„Louis hat nichts getan", erkläre ich meinen Eltern mit völliger Überzeugung in der Stimme, denn es stimmt so gesehen ja auch.
Louis hat in seinem Leben nichts Falsches gemacht, er ist nur einfach nicht wie jeder andere.
„Mira", erwidert Vater streng, „du bist zu naiv, um das einschätzen zu können. Mir ist dieser Louis von Anfang an schon suspekt vorgekommen. Vielleicht hat er ja irgendetwas in seinem Job verbockt und wurde deshalb verbannt. Oder er war ganz einfach schon von Anfang an ein Rebell und hat es dir nicht gesagt, Mira. Vor solchen Leuten musst du dich in Acht nehmen!"
„Das weiß ich doch!", beteuere ich, „Aber ich bin mir ganz sicher, dass Louis keiner ist. Ich habe doch seinen Arm gesehen!"
Ja, und dabei auch die Tätowierung darauf, allerdings beschließe ich, diesen Fakt vor meinen Eltern geheim zu halten.
Louis macht mich also auch zum Lügner, aber das finde ich in Ordnung. Schließlich lüge ich nur, weil ich ihn beschützen will. Ihn und unsere gemeinsame Zukunft, doch sobald ich in die entschlossenen Augen meines Vaters sehe, weiß ich, dass so oder so schon alles verloren ist.
Spätestens morgen wird er sich eigenhändig alle gesammelten Informationen zu Louis auftreiben und dabei natürlich auch herausfinden, dass es den so genannten 'Louis Tomlinson' nicht mehr gibt, sondern nur noch Nummer 28. Und damit wird er auch wissen, dass ich gelogen habe, was mich in ganz andere Schwierigkeiten bringen wird.
Jetzt ist mir jedoch alles egal, solange ich dafür sorgen kann, dass Dads Verdacht vorerst nicht bestätigt wird und ich mich aus dem Haus und zurück zu Louis schleichen kann, um mit ihm zu besprechen, was ich machen werde.
„Es ist gut möglich, dass er das Tattoo zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal hatte", stellt mein Vater jedoch klar. „Die Regierung ist unglaublich schnell. Vielleicht hat er sein Verbrechen sogar erst heute begangen! Aber egal wie, ich möchte, dass du dich ab jetzt von ihm fern hältst und dich stattdessen zum Empfang der Spritze meldest. Hast du mich verstanden, Mira?"
Jetzt hat er sich erneut auf seinem Sessel nach vorne gelehnt und sieht mich eindringlich an.
Sein Tonfall macht deutlich, dass er keinen Widerspruch duldet. Wenn ich ihn jetzt ansehe, weiß ich, warum er es bei seiner Arbeit so weit gebracht hat. Er ist skrupellos und wenn ihm – oder in diesem Falle auch mir – etwas oder jemand im Weg steht, wird diese Person einfach ausgelöscht.
„Dad", versuche ich es auf die kindliche Schiene und erinnere mich dabei daran, wie fürsorglich er früher immer zu mir gewesen ist.
Früher, als meine Probleme noch aus solchen belanglosen Sachen wie den Hausaufgaben oder einer bevorstehenden Prüfung bestanden.
Meine jetzigen Prüfungen sind sehr viel härter und noch dazu steht dabei um Einiges mehr auf dem Spiel. Ich könnte beispielsweise meine Freiheit verlieren und muss mich möglicherweise auch schon bald zwischen Louis und meinen Eltern entscheiden.
„Nein, Mira. Es wird so gemacht, wie ich es gesagt habe. Da gibt es nichts, zu diskutieren."
Langsam bringt mich dieser bestimmerische Ton auf die Palme! Ich hasse es, wenn er mir nicht einmal die Chance gibt, mich zu verteidigen.
Verärgert springe ich auf und stapfe zum Flur.
Meine Mutter steht noch immer im Türrahmen und berührt sanft meinen Arm, als ich mich an ihr vorbeizwänge, aber ich ignoriere sie.
„Mira!", ruft sie mir hinterher, doch ich schlüpfe schon in meine Schuhe, die Jacke in der Hand.
„Du kannst jetzt nicht raus, Mira! Du musst dich auf morgen vorbereiten", meint sie streng, doch ich schnaube verächtlich.
„Lass mich doch in Ruhe!", fahre ich sie an, was so ziemlich das Unhöflichste ist, was ich jemals zu meinen Eltern gesagt habe.
Erschrocken sieht sie mich an, als ihr bewusst wird, dass es mein vollkommener Ernst ist.
Dann jedoch wird sie wütend, wie ich an der leichten Falte auf ihrer Stirn erkenne. „Mira Maxwell, als deine Mutter befehle ich dir, stehenzubleiben!"
„Ach, halt die Klappe", fauche ich und reiße die Tür auf.
„Mira!", schreit sie, doch da höre ich die Stimme meines Vaters.
„Lass sie", sagt er zu meiner Mutter. „Sie wird sicher bald zur Vernunft kommen. Und wenn nicht, wird die Regierung sie bald gefunden haben. Davor kann man sich nicht verstecken."
Schluckend höre ich seine Worte und schlüpfe dabei nach draußen, wo ich mich eilig in Richtung Stadtende und damit auch dorthin, wo das Rebellenviertel beginnt, wende.
Mit wütenden, festen Schritten lasse ich das Haus meiner Eltern hinter mir und balle dabei die Hände zu Fäusten, bevor ich diese in die Taschen meiner Jacke stecke.
Die Regierung wird mich finden.
Natürlich wird sie das. Die Regierung kann alles, wenn sie nur will. Aber sie weiß nicht alles, sonst hätte sie Louis und seine Gruppe schon lange aufgehalten.
Das ist meine Chance. Vielleicht steht es in Louis' Macht, mich verstecken zu können.
Entschlossen greife ich das Handy in meiner Tasche und ziehe es hervor.
Es ist ein teures Gerät, das ich zu meinem letzten Geburtstag bekommen habe. Darauf sind etliche Fotos, Erinnerungen, Kontakte alter Schulfreunde und wichtige Termine vermerkt.
Doch damit kann mich die Regierung leicht aufspüren und das kann ich nun wirklich nicht gebrauchen.
Also zögere ich nicht lange und werfe es auf den Boden. Es schlittert einige Meter weit, wobei ich erkenne, dass sich ein langer Riss über den Bildschirm zieht.
Nie wieder werde ich ein solches Gerät anrühren, womit man mich so leicht überwachen kann.
Verächtlich kicke ich es zur Seite. Jetzt ist alles darauf unbedeutend.
Ich muss Louis finden, bevor man mich findet und alles zu spät ist!
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Die Dinge, die sie nicht sehen || l.t. ✓
FanfictionWATTYS WINNER 2020 ❝ I figured it out from black and white. ❞ ©2018, neliery und Moenqueen Mira lebt in einer Welt aus Schwarz und Weiß. Sie kennt keine Farben. Doch eine Person, irgendwo dort draußen, nur eine einzige Person, die darauf wartet, gef...