Zu meinem Glück kommt gerade Toni aus der Küche und wendet sich an Joe. „La pizza è pronta, capo." Ich glaube, ich werde Toni auf ewig dankbar sein müssen. „Quindi portala a Chris. Il povero ragazzo ha fame!", ruft Joe aus und schickt Toni scheinbar wieder in die Küche. Ja, Italienisch wird langsam immer wichtiger. Doch eine halbe Minute später steht eine fertige, dampfende Pizza bei mir auf dem Tisch. „Une pizza perfetta per il mio amico!", freut sich Joe und die kleine liebevolle Standpauke ist vergessen. Ganz wichtig! Auch wenn ich da schon zwei Worte verstehen konnte. Während ich also nun genüsslich in eine verdammt heiße Pizza beiße, gesellt Joe sich wieder neben mich. „Andreas genießt die Zeit mit seinen Jungs." Ich sehe zu Joe. „Offenbar konnten die beiden Jungs ihre Mutter überzeugen noch die restliche Woche bei Andreas zu verbringen. So müssen sie erst nächste Woche Montag wieder zurück zu Lene.", kaue ich und schlucke dann das Pizzastück schnell herunter. Sie ist wirklich lecker, aber eben auch verdammt heiß. „Und wie nehmen die Kinder es auf? Also, dass madre e padre getrennte Wege gehen wollen...", erkundigt sich Joe und reicht mir eine Serviette. Ich nehme sie dankend an. Dann wische ich mir kurz die Soße vom Mund, dann setze ich zur Antwort an: „Eigentlich ist nichts anders. Nur das Lene eben bei Andreas ausgezogen ist und sich nun auf ein Leben ohne Ehemann einstellt. Es war einfach zu viel, meinte Andreas. Er hat das alles ordentlich mit ihr ausdiskutiert. Die Kinder hatte ich in der Zeit. Weißt du, Joe, es ist nicht einfach, wenn Andreas immer unterwegs ist und Lene die Kinder allein hüten muss." Ich neige den Kopf und greife wieder nach dem Glas. „Das tut mir leid.", sagt Joe. Ich zucke mit den Schultern. „Nun ja, eigentlich muss es das niemandem. Ich meine, sie sind immer noch verheiratet und keiner hat etwas anderes verlangt. Es ist wie eine kleine Beziehungspause. Vielleicht brauchte Lene das auch einfach, verstehst du? Ich meine, sie wartet ständig auf Andreas. Ihr ganzes Leben muss sich doch nach ihm richten. Sie kann nicht mal richtig einkaufen gehen, weil vielleicht Fans vor dem Haus lungern. Möglicherweise war das auch ein Grund...", überlege ich. Joe seufzt. „È dura, mia grande. Aber es wird besser." Ich beiße genüsslich von der Pizza ab und nicke. „Ja, es will keiner von beiden einen fiesen Rosenkrieg um die Kinder. Lene ist auch der Meinung, dass die Kinder jetzt nicht auf ihren Vater verzichten sollten. Andreas ist genauso überzeugt davon, dass Kinder ihre Mutter brauchen. Also, die sind einfach ein altes Ehepaar. Die bekriegen sich nicht so, wie die heutigen komischen Menschen, die so etwas Ehe nennen.", sage ich, nachdem ich das Stück heruntergeschluckt habe. Ich bewundere meinen Bruder und seine Frau. Das tue ich wirklich. Ich habe großen Respekt davor, wie sie mit der Sache umgehen.
„Und jetzt? Wie läuft das jetzt alles so? Ich meine, waren die beim Gericht? Wann kriegt er denn jetzt genau die Kinder?", will Joe wissen. Ich lache und benutze erneut die Serviette. „Mensch, Joe. Neugierig bist du gar nicht, oder?" Joe schnaubt und verschränkt die Arme. „Sono indignato! E mi sento offeso. Was denkst du von mir, Chris? Ich mache mir Sorgen!", erklärt Joe. Ich ziehe eine Augenbraue hoch und schaue ihn auffordernd an. Da gibt er nach. „Sì, hai vinto. Du hast mich erwischt. Aber ich mache mir wirklich Sorgen. Ihr seid meine zweite Familie!", brummt Joe. Da muss ich ihm recht geben. Irgendwie macht es ihn zu einem guten Onkel, mit dem man alles erleben kann. Dieser eine verrückte Onkel, den jeder hat und den jeder mag. Das ist Joe. „Keine Ahnung, die entscheiden das immer anders. Lene ist in die Bündner Innenstadt gezogen. Aber sie überlässt Andreas gerne und oft die Kinder. Genauso ist sie nicht sauer, wenn er mal absagen muss. Andreas würde ihr sogar Unterhalt zahlen, aber das will Lene nicht und ich denke, so lange sie nicht vor Gericht gehen, muss das auch nicht. Naja, ich habe davon keine Ahnung und deswegen überlasse ich es lieber den beiden.", schließe ich meinen Bericht. Joe nickt und lehnt sich mit den Armen auf den Tisch. „Die Pizza geht aufs Haus, il mio grande mago e amico.", flüstert er dann und ich mache große Augen. Klar, Joe hat uns schon öfter mal so durch das Restaurant geschmuggelt, aber heute Abend kann ich das wirklich nicht annehmen. „Ich kann das nicht schon wieder annehmen. Joe, du sagst das immer öfter zu uns.", mahne ich, doch Joe hebt den Finger. „Nessun rifiuto! Ho deciso così! Mein Lieber, ich habe das so beschlossen.", sagt Joe und irgendetwas in seiner Stimme hält mich davon ab zu widersprechen. Ja, Joe hat und irgendwie schon gut in der Hand. „Ihr Jungs seid famiglia. Da mache ich gerne mal eine Ausnahme.", meint Joe. Ich lächle. „Das mag sein, aber auch wir sind ganz normale Menschen, die sicherlich auch mal zahlen können.", versuche ich es ihm dann noch einmal zu erklären. Doch Joe hebt den Finger. „Mag sein, ihr seid maghi. Aber ich bin Joe und ich entschließe das jetzt.", sagt Joe. Ich nicke. „Du beschließt, Joe.", werfe ich ein. Joe schüttelt den Kopf. „Das meine ich schon so, wie ich das sage.", brummt er. Ich nicke. „Ich schätze aber, dass ich langsam mal nach Hause muss.", meine ich und stehe auf. Joe nickt. „Ich bring eben den leeren Teller zurück.", erklärt Joe und steht auf. Ich grinse, während Joe verschwindet. Ich zücke flink mein Portemonnaie und nehme einen Zwanzig-Euro-Schein heraus. Ich schleiche mich schnell zur Theke, wo das Trinkgeld-Schweinchen steht. Mit einem Handgriff habe ich den Zwanziger in dem Schweinchen versenkt.
