Kapitel 18

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Randon Banks

Clara ist erfrischend anders. Sie starrt mich nicht schmachtend an, redet durchgängig auf mich ein oder versucht mir gute Gründe aufzuzählen, warum sie meine nächste Freundin sein sollte. Sie scheint ein bisschen eingeschüchtert zu sein, ruhig und nicht sonderlich gesprächig, aber ich mag das. Irgendwo ist es schade, dass sie von sich aus nichts sagt und man alles aus ihr heraus kitzeln muss, aber im Moment ist das genau richtig.

>Hast du Angst vor irgendetwas?< Ihr Kopf fährt zu mir herum, doch sie sagt nichts. Wir sind vor ein paar Minuten losgefahren, doch sie sitzt noch immer steif und angespannt auf dem Beifahrersitz, umklammert die Träger von ihrem Rucksack, der zwischen ihren Füßen im Fußraum steht. Sie starrt mein Profil an, weil ich auf die Straße achten muss, dann dreht sie den Kopf wieder nach vorn.

>Ich komme nur nicht gut mit Menschen klar<, meint sie leise. Nun sehe ich doch kurz zu ihr. Ihre leicht gewellten, blonden Haare sind nicht frisiert, fallen einfach irgendwie auf ihre Schultern. Sie hat feine Gesichtszüge, versteckt sich aber immer hinter ihrem Haar und ihrer Brille. Auch ihr T-Shirt ist eher ein Kleid.

Nervös richtet sie ihre Brille, räuspert sich. Offenbar fühlt sie sich nicht wohl, wenn sie beobachtet wird und ich muss auch wieder auf die Straße sehen.

>Hast du am Wochenende wirklich keine Zeit? Es ist kein Problem, wenn du nur nicht mit mir allein sein willst, weil dir das unangenehm ist<, versuche ich sie zu beruhigen. Für mich sieht es nämlich so aus, als wäre sie einfach nur schüchtern und sehr zurückhaltend. >Wir können auch ins Kino gehen oder so, niemand zwingt dich mit mir zu reden oder allein zu sein, wenn das alles ist, was dich davon abhält, mit mir etwas zu unternehmen.< Wie erwartet sieht sie mich nicht an, sondern starrt aus dem Fenster. Allerdings hat sie nicht gleich darauf beharrt, dass sie keine Zeit hat, was wohl heißt, dass es ihr wirklich einfach nur unangenehm ist. >Wenn das auch nicht geht, kann ich dir Tickets für einen Film ausgeben und du gehst mit einer Freundin hin. Wie du willst. Ich würde mich nur wirklich gerne revangieren, schließlich hast du nichts davon, mir zu helfen und wenn ich wieder Nachhilfe brauche würde ich auch gerne auf dich zurück kommen.< Ich denke zwar nicht, dass das passieren wird, aber sie kann tatsächlich gut erklären und sie zählt für mich einfach zu angenehmer Gesellschaft.

Erfrischend anders eben.

>Ich denke drüber nach<, sagt sie so leise, dass ich sie kaum verstehe. Sie klingt traurig und ich will ihr Trost spenden, aber ich weiß nicht wie. Aus einem Impuls heraus lege ich eine Hand an ihren Arm, doch sie zuckt sofort zurück, starrt mich an.

>Entschuldige.< Meine Hand lege ich wieder an das Lenkrad, sehe kurz zu ihr. Sie starrt mich noch immer an, hat die Arme vor der Brust verschränkt, ist völlig verspannt. >Hast du irgendwie Angst vor mir?< Wir sind bei Lesley angekommen, darum halte ich am Straßenrand, stelle den Motor ab. Als ich wieder zu ihr sehe ist sie blass, hat aber gerötete Wangen.

Ich habe noch nie jemanden so gesehen.

>Berührungsangst<, sagt sie leise, schlingt die Arme fester um ihren Körper. Etwas verwirrt mustere ich ihr Gesicht, doch sie sieht weg. In der Bibliothek war sie zwar nicht locker, aber auch nicht so angespannt.

>Dann lasse ich meine Hände bei mir, okay?< Sie nickt knapp, lässt sich tief in den Sitz zurücksinken. >Es tut mir leid, wenn ich dir zu nahegekommen bin. Ich gehe kurz rein meine Sachen holen, dann bringe ich dich nach Hause.< Wieder nickt sie knapp. Zu gern würde ich noch etwas sagen, damit sie sich entspannt, aber ich weiß einfach nicht was. Wahrscheinlich ist es am wirkungsvollsten, wenn ich einfach zu Lesley gehe und sie ein paar Minuten allein lasse.

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