„Na großartig", grummelt Louis, nachdem er, gefolgt von Bobo, Ada und mir, die kleine Hütte verlassen hat.
„Das kannst du laut sagen", brummt Bobo, „die ganze Planung. Alles futsch!"
„Und dafür haben wir Monate – Was sage ich da? – Jahre unserer Zeit verschwendet?!", regt sich Louis weiter auf.
Ich ziehe die Schultern ein, weil ich mich schuldig fühle. Ich habe ihnen ihre ganze Planung zunichte gemacht.
„Jetzt macht euch mal nicht ins Hemd, Jungs!", mischt sich Ada ein. „Wir sollten lieber froh sein, dass wir jetzt Bescheid wissen. Stellt euch vor, wir wären einfach dort hineingestürmt und hätten erst dann bemerkt, dass die Sicherheitskontrollen viel schwieriger zu überwinden sind, als vorerst angenommen. Man hätte uns auf jeden Fall geschnappt! Also ist es so doch besser!"
Die beiden Jungen schweigen beleidigt, während ich Ada einen dankbaren Blick zuwerfe.
Sie erwidert diesen nicht, sondern funkelt mich verärgert an. Scheinbar ist sie trotzdem sauer auf mich.
„Tut mir leid", entschuldige ich mich daher, obwohl ich eigentlich gar nichts falsch gemacht, sondern lediglich die Wahrheit gesagt habe.
„Das bringt uns jetzt auch nichts", entgegnet Louis.
Ich bin mir nicht ganz sicher, ob es beleidigend oder beschwichtigend gemeint ist.
„Verdammte Scheiße!", flucht Bobo und tritt mit einer solchen Wucht gegen einen circa einen halben Meter hohen Rest einer Mauer, dass von diesem ein oberes Stück abbricht, auf dem Boden landet und dort in Hunderte von winzigen Steinchen zerbricht.
Ich zucke zusammen, teils wegen dem lauten Geräusch, teils, weil ich so viel Fluchen noch immer nicht gewöhnt bin.
„Na großartig", wiederholt Louis noch einmal, vielleicht ist es bei diesem Mal ja auf die von Bobo verursachte Zerstörung bezogen, was ich allerdings nicht ganz glaube, da es hier so oder so schon total heruntergekommen aussieht.
„Und jetzt?", fragt Ada seufzend. „Hast du einen anderen Plan?"
„Nein", brummt mein Seelenverwandter, „mein alter wurde ja eben erst in den Sand gesetzt." Sein Blick durchbohrt mich dabei. „Wie kannst du von mir erwarten, dass ich nach so kurzer Zeit schon eine neue Idee habe?!"
Seine Freundin scheint von der von ihm ausgehenden Wut nicht sonderlich eingeschüchtert zu sein, denn sie zuckt lediglich mit den Achseln.
„Wenn wir noch einmal so lange brauchen, können wir uns diese ganze Revolutionssache eh sparen", meint sie trocken, „dann sind wir nämlich Mitte vierzig, bis wir überhaupt mal was unternehmen."
„Dafür kann ich ja nichts!", fährt Louis sie an und deutet dann anklagend mit dem Zeigefinger auf mich. „Sie hat uns ja alles vermasselt!"
Langsam schwindet auch meine Furcht und macht Verärgerung Platz.
„Dafür kann ich ja nichts!", wiederhole ich seine Worte und funkele ihn herausfordernd an, „Ich habe euch nur vor Schlimmerem bewahrt. Ich hätte dich und deine komischen Rebellenfreunde auch einfach losziehen lassen können, direkt in die Falle hinein, aber das habe ich nicht getan, weil ich euch helfen wollte! Wenn ihr euch bei eurem Plan eben nicht gut vorbereitet, könnt ihr die Schuld nicht anderen in die Schuhe schieben!"
Zu meinem Erstaunen lacht Bobo leise.