„Quindi, mio grande. Ich danke dir für deinen Besuch. Grüße an alle anderen, wenn du sie siehst. Schätze mal, du siehst sie eher als ich.", meint Joe. Ich nicke. „Ja, mach ich. Vielen Dank, Joe." Dann umarme ich ihn noch kurz und gehe danach zu meinem Wagen. Ich setze mich hinter das Lenkrad und starte den Motor. Nach wenigen Minuten bin ich auch wieder bei mir Zuhause angekommen. Ich nehme immer zwei Stufen hoch bis vor meine Wohnung. Mit dem Schlüssel schließe ich sie auf, trete hinein und schalte das Licht ein. Es ist doch spät geworden. Ich werfe mich auf die Couch und streife mir die Schuhe von den Füßen. Mit den Händen versuche ich mir die Schuhe zu angeln. In liegender Position ist das ziemlich schwer und so richte ich mich auf. Endlich kann ich meine Schuhe greifen. Ich wende mich zur Tür und werfe den ersten Schuh. Dieser verfehlt die Tür nur um wenige Zentimeter. Was für ein Mist! Aber ich habe ja noch den zweiten Schuh. Eine Chance habe ich noch. Also fliegt auch der zweite Schuh Richtung Tür. Mit vollem Einsatz puste ich dem Schuh hinterher. Aber auch dieser Schuh saust an der Tür vorbei. Ich seufze. Also muss ich jetzt aufstehen. Na gut, muss ich ja sowieso. Merkt man langsam, dass ich müde werde? Auf solche dummen Ideen komme ich normalerweise nur, wenn ich müde oder bei Andreas bin. Lene sagte immer, dass wir uns wie Kindergartenkinder verhalten. Erneut seufze ich. Das mit Andreas und Lene tut mir immer noch so leid. Aber verstehen kann ich sie auch ein bisschen. Hmmm, ich sollte wirklich allmählich das Licht ausschalten und mich ins Bett schmeißen. Vor mich hin murmelnd erhebe ich mich von der Couch und stiefle zu meinen im Raum verteilten Schuhen. Zu meinem Glück schlafen alle Nachbarn schon. Ich habe da echt ein gutes Haus erwischt. Die Nachbarn sind hier sehr offen und freundlich. Trotz meiner Bekanntheit und meiner häufig vorkommenden Abwesenheit sind alle sehr herzlich zu mir. Streit und Ärger gibt es selten, was heute auch manchmal etwas seltener ist. Ich hebe meine Schuhe vom Boden auf, schließe die Tür nun selbst und stelle die Schuhe daneben hin. Dann begebe ich mich in mein Schlafzimmer und suche mir aus dem Schrank ein T-Shirt und eine kurze Shorts. Mit beidem bewaffnet schlendere ich ins Badezimmer und lege die Sachen dort auf meine Waschmaschine.
Während ich mir also nun mit einer Hand die Zähne putze, versuche ich mit der anderen mich von meiner Hose und meinem T-Shirt zu befreien. Funktioniert auch fast. Aber nach längerem kämpfen habe ich es geschafft. Die Zahnpasta spuke ich nun ins Waschbecken und spüle mir danach den Mund ordentlich aus. Nun wasche ich mich gründlich und mache mir auch die Haare noch etwas nass. Nachdem ich mich dann auch wieder angetrocknet habe, ziehe ich mir die Sachen an, die ich mir vorhin aus dem Schrank genommen habe. Die schmutzige Wäsche vom heutigen Tag stopfe ich in den Wäschesack und dann geht es endlich in Richtung Bett. Dort angekommen lasse ich mich einfach darauf fallen. Ich hole tief Luft und schließe meine Augen. Was waren das bloß für Tage? Ich bin völlig fertig. So eine geniale Show! Unsere zweite schon. Wie lange haben wir diese Show vorbereitet? Es gab soviel, das wir beachten mussten. So viel Zeug, das wichtig war. So viele Sachen mussten wir klären. Es gab Hindernisse, die uns zweifeln ließen. Es gab aber auch Menschen, die uns Hoffnung machten. Es gab soviel und jetzt liegt diese Show hinter uns. Sie liegt erfolgreich hinter uns. Kaum zu glauben, oder?
to be continued...
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Nothing else matters ~ Ehrlich Brothers
FanfictionDie Brüder Chris und Andreas Ehrlich, besser bekannt als die "Ehrlich Brothers", feiern nach knapp dreieinhalb Jahren ihren großen Tourabschluss in einer gigantischen Show. Doch nach den großen Feierlichkeiten geht es für die beiden Brüder wieder zu...