Kapitel 2

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Randon Banks

Wenn ich nicht aufpasse, schlafe ich jeden Moment ein. Schlafmangel ist etwas, womit ich einfach nicht umgehen kann. Lesley hat mich heute zu Hause abgeholt und nimmt mich in ihrem pinken Mini mit zur Schule, weil ich es mir einfach nicht zutraue, in dem Zustand Auto zu fahren.

>Du solltest nicht so lange an deinen Ballerspielen sitzen, wenn du dann so müde bist. Selbst Schuld<, beschwert sie sich schon wieder, hält an einer Ampel. Seit ich eingestiegen bin geht das so, obwohl sie weiß, dass ich nicht müde bin, weil ich spät ins Bett gegangen bin. Neben unserem Haus ist seit einer Woche eine riesige Baustelle. Deren Bauarbeiter sind der Meinung, bis um zehn Uhr die Straße aufzureißen, damit sie morgens um fünf wieder weitermachen können.

Wann soll man denn da schlafen?

Seitdem habe ich immer bei ihr geschlafen, aber letzte Nacht war Natascha bei ihr und sie wollten einen Mädels-Abend machen. Zwar haben die Bauarbeiter am Sonntag nicht gearbeitet, aber irgendwie konnte ich trotzdem nicht richtig schlafen.

Die Ampel wird grün und sie fährt endlich weiter, damit ich wieder die Häuser am Straßenrand zählen kann. Das ist im Moment alles, was mich wach hält.

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>Bis dann<, verabschiedet sie sich am Haupteingang, küsst mich kurz, dann geht sie nach drinnen. Ihre braunen Locken wippen bei ihren Schritten, was irgendwie hypnotisch und einschläfernd wirkt. Schon wieder muss ich gähnen, halte mir die Hand vor den Mund.

Ich bin so müde.

>Morgen Randon<, begrüßt mich Phil lautstark, schlägt mir auf den Rücken und schon bin ich wach.

>Willst du mich zum Krüppel machen?<, frage ich ihn gereizt, rolle meine Schultern, um meinen Rücken zu lockern. Selbstverständlich hilft es nicht.

>Pussy<, lacht er, schlägt mir noch einmal auf den Rücken. Zu gern würde ich ihn dafür zu Recht weisen, aber der Schmerz wird mich wach halten. Außerdem weiß ich, dass er es nicht böse meint. >Wir haben nur noch fünf Minuten<, sagt er dann und geht nach drinnen, dicht gefolgt von mir.

Zügig schlängeln wir uns zwischen den anderen Schülern hindurch, erst zu seinem Schließfach, dann zu meinem. Er hat nur zehn Sekunden gebraucht, ich dagegen brauche schon allein vier Anläufe, um mein Schloss zu öffnen.

Er stöhnt genervt, sieht auf seine Armbanduhr.

>Hab's gleich<, versuche ich ihn zu beruhigen, schnappe mir eines von den belegten Broten und mein Buch für Sozialkunde, schlage die Tür wieder zu.

>Wo hast du das denn jetzt her?<, will er wissen, den Blick auf das Brot gerichtet. Schulterzuckend beiße ich ein großes Stück ab, setzte mich in Bewegung. Es schmeckt einfach klasse und ist wie immer meine absolute Rettung. Diese belegten Brote sind immer etwas anders, machen satt und sind geschmacklich in den meisten Fällen genau meins. Und wenn nicht, schmecken sie trotzdem.

Er folgt mir den Gang entlang, sieht mich erwartungsvoll an. >Lesley macht dir Brote?< Kopfschüttelnd kaue ich zu Ende.

>Die stehen jeden Morgen in meinem Fach. Keine Ahnung, von dem wem die sind. Von Lesley bestimmt nicht, sie würde so was nicht machen.< Abgesehen davon glaube ich auch nicht, dass mir meine Freundin Brote macht und sie morgens in mein Schließfach stellt, wenn sie mich doch schon immer vor der Schule sieht.

>Von wem dann?< Ahnungslos hebe ich die Schultern, beiße erneut in das Brot. Am Anfang habe ich mich gefragt, wer mir aus welchem Grund immer das Essen in das Schließfach stellt, aber irgendwie war ich nie neugierig genug, um zu fragen. Seit einer handgeschriebenen Notiz weiß ich, dass sie von einem Mädchen sind und der Rest ist mir egal.

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