~ 15 ~

253 17 18
                                    

„ONKEL CHRIS!", schreit sie und rutscht von der Couch. Dann läuft sie auf mich zu und ich beuge mich zu ihr hinunter. „Hallo mein Engelchen, alles wird gut. Onkel Chris ist ja jetzt da.", flüstere ich ihr leise zu. Auch Felix ist von der Couch aufgesprungen und auf mich zugelaufen. „Onkel Chris, der Papa...", schluchzt Felix. Ich nicke und drücke die beiden an mich. Liam sitzt nur auf der Couch und schaut teilnahmslos durch die Gegend. Oh, sie tun mir alle so leid. Was soll ich denn machen? In diesem Moment erscheint ein etwas älterer Mann und an seiner Kleidung kann ich erkennen, dass er zu dem Team des Rettungswagens gehört. „Guten Abend, sind Sie Herr Reinelt?", werde ich gefragt. Ich nicke. „Ich bin Johannes Lanke. Wir hatten telefoniert. Ihr Bruder ist jetzt stabil und wird ins Klinikum gefahren. Wir bringen ihn gleich mit der Trage in den Rettungswagen. Nur damit Sie Bescheid wissen.", meint Herr Lanke und deutet mit dem Kopf unauffällig auf die Kinder. Ich habe ihn sofort verstanden und gehe mit den Kindern zurück in das Wohnzimmer. „So, ihr süßen. Wir machen jetzt hier mal die Tür zu und warten ein bisschen. Wir können ja in der Zeit etwas spielen.", schlage ich vor und Annika ist von der Idee begeistert. Schon präsentiert sie uns allen ihr Lieblingskuscheltier. „Papa hat das geholt.", erklärt sie stolz, doch Liam verzeiht nur das Gesicht. Hmmm, also mit Vierzehn war ich auch nicht mehr so für Kuscheltiere. Ist dann so. „Was ist denn hier los?", höre ich auf einmal eine erschrockene Stimme. Ich zucke zusammen. Das ist doch jetzt ein Scherz, oder? Wie kann das denn sein? „Oma ist da!", ruft Annika und will auch schon zur Tür hinaus. Doch ich halte sie auf. „Immer mit der Ruhe, Annika. Ich geh mal zur Oma. Ihr wartet hier, okay? Macht ihr das?", frage ich sie und schaue dabei auch zu Liam, der dann bestätigend nickt. Dann mache ich mich auf in den Flur, wo ich eine ziemlich überraschte Mama sehe. „Was zum Teufel ist denn hier los? Chris, draußen steht ein Rettungswagen! Ist etwas mit den Kindern? Oder mit Andreas? Warum hat denn niemand Bescheid gesagt?", ist sie völlig aufgeregt.

Ich hebe meine Hände um sie beruhigend auf ihre Schultern zu legen, doch Mama denkt gar nicht daran sich zu beruhigen. „Um Himmels Willen, was ist denn hier los?" Ich hole tief Luft. „Beruhige dich, Mama. Es ist alles gut! Alles wird gut! Bitte, beruhige dich doch erstmal!", rede ich auf sie ein. Meine Stimme zittert, doch ich versuche es zu überspielen. „Andreas scheint einen Unfall gehabt zu haben. Ich weiß auch noch nicht viel mehr. Mir wurde das vor wenigen Minuten am Telefon gesagt. Ich sollte nur kommen, damit ich mich um die Kinder kümmern kann.", erkläre ich ihr, was ich weiß. Denn so viel mehr ist es ja auch nicht, als sie weiß. „Die armen Kinder...", flüstert Mama. Ich nicke und nehme sie dann fest in den Arm. „Aber was ist denn jetzt los? Ich meine, bringen sie ihn ins Krankenhaus?" Mama versucht sich aus meiner Umarmung zu lösen und an mir vorbei zu schielen. „Ich weiß es nicht, Mama. Ich weiß es nicht, ich weiß es wirklich nicht.", hauche ich verzweifelnd. Das ist alles bloß ein Traum. Nur ein blöder Traum, das ist nicht real. Das ist alles nur ein Traum, alles nur ein Traum. Das ist das einzige, woran ich gerade denken kann. Oder das einzige, das mich in dieser Situation nicht ausflippen lässt. Den Gedanken daran, dass alles nur ein Traum sein könnte.

In diesem Moment kommt Herr Lanke auf uns zu. „Guten Abend, Lanke mein Name.", stellt er sich höflich bei Mama vor. „Hallo, Hilde Reinelt, guten Tag. Ich bin die Mutter. Was ist denn hier los?", antwortet Mama und Herr Lanke verlagert das Gewicht. „Also, es gab einen Notruf von Ihrem Sohn, dass er gestürzt ist. Als wir hier eintrafen hat uns der älteste Sohn die Tür aufgemacht und uns ins Bild gesetzt. Ihr Sohn war ansprechbar, allerdings hatte er solche Schmerzen, dass er uns nicht erklären konnte, was geschehen ist. Deswegen haben ihm jetzt durch unseren Notarzt ein Medikament gegen die Schmerzen geben lassen. Dadurch ist er nun leicht weggetreten. Wir werden ihn jetzt jeden Augenblick in den Rettungswagen bringen. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir dann sofort losfahren müssen.", berichtete uns Herr Lanke. Bei seinen Worten zucke ich zusammen. Als würden mich bei jedem Wort Messer treffen und sich dann ganz langsam in meinen Körper bohren. So quälend langsam und schmerzhaft. „Kann ich mitfahren?", frage ich und schaue zu Mama. Sie nickt. „Eigentlich nicht, Sie müssten hinterher fahren. Aber wir können da bestimmt einmal eine Ausnahme machen. Allerdings müssten Sie sich dann vorne hinsetzen und uns bitte nicht in die Arbeit hineinreden.", sagt Herr Lanke. Ich nicke. Damit bin ich schon total einverstanden. Herr Lanke lächelt uns noch einmal freundlich an und verschwindet dann wieder nach oben. Dort sind aber nur die Schlafzimmer, ein Bad, sowie die Kinderzimmer. Wo hätte er da stürzen können?

Nothing else matters ~ Ehrlich BrothersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt