43rd chapter

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„... falls ihr Fragen habt, stellt sie jetzt, denn sobald wir losgelegt haben, wird dazu keine Möglichkeit mehr sein", endet Louis seine Erläuterung des Plans und sieht über die Menge hinweg. Er hat sich auf einen Stuhl gestellt, damit man ihn besser hören und auch sehen kann.

„Warum sollten wir ihr vertrauen?", ruft eine misstrauische Stimme, weil so viele Menschen im Raum sind, kann ich nicht erkennen, wer es gewesen ist. „Sie ist keine von uns. Sie gehört zur Regierung und vielleicht lockt sie uns alle in eine Falle!"

Louis seufzt. Diese Diskussion haben wir schon häufiger gehabt und nie kann irgendjemand ein Argument bringen, das den anderen zufriedenstellt oder wenigstens überzeugt. Es geht hier um Vertrauen - und das ist etwas, was kein Argument dieser Welt ihnen geben kann.

„Noch einmal: Sie selbst wird von der Regierung gesucht, da sie durch einen Fehler ihres Chips mich als ihren Seelenverwandten sieht. Da sie sich geweigert hat, freiwillig aufzutauchen, wird man sie selbst zum Rebellen machen, sobald die Regierung sie in die Hände bekommt und das, meine lieben Freunde, wollen wir um jeden Preis verhindern. Nur, weil wir dieses Schicksal haben, gibt uns das nicht die Erlaubnis, es anderen ebenfalls zu wünschen. Mira hat also keinen Grund, uns anzulügen! Sie wird verfolgt und ist damit in einer noch schlimmeren Lage als wir."

„Und wer sagt, dass sie die Wahrheit sagt?"

„Woher wollen wir wissen, dass sie nicht im nächsten Moment abhaut und uns alle im Stich lässt?"

„Sie hat also die Regierung hierher gebracht! Sie ist dafür verantwortlich, dass wir leiden müssen!"

Anklagende Ausrufe überschlagen sich und ich ziehe den Kopf ein.

Sie haben ja recht. Wegen mir durchsucht die Regierung das Rebellenviertel und ich weiß auch, dass ich ein absoluter Angsthase bin. Vielleicht stimmt es auch, dass ich in einer wirklichen Gefahrensituation alles andere ausblenden und einfach wegrennen würde? Vielleicht haben sie auch da recht?

„Es tut mir so unendlich leid", sage ich leise, doch nur Louis hat es gehört. Sein Blick fährt herum, er sieht mir in die Augen und setzt ein beruhigendes Lächeln auf, auch, wenn das in einer solchen Situation unangebracht ist. Trotzdem wirkt es und ich entspanne mich ein wenig.

„Freunde, Freunde", richtet er sich dann jedoch an alle und lässt seine Hand nach unten sinken, als Gestik, dass die anderen sich beruhigen sollen.

Es funktioniert nicht, er wird ganz einfach ignoriert.

„Haltet einfach mal die Fresse!", ruft Bobo, der Louis' erfolglose Versuche bemerkt hat. Das wirkt, es wird still im Raum und alle schauen Louis' besten Freund respektvoll an.

„Louis will etwas sagen", murmelt er kleinlaut, es ist ihm sichtlich unangenehm, dass die ganze Aufmerksamkeit auf ihm liegt.

Louis nickt ihm dankend zu und räuspert sich.

„Ihr alle kennt mich schon lange", meint er dann und sieht einigen Personen lange ins Gesicht. „Und auch seit einiger Zeit treffe ich für die Gruppe Entscheidungen."

Ich bin mir sicher, er nennt das Wort 'Anführer' absichtlich nicht.

„Ich habe richtige Entscheidungen getroffen und auch falsche. Manchmal hat ein Plan besser oder schlechter als ein anderer geklappt. Aber wisst ihr, worin wir uns immer einig waren?" Er lässt eine kleine Pause, bevor er seine eigene Frage beantwortet. „Dass keiner zurückgelassen wird. Und, dass wir für jeden einzelnen hier alles riskieren würden. Und habe ich euch in diesem Punkt jemals enttäuscht? Habe ich jemals jemanden zurückgelassen?"

Ein kurzes Raunen erfüllt den Raum, bis irgendjemand den Anfang macht und im vollsten Ton der Überzeugung „Nein!" ruft. Weitere folgen diesem Beispiel.

„Und auch dieses Mal ist einer aus unserer Gruppe in Gefahr. Werden wir ihn zurücklassen?"

„Nein!", rufen sie dieses Mal einstimmig und ein triumphierendes Lächeln legt sich auf Louis' Lippen. Er ist gut darin, Ansprachen zu halten, wie ich mal wieder merke, und er weiß, wie er die Menge trotz allem für sich gewinnen kann. „Also, ich bitte euch nun nur um eine einzige Sache: Habt Vertrauen. Wenn ihr Mira nicht vertrauen könnt, dann vertraut wenigstens mir. Vertraut darauf, dass wir Dave zusammen retten können und darauf, dass dieser Plan funktionieren wird. Denn es wird klappen, das weiß ich, wenn ich die Unterstützung von so vielen so guten Leuten habe. Gemeinsam können wir der Regierung mit dieser Aktion einen heftigen Schlag ins Gesicht verpassen!"

Zufrieden sieht er die nun enthusiastischen Leute an. Er streckt eine Faust in die Luft und schreit: „Wenn die Regierung sich mit uns anlegt, schlagen wir zurück! Sie haben einen Funken ausgelöst, der einen ganzen Waldbrand verursachen wird!"

Es wird gejubelt, viele strecken ihre Fäuste ebenfalls in die Luft.

„Wir erklären der Regierung den Krieg!", ruft Louis über die Jubelrufe hinweg.

Damit springt er vom Stuhl herab, tritt zu mir, hebt mich hoch und wirbelt mich herum, als wäre ich federleicht. Dann küsst er mich, setzt mich ab und strahlt. Seine Augen funkeln aufgeregt. „Es geht los, Mira!"

Auch in einer so gefährlichen Situation kann er noch immer einen Grund zur Freude finden. Das bewundere ich an ihm. Während mir vor Aufregung schlecht wird, weil sich mein Magen schmerzhaft zusammenzieht, sieht man, dass ihm der Adrenalinkick lange Zeit gefehlt hat. Er braucht den Nervenkitzel des Abenteuers, auch wenn so viel auf dem Spiel steht wie heute.

Aber er weiß auch nicht, was wirklich auf dem Spiel steht. Er weiß nicht, dass ich nach dem heutigen Tag keine Familie mehr haben werde - jedenfalls keine blutsverwandte. Ich werde ein Rebell sein und sie werden mich verstoßen, mich aus ihren Erinnerungen verbannen und so tun, als habe es mich nie gegeben. Auch wenn er es erst später erfahren wird, durch diese Aktion werde ich mich für Louis und gegen meine Eltern entscheiden. Ich liebe ihn und ich bin bereit, für diese Liebe mein altes Leben zu opfern.

Die Dinge, die sie nicht sehen || l.t. ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt