Kapitel 8

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Randon Banks

Müde drehe ich mich auf den Bauch, sehe mich nach Lesley um. Aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen hat sie Musik an gemacht und tanzt vor ihrem Spiegel. Sie ist keine üble Tänzerin, ich verstehe nur nicht, warum sie das jetzt machen muss. Zumindest nennt sie diese schrillen Klänge so. Offensichtlich ist sie schon fertig zum Gehen.

>Morgen.< Sie dreht sich mit einem breiten Lächeln zu mir um, kommt direkt zu mir ans Bett, während ich mir den Schlaf aus den Augen reibe.

>Guten Morgen mein Schatz.< Ihre künstliche Stimme verrät mir, dass etwas nicht stimmt, aber ich traue mich nicht zu fragen. Sie behält ihr Lächeln, gibt mir einen Kuss. >Wir müssen gleich los<, erklärt sie, nimmt meine Hand und zieht mich aus dem Bett. Zumindest versucht sie es, viel Kraft hat sie nicht.

>Warum hast du es denn so eilig?< Sie zieht weiter an meiner Hand, sieht mich auffordernd an. Seufzend gebe ich nach, lasse mich aus dem Bett ziehen, bis ich direkt vor ihr stehe. Sie ist nur etwas kleiner als ich, somit muss ich nicht zu ihr herunter sehen, weil sie schon ihre üblichen, hohen Schuhe trägt.

>Ich habe einfach gute Laune<, meint sie schulterzuckend, aber ich traue dem ganzen nicht. In den letzten Wochen habe ich einige Versionen von ihr kennen gelernt.

Aber eine ausgelassene, fröhliche Lesley am Morgen? Da ist was faul.

Außerdem passt da etwas mit ihrer Stimme nicht. Sie tut fröhlich, aber sie ist eindeutig angefressen. Wenn sie mir gegenüber so ist, habe ich auch etwas verbrochen. Nur bin ich absolut ratlos, was das sein soll.

>Hier<, meint sie, reicht mir meine Jeans, dann hebt die Daisy auf ihren Arm. >Wir warten unten.< Folgsam ziehe ich mich an, zerbreche mir weiter darüber den Kopf, was los sein könnte.

Nach meinem Wissen habe ich nichts Falsches gesagt, wir haben den Abend verbracht, wie sie es wollte und im Schlaf werde ich wohl kaum etwas gemacht haben, das sie mir übel nimmt. Und selbst wenn, dann würde sie sich beschweren.

Frauen.

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Auch im Auto ist sie die ganze Zeit so merkwürdig. Sie lächelt zu viel, redet ununterbrochen und will heute nach der Schule unbedingt etwas unternehmen. Normalerweise will sie nie etwas Großes machen, heute scheint das alles anders zu sein. Ich habe auch schon zurück gerechnet, ob ich vielleicht unseren Monatstag verpasst habe, von dem sie Mal gesagt hat, dass er ihr heilig ist, aber so weit ist es noch lange nicht. Geburtstag hat sie auch nicht.

Ich komme einfach nicht darauf.

>Da sind wir<, reißt sie mich aus meinen Gedanken, steigt aus. Schnell folge ich ihr, werfe meinen Rucksack über meine Schultern, beobachte sie.

Ihre braunen Locken spielen in einer morgendlichen Briese, ihr Oberteil sitz eng, ihr Rock ist mir eigentlich etwas zu kurz. Bei ihren Klamotten lässt sie sich nicht reinreden, das habe ich schon oft versucht. Alles ist wie immer, bis auf dieses ständige, mittlerweile gruselige Lächeln und ihre künstliche Stimme. >Natascha wartet auf mich. Bis später, Süßer<, verabschiedet sie sich, schlingt die Arme um meinen Hals und küsst mich.

Seit wann macht sie das?

Wie immer erwidere ich den Kuss, doch anders, als ich es gewohnt bin, hört sie nicht auf. Sie küsst mich weiter, drückt sich an mich, schiebet eine Hand in mein Haar und stöhnt sogar leise. Das alles wäre wirklich toll, wenn wir nicht mitten auf dem Parkplatz stehen würden. Mit einem unangenehmen Gefühl im Bauch lege ich meine Hände an ihre Taille, schiebe sie sanft von mir, sehe sie fragend an. Doch anstelle einer Antwort bekomme ich nur ein Zwinkern und ein anzügliches Lächeln, dann dreht sie sich um und geht.

UnscheinbarWo Geschichten leben. Entdecke jetzt