35. One Way Street

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♪ So Far Away – Martin Garrix & David Guetta


H E A T H E R


Regungslos stand ich vor seinem Grab, versuchte die Tränen wegzublinzeln, die sich ständig in meinen Augen bildeten. Ein sanfter Windhauch blies aus östlicher Richtung und sendete diverse Gerüche in die Luft. Blumen, Bäume, Gras, feuchte Erde, doch für mich roch alles nach Verzweiflung.

Die Vergangenheit hatte mich auf brutale Art und Weise eingeholt, so heftig, dass ich plötzlich mein komplettes Leben hinterfragte.

Bisher hatte ich keine Ahnung über den ausschlaggebenden Punkt des Selbstmordes meines Vaters gehabt. Meine Mutter hatte es mir verschwiegen und ich kannte nur die Version der Depressionen. Weshalb diese letztendlich zu seiner Handlung führten, war mir bis zum Montag nicht geläufig.

Umso härter erwischte mich die Wahrheit.

Eine Wahrheit, mit der ich überhaupt nicht umzugehen vermochte, war sie doch viel zu lange von mir ferngehalten worden.

Ich konnte meiner Mutter nicht einmal einen Vorwurf machen, denn es war damals schon schwer genug für uns alle und änderte außerdem nichts an der Tatsache, dass mein Vater sich das Leben genommen hatte.

„Weißt du, Daddy", schluchzte ich leise, „ich wollte immer alles richtig machen. Ich habe studiert und wollte immer einen anständig bezahlten Job, damit ich die Familie unterstützen kann. Aber nun-." Kurz brach ich ab, um die Tränen wegzuwischen. „Aber nun weiß ich nicht mehr, ob ich diesen Job überhaupt noch weiterhin durchziehen kann."

Mein kompletter Körper zitterte, meine Hände, die ich in den Jackentaschen vergraben hielt, ebenfalls und meine Unterlippe bebte leicht, als ich die finalen Worte aussprach: „Was soll ich nur tun?"

Unaufhaltsam flossen Tränen über meine Wangen, ich bekam Schluckauf und mir wurde plötzlich flau im Magen. Mein Innerstes drohte zu zerbrechen und während ich versuchte, mich auf den Beinen zu halten, bemerkte ich das Vibrieren meines Handys, das ich in die Hosentasche gesteckt hatte.

Mit noch immer zitternden Fingern, die sich mittlerweile eiskalt anfühlten, obwohl es Sommer war, holte ich es vorsichtig hervor und blickte auf das Display.

Keine Sekunde später hatte ich meine beste Freundin am Ohr: „Hallo Maisie."

„Hey, Heather. Was ist denn los? Ich habe deine Nachricht gelesen, dass du zuhause bis und mit mir reden möchtest. Ich hoffe, es ist nichts Schlimmes passiert."

Maisie klang durchaus besorgt und ich schluckte kurz, bevor ich antwortete: „Können wir uns heute Abend bei dir zuhause treffen?"

„Sicher, das ist kein Problem. Aber willst du mir nicht erstmal sagen, was los ist?"

„Ich kann gerade nicht, ich bin bei meinem Vater auf dem Friedhof", wisperte ich unter Tränen.

„Okay, ich verstehe." Maisie atmete tief durch. „Ich habe um sechs Feierabend, am besten du bist um halb sieben bei mir. Dann können wir Pizza bestellen oder was immer du magst und vor allem reden."

„Danke, Maisie."

Ich fühlte mich minimal erleichtert, denn Maisies Stimme zu hören, tat in diesem Moment so unglaublich gut. Meiner besten Freundin konnte ich mich ohne Bedenken anvertrauen. Sicher würde sie aus allen Wolken fallen, wenn sie hörte, was geschehen war und ich bezweifelte, dass sie ein Patenrezept haben würde, um mein Problem zu beheben. Aber mich erleichterte das Reden und nur das zählte.

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