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Vom Stapel habe ich bisher nur ein Blatt genommen und dieses ziemlich lange gedankenverloren angestarrt. Aber jetzt reiße ich mich mal zusammen und beginne zu arbeiten. Rechnungen, die bezahlt werden müssen. Dazwischen immer mal wieder Post und Werbung. Fast wie Zuhause, denke ich mir. Aber es sind auch Bewerbungen dabei. Diese lege ich auf einen separaten Stapel. Das kann ich nicht allein entscheiden. Zumindest Andreas muss dazu noch befragen, also wandert das auf den Stapel mit der Uhr. Für später. Ich liebe diese Ablage und da landen auch die meisten Akten und Papiere. Aber nicht heute. Heute landet da nur diese eine Bewerbung. Inzwischen habe ich auch viele Bestellungen, Auftragsbestätigungen und Berichte über Reparaturen in den Fingern. Um Himmels Willen! Wer hat denn entschieden, dass dieser Bericht über Zwölf Seiten gehen muss? Und wer zum Teufel soll die alle lesen? Ich hole tief Luft. Wie war das noch? Ruhig einatmen, ausatmen, einatmen. Nach Möglichkeit Ruhe bewahren? Ich habe hier keine Möglichkeiten mehr! Ich hasse Papier. Wirklich, ohne Witz. Ich hasse es. Nach heute werde ich bestimmt für die nächsten Tage kein Papier mehr anfassen! Aber mal garantiert nicht! An drei Blättern habe ich mich jetzt schon geschnitten und acht Mal habe ich das falsche Wort abgeschrieben. Ich bin mindestens zehn Mal in der Zeile verrutscht und musste alles neu schreiben und unzählige Male ging auch schon das Telefon. Aber abheben konnte ich bisher auch nur vier Mal, weil ich sonst immer zu viel in der Hand hatte. Ich bin so in die Arbeit vertieft, dass ich gar nicht merke, wie schnell die Zeit vergeht. Als ich das nächste Mal auf die Uhr schaue, haben wir schon Viertel vor Sechs. Unglaublich! Ich habe die ganze Zeit durchgearbeitet. Ich strecke mich und stehe dann auf. Naja, eigentlich sollte ich mit dem Ergebnis zufrieden sein. Von den drei Stapeln sind zwei verschwunden. Okay, zugegeben, den einen Stapel bin ich ja ziemlich schnell losgeworden. Aber auf den zweiten Stapel bin ich stolz. Den habe ich komplett weggearbeitet, abgeheftet und sortiert. Leider sieht es hier gerade trotzdem aus, wie auf einem Schlachtfeld. Die Ordner, in denen ich die ganzen Sachen abgeheftet habe, stehen wild im Büro verteilt. Wahnsinn! Ich reibe mir die Hände. Dann räume ich jetzt mal schnell auf. Und vielleicht melde ich mich dann mal bei Andreas. Nur um zu fragen, wie es ihm so geht. Ich mache mir ja schon Sorgen. Vor allem, nachdem er es gestern zugegeben hat, dass es ihm schon ziemlich weh tut. Ich seufze, aber dann mache ich mich ans Werk.

Da geht plötzlich die Tür auf und unsere Putzfee steckt ihren Kopf herein. „Huch! Ich dachte, es wären schon alle weg.", sagt sie und will gerade wieder gehen. „Warten Sie. Ich bin gleich weg. Nur noch eine Minute. Warten Sie doch kurz.", rufe ich ihr schnell hinterher und sie hat mich tatsächlich noch gehört. „Ich bin schon fast fertig und verschwinde dann.", erkläre ich und mache eine magische Geste. Sie lacht. „Wenn Sie das meinen, dann kann ich Ihnen ja nicht widersprechen. Aber machen Sie in Ruhe. Ich will Sie nicht hetzen.", meint sie und ich nicke. Beeilen werde ich mich aber trotzdem. Zum Glück muss ich nur die Ordner wegräumen und ein paar Schränke zuschließen. Ganz schnell habe ich auch das erledigt und nicke unserer Putzfee noch einmal zu. „Bin schon weg...", murmle ich und verschwinde aus dem Büro. Ich schlendere gemütlich zu meinem Wagen und quetsche mich dann hinein. Dann starte ich den Motor, schnalle mich an und will gerade losfahren, als mir eine Idee kommt. Eigentlich könnte ich auch einen Umweg fahren und mal jemanden besuchen. Ich finde, das ist eine gute Idee. Also schlage ich eine neue Richtung ein und wende im nächsten Kreisverkehr. So einfach geht das und ich bin sicher, sie wird sich freuen. Jedenfalls hoffe ich das. Ob ich neue Blumen mitbringen sollte? Naja, sie mochte Blumen sowieso nicht so gerne. Tja, dann kann ich ihr auch nicht helfen und sie wird auf die schönsten Blumen verzichten müssen. Ups, falscher Gedanke. Ich habe ihr ja schon geholfen. Das hat sie mir ganz oft gesagt. Eines Tages sagte sie mal, ich hätte ihr Leben verändert. Das konnte ich auch mehr als einmal zurückgeben. Die guten alten Zeiten. Ich erinnere mich gerne daran zurück. Mittlerweile auch ohne dabei den berühmten Kloß im Hals zu spüren. Es gab einfach so viel Gutes in dieser Zeit. Ich habe sie unendlich genossen. Klar, es war nicht immer nur Sonnenschein, aber auch die dunklen Regentage haben wir genutzt, um draußen zu tanzen. Wir haben die schlechten Dinge einfach nicht ernst genommen.

Nothing else matters ~ Ehrlich BrothersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt