Kapitel 25

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Clara Archer

Weiter, immer weiter.

Meine Füße tragen mich durch die Stadt, schnell und ohne Pause. Ich will einfach nur weg von diesen Menschen, von den Gefühlen. Ich habe ihre Blicke gesehen, ihre Worte gehört, die noch immer in meinem Kopf wiederhallen.

Ich kann das nicht.

Mir ist durchaus klar, dass ich nicht das schönste Mädchen der Welt bin und es viele Frauen gibt, die schön sind, aber ich kann nicht damit umgehen. Es ist nicht wichtig, wie viele hübsche Frauen es gibt und wie besonders ich bin. Wie sehr ich mich von denen unterscheide. Ich kann nicht damit umgehen, wenn mich jemand so ansieht. Mich auf mein Äußeres reduziert.

Mein Atem brennt in meinem Rachen, meiner Lunge. Zum Glück weine ich nicht, das würde mir alles noch viel schwerer machen. Ich weiß so schon nicht, wo ich hinlaufen soll. Ich will einfach nur weg, aber irgendwann sollte ich irgendwo ankommen.

Plötzlich kommt jemand aus einem Geschäft, an welchem ich gerade vorbeilaufe, weshalb ich ausweiche. Dabei falle ich fast, kann mich aber noch auffangen. Mein Handy dagegen fällt aus meiner hinteren Hosentasche, schlittert ein kleines Stück über den Gehweg.

Schwer atmend hebe ich es auf, sehe nach, ob es noch funktioniert. Zum Glück ist das Display heil und sobald ich den Pin eingegeben habe, taucht auch eine Nachricht auf. Da ich ohnehin ein bisschen zu Atem kommen muss, öffne ich sie.

„Randon: Hi. Kennst du zufällig Clara Archer? Sie geht auf unsere Schule. Wenn ja, würdest du mir ihre Nummer geben oder sie anrufen? Sie ist verschwunden."

Plötzlich ist mir noch viel wärmer, als ohnehin schon.

Woher weiß Randon davon?

Mein Puls, der sich eben noch verlangsam hat, geht schon wieder hoch.

Ich will nicht, dass Randon davon weiß. Ich will nicht, dass er mich gesehen hat und nur noch dieses Mädchen sieht, das ich nicht bin.

Tief atme ich durch, tippe mit zitternden Händen eine Nachricht.

„Clara: Habe sie angerufen. Sie ist bei Theo."

Sobald die Nachricht raus ist, stecke ich mein Handy weg und mache mich auf den Weg. Zu gern hätte ich Theo geschrieben, aber er ist einer der Menschen, die Felsenfest davon überzeugt sind, dass sie kein Handy brauchen. Und in der Praxis erreiche ich ihn wohl eher nicht, wenn er mit Randon gesprochen hat.

Joggend folge ich der Straße und hoffe, dass ich vor Theo bei seiner Praxis bin, damit meine Geschichte schlüssig ist. Bei dem Gedanken, dass Randon auch da sein könnte, zögre ich kurz, beschleunige aber auch gleich wieder.

Nach dieser Aktion von Theo wird er nicht noch so einen Fehler machen.

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Unruhig sitze ich im Flur, direkt vor der Praxis, warte auf Theo. Immer wieder beschleicht mich die Panik, dass Randon vielleicht doch bei ihm ist. Wenn er mich so sieht, ist alles vorbei. Dann sieht er nicht mehr mich, sondern nur meinen Körper. So wie alle anderen auch.

Unten öffnet sich eine Tür und ich zucke zusammen, doch dann höre ich Frauenstimmen. Erleichtert atme ich tief durch, dann vibriert mein Handy. Vorsichtig ziehe ich es aus meiner Jeans, öffne die Nachrichten.

„Randon: Danke."

Das hat er vor ein paar Minuten schon geschrieben, doch eben kam noch eine weitere.

„Randon: Ist alles in Ordnung?"

Kurz schließe ich die Augen, lasse meinen Kopf an die Tür hinter mir sinken. Wie es aussieht, habe ich nicht so geschrieben wie üblich und jetzt macht er sich Sorgen.

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