Kapitel 19

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Clara Archer

Das ist überhaupt kein schönes Gefühl. Ihn so zu sehen, hätte ich unglaublich gerne vermieden. Aber als ich da allein in dem Auto gesessen und vor mich hingestarrt habe, ist es mir wieder eingefallen. Es scheint, als hätte ich die Erinnerung daran verdrängt, weil ich wusste, dass es Randon wehtun würde. Ein bisschen auch deshalb, weil ich von Lesley und Phil mehr Haut gesehen habe, als mir lieb war. Oder ich hatte es einfach nicht mehr auf dem Schirm.

So oder so weiß Randon jetzt, dass seine Exfreundin ihn mit einem seiner besten Freunde betrogen hat. Dieses Wissen macht ihn absolut nicht glücklich. Laut seinem Gesicht versucht er sich zwischen Wut und Trauer zu entscheiden.

>Es tut mir leid.< Ich habe überhaupt keine Ahnung, was ich sonst sagen soll, oder wie ich ihn auf andere Gedanken bringen könnte.

>Du hast doch nichts gemacht<, sagt er sanft, biegt in die Taubengasse ein. >Danke, dass du es mir gesagt hast.< Es hat mich überrascht, dass er mir geglaubt hat. Es scheint, als wäre ich eine sehr glaubwürdige Person. >Welche Nummer?< Kurz weiß ich nicht, was er meint, dann deute ich auf unser schneeweiß gestrichenes Haus.

>Die dreiundzwanzig.< Er wird langsamer, parkt auf einer der gekennzeichneten Flächen. >Danke fürs Mitnehmen.< Meine Hand liegt schon auf dem Hebel, um die Tür zu öffnen, meine andere hat den Träger von meinem Rucksack fest umklammert, doch ich halte inne. Randon hat sich halb zu mir umgedreht, die Hand nach mir ausgestreckt, doch innegehalten, bevor er mich berührt hat. Mein Herz schlägt Purzelbäume, mein Atem geht zu schnell.

Hoffentlich merkt er das nicht.

Fragend sehe ich zu ihm, in seine schönen Augen, welche direkt in meine sehen. Als er mich vorhin berührt hat, ist alles in mir durcheinandergeraten, deshalb bin ich zurück gezuckt. Die Ausrede mit der Berührungsangst ist nicht völlig gelogen, schließlich habe ich Angst davor, was seine Berührungen bei mir anrichten.

>Kann ich-< Er interbricht sich, lässt seine Hand auf den Schaltknüppel sinken.

>Willst du noch mit rein kommen?<

Warte was? Habe ich das laut gesagt?

Mein loses Mundwerk lässt mir nicht nur die Röte ins Gesicht steigen, sondern auch ein kleines Lächeln in seinem Gesicht erscheinen.

>Nur, wenn das für dich in Ordnung ist. Ich will grade nicht allein sein und zu Hause ist noch niemand.<

Das ist ein Problem. Ein ziemlich großes sogar. Was will er machen? Wie bekommen wir die Zeit rum? Wird er in mein Zimmer gehen? Wird mein Bruder auftauchen und uns zusammen sehen? Was wird er denken?

Bevor meine Gedanken sich ewig drehen und mein Herz kollabiert, nicke ich knapp, zwinge mir ein Lächeln auf die Lippen und steige aus. Irgendwie schaffe ich es die Tür zu schließen, die wenigen Meter zur Haustür zu überwinden und aufzuschließen. Der Versuch auszublenden, dass Randon da ist misslingt mir. Was zu erwarten war.

>Danke<, murmelt er, doch ich nicke nur, anstatt an einer sinnvollen Antwort zu scheitern. Wir ziehen die Schuhe aus, meine Tasche stelle ich im Flur ab, dann führe ich ihn ins Wohnzimmer. Hier haben wir Platz, Möglichkeiten weit voneinander entfernt zu sitzen und ja. Was auch immer noch nötig ist, solange wir nicht in mein Zimmer gehen. Das würde ich einfach nicht überstehen.

Randon Banks kann nicht in mein Zimmer gehen. Das überlebt mein Herz nicht.

>Sind wir allein?<

Ja, wir sind allein. Danke, dass du mich daran erinnerst und meinen Puls noch ein bisschen höher treibst.

>Meine Eltern sind bis Mittwoch weg, mein Bruder kommt morgen wieder<, erkläre ich knapp, deute auf den Fernseher. >Willst du einen Film sehen? Eine Serie?<, schaffe ich es zu sagen, sehe zu ihm. Er hebt die Schultern, setzt sich auf das Sofa.

UnscheinbarWo Geschichten leben. Entdecke jetzt