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Die Zeit vergeht und schließlich bricht große Hektik aus. Plötzlich müssen alle, bevor wir fahren, noch einmal zur Toilette. Jetzt fällt jedem ein, dass er seine Schuhe nicht findet und Annika möchte auf gar keinen Fall ohne ihre Puppe gehen. Tja, was soll ich sagen? Liam möchte unbedingt weiter mit seinen Freunden spielen und Felix fühlt sich schlapp. Bis alle im Auto sitzen, sind wirklich mal eben zwanzig Minuten vergangen. Aber dann fahren wir los. In zwei Autos, da Mama und ich direkt von da aus zum Krankenhaus durchfahren wollen. Während ich meine kleine alte Karosserie hinter Andreas' großer Familienkutsche herschiebe, komme ich ins Grübeln. Besser gesagt, ins Nachdenken. Wie wird unser Leben demnächst aussehen? Ich meine, was ist, wenn sich Andreas' Zustand nicht verbessert? Was ist, wenn das ab sofort unser neues Leben ist? Werde ich dann meine Wohnung kündigen und in sein Haus ziehen? Wird Lene mit den Kindern in das Haus ziehen? Wird Mama einziehen oder werden wir es einfach samt dem Rest verkaufen? Was wird aus unseren Shows? Den vielen Menschen, die uns sehen wollen? Was wird aus den ganzen Illusionen? Werden die dann verkauft? Sollte ich dann David Copperfield zurückrufen und ihm sagen, jetzt kann er sie haben? Ich schlucke.

Was sind das bloß für irre Fragen, die sich gerade durch meinen Kopf schmuggeln? Das gefällt mir aber ganz und gar nicht. Das lassen wir mal lieber. Und besser ich lasse es etwas schneller, denn schon parke ich meine rostige alte Kiste vor dem Imbiss. „Onkel Chris! Wir sind schon da!", ruft Annika und winkt mir fröhlich von Lenes Hand aus zu. Ich lächle und winke ihr lieb zurück. Dann steige ich aus und schließe den Wagen ab. Zusammen stürmen wir mehr oder weniger Joe's kleine Bude. Er freut sich riesig uns zu sehen, doch ihm fällt sofort auf, dass der „Capo di casa" fehlt. In Ruhe erklären Lene und ich ihm, was mit Andreas los ist. Joe ist völlig geschockt und versichert uns, dass er uns in allen Lebenslagen helfen will. „Il cibo geht natürlich auf die Haus, meine Freunde!", sagt er und drückt Lene einen Kuss auf die Wange. Dann umarmt er mich und klopft mir freundlich auf die Schulter. Ich lache. Da haben wir es! Joe wird an uns niemals etwas verdienen! Das kann es doch nicht sein. „Ach Quatsch, Joe. Wir zahlen unser Essen. Du kannst uns nicht immer einladen.", beschwert sich auch Lene und Joe winkt ab. „Aber der Chef ist nicht gesund. Ich mache das für den Chef und Chef würde sagen: Das nimmt man einfach an.", erklärt Joe und ich lache erneut. Das würde Andreas niemals sagen. Er wäre auch immer für das Bezahlen. Selbst wenn es Joe ist, den wir schon fast unser ganzes Leben kennen.

Wir setzen uns alle an den Tisch, Joe bringt uns die Karten und nimmt dann sogleich unsere Getränkebestellung auf. Dann steckt jeder seine Nase in die Karte. Annika schaut in Lenes Karte mit hinein und ihre Mutter erklärt ihr liebevoll, welche Speisen zur Auswahl stehen. Am Ende sind es sowieso immer Spagetti. Die Jungs einigen sich auf eine Pizza und ich wähle auch mein Lieblingsgericht aus. Nur Mama probiert einen Salat, der erst seit kurzem auf der Karte stehen soll. Lene will sich mit ihrer Tochter die Nudeln teilen. „Hall insieme, habt ihr euch entschieden, was ihr haben wollt?", spricht Joe uns plötzlich an und wir nicken alle eifrig. Er nimmt unsere Bestellung auf und verschwindet dann kurz in der Küche, um diese an seinen Küchenchef weiterzugeben. Danach erscheint er wieder bei uns am Tisch, nimmt sich einen Stuhl und setzt sich dazu. Wir unterhalten uns alle nett und ich berichte wieder ein bisschen von der Tour. Dann erzählt Joe uns, dass er expandieren will und dafür schon alles in Wege geleitet hat. „Cool, hast du dann auch so einen Lieferservice? Dann müssen wir gar nicht mehr hier hinfahren.", meint Liam. Der Rest am Tisch lacht. „Warum, mein Freund? Willst du nicht mehr zu mir kommen?", staunt Joe. Liam verzieht das Gesicht und schaut unsicher zwischen uns allen hin und her. Erneut müssen alle lachen. Wir unterhalten uns alles noch ein bisschen, bis Joe schließlich wieder in der Küche verschwindet und uns das Essen serviert. Kaum hat das Essen seinen Platz auf dem Tisch gefunden, stürzen sich auch schon sechs hungrige Mäuler auf die leckeren Gerichte. Joe schaut sich dieses Treiben mit einem Lächeln im Gesicht an. Ich genieße meine Lieblingsspeise in jeder Sekunde. Die Stimmung ist ausgelassen und fröhlich. Wir machen viele Scherze und lachen einfach frei heraus. Die Jungs streiten sich liebevoll um die verschiedenen Stücke ihrer Pizzen. Eigentlich will jeder Mal bei jedem probieren, aber keiner ist bereit etwas von seinem Essen abzugeben. Kann ich verstehen.

Nothing else matters ~ Ehrlich BrothersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt