Kapitel 23

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Clara Archer

Zu Hause ist niemand und ich habe keine Ahnung, was ich noch eine ganze Stunde lang alleine machen soll. Mein Termin bei Theo ist erst in zwei Stunden und ich will nicht so früh schon mit dem Bus zu seiner Praxis fahren. Wenn ich mit dem letzten, möglichen Bus fahre, habe ich schon immer vierzig Minuten Zeit, die ich dort in der Gegend irgendwie herumbringen muss.

Mir fällt nichts Sinnvolles ein, deshalb nutze ich diese Stunde einfach, um den Haushalt zu machen und ein bisschen nachzudenken. Natürlich ist Haushalt sinnvoll, vor allem dann, wenn man bedenkt, dass am Mittwoch unsere Eltern wieder kommen, aber es ist unnötig. Unser Haus ist immer sauber, man muss nur nachhelfen, damit es Lupenrein wird und das war dann auch schon alles. Nach dem Frühstückmachen oder Kochen räume ich die Küche immer gleich auf und um die Wäsche kümmere ich mich auch regelmäßig. Demnach gibt es nicht viel zu tun, aber es beschäftigt mich und ich kann nachdenken.

Und worüber? Natürlich über Randon.

Seufzend räume ich die Decke und das Kissen von dem Sofa, auf welchem er geschlafen hat. Es ist an sich alles gut gelaufen. Wir haben geredet, ohne, dass ich gestottert habe, ständig rot angelaufen bin oder mir etwas peinliches passiert ist. Zumindest, bis mein liebster Bruder dann aufgetaucht ist. Die gesamte Zeit war er lustig drauf, hat uns mit seiner lockeren Art angesteckt und dann hat er alles mit nur einem Satz kaputt gemacht.

Zu seinem Glück hat er nichts darüber gesagt, wer Theo ist oder warum ich zu ihm gehen muss, aber das ist fast selbsterklärend. Er hat es schließlich einen Termin genannt und beim Hausarzt bin ich samstags wohl eher nicht. Das bedeutet, er wird Fragen stellen. Bei welchem Arzt ich war, aus welchen Gründen und das alles. Nichts davon sollte er wissen. Wenigstens nicht jetzt. Falls wir in einhundert oder auch eintausend Jahren zusammen kommen, würde ich es ihm schon sagen, aber vorher nicht.

Randon und ich, das wird sowieso nichts.

Mein Handy klingelt, hält mich davon ab in den Waschkeller zu gehen, um nach der Wäsche zu sehen. Mit einem Blick auf das Display vergeht mir gleich wieder die Lust daran dran zu gehen, aber ich mache es trotzdem.

>Hallo Theo<, grüße ich ihn so freundlich wie möglich, klinge aber sicherlich nicht so.

>Hallo Clara. Wie geht es dir?<, erkundigt er sich mit seiner ruhigen, sanften Stimme, obwohl er sich die Frage schenken kann. Sobald ich bei ihm bin, fragt er mich dasselbe noch einmal.

>Ganz gut, was gibt es denn?<

>Das ist schön. Meine Klientin für den Termin vor deinem hat gerade eben abgesagt. Ist es dir möglich früher in die Praxis zu kommen?< Mit einem Blick auf die Uhr an meinem Handy setze ich mich in Bewegung, gehe wieder ins Wohnzimmer und dann in den Flur.

>Ja, ich müsste den Bus noch schaffen. Dann bis gleich?< Mein Handy klemme ich mir zwischen das Ohr und die Schulter, binde meine Schuhe.

>Bis gleich. Komm dann einfach in das Wartezimmer, Helena ist schon nach Hause gegangen.< Langsam richte ich mich wieder auf, nehme mein Handy in die Hand.

>Okay, klar. Bis gleich.<

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Wie er gesagt hat, betrete ich die Praxis ohne zu klingeln und tatsächlich öffnet sich die Tür. Direkt dahinter liegt der verlassene Empfangsbereich, in welchem für gewöhnlich Helena sitzt und mich begrüßt. Sie ist eine wirklich angenehme Frau, erst Ende Zwanzig und bietet mir jedes Mal einen Kaffee an, obwohl sie genau weiß, dass ich keinen mag.

Da ich nicht weiß, ob noch jemand bei Theo ist oder nicht, will ich in den Wartebereich gehen, höre aber schon zwei Schritte später seine Stimme aus seinem Besprechungszimmer.

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