Einige Laubblätter, die am Boden liegen, wirbeln durch die Luft. Der Wind ist stark und die Bäume biegen sich, sobald er sie berührt. Einzelne Blätter fallen noch zu Boden. Wie in Zeitlupe nähern sie sich ihm. Sie landen friedlich zwischen den Erdklumpen, den Kieselsteinchen und den anderen Blättern. Bis der Wind sie erneut hochwirbelt und auf eine neue Reise schickt. Ein Blatt gleitet gemütlich durch die Luft und lässt sich dann in den Haare eines Mannes nieder. Doch dieser bemerkt es gar nicht. Sein Blick ist starr nach vorn gerichtet und seine Augen fixieren den glänzenden Stein vor ihm. Seufzend vergräbt er seine Hände in seinem schwarzen Mantel.
Es ist schon lange her, dass er ihn aus dem Schrank geholt hat. Die Hände nun in den warmen Taschen, entweicht ihm erneut ein Seufzer. Kurz hebt er den Blick gen Himmel, um die flüssigen Kristalle in seinen Augen wegblinzeln zu können. Die grauen Wolken am Himmel verdecken gekonnt die Sonne. Die grauen Wolken gehören irgendwie zum Alltag und passen nahezu perfekt zu seiner Gemütslage. Traurig senkt er den Blick und kann nicht verhindern, dass die wiederkehrenden Kristalle ihm die Sicht nehmen. „Verdammt...", murmelt er so leise, dass auch wirklich nur er es verstehen kann. Langsam schließt er seine Augen. Wohlwissend welche Bilder nun an seinem inneren Auge vorbeiziehen werden. Und kaum sind seine Augen wirklich geschlossen, da sieht er sie wieder. Wie eine der wichtigsten Personen in seinem Leben lacht und fröhlich scherzt.Doch der Mann öffnet seine Augen wieder, denn lange hält er das nicht aus. Zu groß ist der Schmerz, der ihn plötzlich überkommt. Zu sehr spürt er diesen Verlust. Der Wind heult zwischen den Bäumen auf und das Blatt in dem Haar des Mannes hebt leicht wie eine Feder ab. Es segelt ein paar Meter und sinkt dann vor den Füßen einer jungen Dame zu Boden. Doch auch diese junge Dame hat das Blatt nicht bemerkt. Sie geht weiter bis sie neben dem Mann im schwarzen Mantel zum Stehen kommt. Der Wind weht ihr durch das lange Haar und sie hat Mühe es sich hinter das Ohr zu schieben. Kaum hat sie es einmal geschafft, da tanzt es auch schon wieder vor ihrer Nase. Sie verlagert das Gewicht und schaut dann auf ihre schwarzen Stiefel hinab. Nur die Fußspitzen der Stiefel sind zu erkennen. Den Rest versteckt sie auch gekonnt unter einem langen Mantel. Er wärmt sie gut und das dunkle Blau passt perfekt zu ihrem grauen Schal, den sie um ihren Hals gewickelt hat. Sie räuspert sich einmal kurz und hat damit die Aufmerksamkeit des Mannes auf sich gezogen. Er dreht sich verwundert zu ihr herum und fühlt sich gleichzeitig ertappt. „Was machst du denn hier?", haucht er tonlos.
Sie lächelt ihm zu und tritt noch ein bisschen näher an ihn heran. Er schaut ihr in die Augen. Dort kann er die gleichen flüssigen Kristalle erkennen, wie in seinen Augen. „Ich wollte nur mal nach dir schauen.", antwortet sie und hakt sich bei ihm ein. „Du hast gesagt, du bist kurz weg und jetzt sind schon drei Stunden vergangen. Ich habe mir einfach Sorgen gemacht." Sie lehnt ihren Kopf vorsichtig an seine Schulter und atmet tief ein. Der Mann schweigt und starrt wieder auf den glänzenden Stein am Boden vor ihm. Eine ganze Weile ruht sein Blick nun schon auf ihm und er ist keinen Gedanken weitergekommen. Vermutlich liegt es daran, dass er seit geraumer Zeit keinen klaren Gedanken mehr erfassen kann. „Ich würde dann gleich wieder fahren, jetzt wo ich weiß, dass es dir gut geht. Willst du, dass ich dich lieber heute Abend hier abhole? Dann hast du noch ein bisschen Zeit mit ihm...", flüstert die Frau leise an und sieht ihn kurz an. Und er zuckt mit den Schultern. „Hey, du musst mir schon sagen, was dir lieber ist...", sagt sie und mustert den Mann, den sie bis vor kurzem noch als ihren lebensfrohen und lustigen Schwager kannte. Obwohl es inzwischen kälter geworden ist, zittert er nicht. Der Mantel scheint ihn gut zu wärmen. „Danke, aber ich weiß selber noch nicht, was mir lieb ist.", erklärt der Mann und räuspert sich. „Dieser Tag erscheint mir, wie ein dummer Alptraum aus dem ich nicht erwachen kann." Die Frau legt ihren Kopf auf die Brust des Mannes. „Du weißt aber bitte, dass es nicht deine Schuld ist, oder? Komm schon, ich bitte dich...", verlangt sie leise. Er nickt. Immer wieder liest er, was auf dem Stein steht. Und jedes Mal, wenn er es gelesen hat, liest er es noch einmal. Denn er hat es sofort wieder vergessen, nachdem er es gelesen hat. So gleiten seine Augen erneut über die zwei Zeilen, die in den Stein eingemeißelt worden sind.
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Nothing else matters ~ Ehrlich Brothers
FanfictionDie Brüder Chris und Andreas Ehrlich, besser bekannt als die "Ehrlich Brothers", feiern nach knapp dreieinhalb Jahren ihren großen Tourabschluss in einer gigantischen Show. Doch nach den großen Feierlichkeiten geht es für die beiden Brüder wieder zu...