„Da hast du dir aber 'ne ganz wilde Braut ausgesucht, Louis", sagt er zu seinem besten Freund, schüttelt danach aber den Kopf. „Die größte Scheiße ist ja, dass sie nicht ganz Unrecht hat. Wir haben es wohl selber verbockt."
„Endlich mal jemand, der ein wenig reflektierter an die Sache herangeht", meine ich zufrieden und bin überrascht, dass ich so mutig bin.
Normalerweise rede ich kaum mit Ada oder Bobo – und sie scheinen auch nicht den Drang dazu zu haben, sich mit mir zu unterhalten.
„Ach, halt doch die Klappe", faucht Louis schlecht gelaunt, doch er hat sich Bobo zugewendet, weshalb ich vermute, dass es an ihn gerichtet ist.
Auch der dunkelhäutige Riese nimmt das an, denn mit einer raschen Bewegung hat er Louis in den Schwitzkasten genommen und hält ihn fest.
„Nicht so unhöflich, bitte", ermahnt er ihn.
Ada rauft sich währenddessen die Haare, bevor sie sich breitbeinig und mit in die Hüfte gestemmten Händen vor den beiden aufbaut.
„Jungs!", fährt sie die beiden an. „Jetzt reißt euch mal zusammen und fangt keine Prügelei an! Und Louis: Hör auf, die Stimmung mit deiner beschissenen Laune zu verpesten. Ja, es ist verdammt noch mal beschissen, dass der Plan nicht aufgeht. Aber wir müssen eben nach einer anderen Lösung suchen und nicht sinnlos Trübsal blasen."
Nach einigen stillen Sekunden lässt Bobo Louis schließlich gehen.
Die Haare meines Seelenpartners sind zerzaust, sein Kopf hat vor Anstrengung, sich aus dem ungemütlichen Griff zu befreien, eine dunklere Färbung angenommen und er scheint auch nach der kleinen Standpauke seiner besten Freundin nicht unbedingt anders aufgelegt zu sein.
„Ach, fickt euch doch!", flucht er nämlich, zeigt uns den Mittelfinger, wirbelt herum und rennt weg.
Etwas verloren sehe ich ihm hinterher.
„Mach dir keine Sorgen, Mira", beruhigt mich Ada und setzt ein Lächeln auf, das ich als erzwungen enttarne, „er ist einfach nur schrecklich enttäuscht. In ein paar Stunden wird er wieder ganz der Alte sein."
„Wir sollten sie hier rausbringen", mischt sich Bobo ein. „Es ist kein guter Ort für kleine Stadtmädchen."
Ada nickt und auch ich stimme den beiden insgeheim zu.
Allerdings bin ich wütend auf Louis. Es kann schließlich keiner etwas dafür, dass sein Plan nicht funktioniert, auch wenn ich die erste bin, die es ihm gesagt hat.
Langsam trotte ich also hinter den beiden her und balle die Hände in unterdrückter Wut zu Fäusten. Louis muss sich eine wirklich gute Entschuldigung bereitlegen, um das wiedergutzumachen!
Aber dann denke ich daran, dass er wahrscheinlich wirklich mehrere Monate oder sogar Jahre der Überzeugung war, der Plan würde funktionieren und nun, kurz vor dem Ziel, habe ich alles zunichte gemacht. Er ist enttäuscht, mehr nicht, und ich habe ganz plötzlich sogar das Bedürfnis, ihn zu trösten.
Meine Wut ist so schnell verflogen, wie sie gekommen ist.
Ich laufe ein bisschen schneller, um zu Ada und Bobo aufzuholen, denn ich bin mir fast sicher, dass ich weiß, wo ich Louis finden kann.
DU LIEST GERADE
Die Dinge, die sie nicht sehen || l.t. ✓
FanfictionWATTYS WINNER 2020 ❝ I figured it out from black and white. ❞ ©2018, neliery und Moenqueen Mira lebt in einer Welt aus Schwarz und Weiß. Sie kennt keine Farben. Doch eine Person, irgendwo dort draußen, nur eine einzige Person, die darauf wartet, gef...