Kapitel 7

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Clara Archer

Zu meinem Leidwesen sitze ich schon in der Klasse und bin auch nicht allein. Vor etwa einer halben Stunde hat mir Randon einen guten Morgen gewünscht. Das ist eine der am häufigsten gesendeten Nachrichten, glaube ich, trotzdem war ich nicht im Stande darauf zu antworten. Leider habe ich die Lesebestätigung aktiviert, demnach weiß er, dass ich es gesehen aber nicht geantwortet habe.

Was hätte ich denn auch antworten sollen? Guten Morgen? Dieselben Worte wie er? Das ist so einfallslos.

Aber grade eben, vor wenigen Sekunden, hat er mir wieder geschrieben. Es geht um meinen Aufstrich und ich fühle mich geehrt, dass er danach fragt. Nach seinen Worten zu urteilen mag er den Kräuteraufstrich und das zu lesen, in seinen Worten, macht mich einfach nur glücklich. Meine Klassenkameraden beachten mich nicht, wie immer, deshalb fällt niemandem auf, dass ich mein Handy anstarre und fieberhaft überlege, wie ich antworten soll.

Mit Worten du Genie!

Mit einem knappen Kopfschütteln versuche ich meine Nervosität zu vertreiben und fange einfach an zu tippen. Schließlich kann ich es wieder löschen, bevor ich es weg schicke.

„Clara: Es freut mich, dass ich deinen Geschmack getroffen habe. Das Rezept habe ich von meiner Mutter und er ist tatsächlich selbst gemacht."

Bevor ich mir darüber den Kopf zerbrechen kann, schicke ich die Nachricht weg. Sie klingt in Ordnung, hat alle nötigen Infos und besser wird es durch Korrekturen ohnehin nicht. Obwohl das Ganze nur eine Notlösung war, scheint die Welt heute auf meiner Seite zu sein und es freut mich, dass ich ihm auch damit eine Freude gemacht habe.

Mein Puls beschleunigt sich, als eine neue Nachricht von ihm auftaucht. Im selben Moment betritt unser Lehrer die Klasse, aber ich muss das einfach lesen. Sonst kann ich mich im Unterricht nicht konzentrieren.

„Randon: Du trifft aus irgendeinem Grund immer meinen Geschmack", hat er geantwortet, dann ein breit grinsendes Emoji. „Wie kann ich mich dafür Revangieren?"

Das Räuspern von meinem Lehrer lässt mich den Kopf nach oben reißen. Mit hoch gezogener Braue sieht er mich abwartend an. Mein Herz schlägt so wild in meiner Brust, dass ich nichts sagen kann. Stattdessen stecke ich einfach nur brav mein Handy weg und lächele kurz entschuldigend. Da ich nie auffalle und auch im Unterricht nie am Handy bin lässt er mir das Kommentarlos durch gehen, aber er ist auch nicht der Grund für meinen beschleunigten Puls. Vor Ermahnungen habe ich keine Angst.

Er will sich revangieren. Er will etwas für mich tun.

Diese beiden Gedanken kreisen in meinem Kopf, machen es mir unmöglich, mich zu konzentrieren. Der Stoff ist leicht und ich kann auch schon alles, trotzdem sollte ich zuhören.

Wie alt bin ich? Fünf?

Genervt von mir selbst versuche ich mich auf die Sätze meines Lehrers zu konzentrieren, aber es geht nicht. Immer wieder habe ich Randons selbst geschrieben Worte vor mir. Wenn er mir so etwas schreibt, ist er mir sicher unheimlich dankbar.

Aber was könnte er mir dafür geben?

Grübelnd starre ich an die Tafel, auf der irgendetwas geschrieben steht, doch ich kann es nicht lesen. Meine Gedanken sind bei meinen Wünschen, aber ich werde nichts von ihm verlangen. Schließlich will ich nicht, dass er denkt, ich würde das nur machen, damit er etwas für mich macht.

Warum sollte er das denken? Ich bin ein hoffnungsloser Fall.

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In der ersten großen Pause müssen wir den Klassenraum verlassen, darum gehe ich nach draußen und setzte mich wie immer auf eine etwas abseits gelegene Bank. Hier habe ich immer meine Ruhe, weil einfach nie jemand so weit laufen will, nicht einmal die Raucher.

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