er lächelt, während ich vor Scham im Boden versinken könnte.

Jetzt weiß Louis, dass ich mit meinen Eltern bereits über ihn geredet habe! Wie peinlich!

Einen Augenblick lang scheint er wie erstarrt zu sein und sieht die vier Männer geschockt an, bevor er die Hand zum Gruß hebt.

„Sir", meint er und mein Dad nickt ihm zu.

„Meine Herren, sie müssen verstehen, die beiden haben sich erst vor einigen Tagen getroffen", erklärt mein Vater die Situation. „Louis ist also auch mir bis jetzt noch nicht bekannt."

Die Anwesenden nicken, ich bezweifle jedoch, dass sie wirklich interessiert sind.

„Wir sprachen gerade über das Problem mit den Rebellen, die sich immer weiter von ihren Zonen entfernen und in das normale Stadtleben mischen", sagt er dann und die Anzugträger scheinen schon viel interessierter zu sein.

„Wir müssen das verhindern!", ruft einer aufgebracht. „Sie kommen einfach so daher, ohne etwas für die Gesellschaft zu tun!"

„Und ich wette, dass sie sich bald auch in unseren Häusern einnisten!", meint der zweite.

„Sie verführen unsere Töchter und bringen sie mit einem Bastard geschwängert zurück!", ergänzt der letzte und Dad sieht auf mich.

„Ich hätte meiner Tochter sofort die Spritze gegeben, wenn sie mit so einem angekommen wäre", sagt er an mich gewendet und ich zwinge mich zu einem Lächeln.

Schon immer war er in diesem Punkt sehr konsequent, obwohl es mir auch niemals eingefallen wäre, mit einem Rebell auszugehen!

„Was bin ich froh, dass sie so einen anständigen jungen Mann wie unseren Louis hier gefunden hat", lacht er dann und die anderen stimmen ihm lauthals zu.

Louis schluckt so laut, dass selbst ich es hören kann.

Ich sehe zu ihm.

Nervös räuspert er sich.

„Aber", beginnt er, „die Rebellen tun doch niemandem etwas."

Eine sofortige Stille erfüllt den Raum.

Die Dinge, die sie nicht sehen || l.t. ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt