18. Point of Contact

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♪ Strangers - Sigrid


N I A L L


Langsam und gemächlich erhob ich mich am Samstag aus dem Bett. Halb zwölf war zwar eine gute Zeit zum Aufstehen, trotzdem hatte ich mir extra den Wecker gestellt, um nicht zu verschlafen. Dafür freute ich mich zu sehr auf den Shopping Tag mit Heather. Zum Glück ahnte sie nicht, dass ich beabsichtigte, etwas für sie zu kaufen und würde demnach komplett überrascht sein.

Während ich meine Zähne putzte, ging mir der vergangene Abend durch den Kopf. Joyce hatte mich kurzfristig zu sich bestellt und wie gewöhnlich landeten wir auf ihrer Couch. Das dritte Mal in Folge Sex mit meiner Steuerberaterin, langsam wurde das zur Gewohnheit.

Es machte mir nichts aus, eine zehn Jahre ältere rassige Frau zu vögeln, zumal Joyce keinerlei Hemmungen besaß, wenn es darum ging, mir ihre Präferenzen mitzuteilen. Der Sex mit ihr war stets heftig, schmutzig und gleichzeitig erleichternd. Es fühlte sich gut an, die aufgestauten Emotionen herauszulassen. Gefühle, die noch immer in mir nagten und mich manchmal aufzufressen drohten.

Mein Vater war tot und nichts würde das ändern.

Für einen Moment überrollte mich die Traurigkeit und ich schloss kurz meine Augen. Wie anders wäre mein Leben verlaufen, wenn er noch unter den Lebenden verweilen würde. Nun trug ich die gesamte Verantwortung für das Handeln bezüglich des Deals, der zu einem Vermächtnis geworden war. Aber nicht mehr lange und ich würde die Sache mit Heathers Hilfe klarmachen. Danach konnte ich tun und lassen, was mir beliebte. Allerdings brachte mir das meinen Vater nicht mehr zurück.

Mit einem Kloß im Hals sprang ich unter die Dusche und kurz lenkten sich meine Gedanken in eine Richtung, die ich am liebsten vergessen wollte: meine Mutter.

Wie hatte sie uns beide nur verlassen können? Wie hatte sie mich verlassen können? Ich war kaum fünf Jahre alt gewesen, hätte sie also zu diesem Zeitpunkt wirklich gebraucht. Stattdessen kümmerten sich Kindermädchen um mich, später die Ganztagsschule. Aber wann immer es die Zeit meines Vaters zuließ, war er für mich dagewesen. Ich durfte mit in sein Büro kommen und am Wochenende besuchten wir Orte wie den Zoo, oder was immer mir Spaß machte.

Als er mich zum ersten Mal in seiner Cessna mitnahm, kotzte ich hoch oben in der Luft und entwickelte seitdem einen gesunden Selbsterhaltungstrieb, wenn es um das Fliegen ging. Nur in Ausnahmefällen, wenn es gar nicht anders geht – so lautete diesbezüglich meine Devise.

Das Rasieren schenkte ich mir an diesem Tag, denn im Moment gefiel mir mein Drei-Tage-Bart richtig gut. Auch Joyce hatte sich dahingehend positiv geäußert, was meine Ansicht, nicht mehr wie ein Milchgesicht durch die Gegend zu laufen, verstärkte.

Pünktlich um ein Uhr stand ich bei Heather vor der Tür, betätigte die Klingel und wartete, bis die Haustür sich öffnete. Sie wohnte im ersten Stock und ich spurtete die Treppen nach oben, um im ersten Moment vor Schreck fast umzufallen.

Heather sah total verkatert aus.

„Was ist denn mit dir passiert?", rutschte es mir raus und sogleich bekam ich den gleichen Satz zu hören, den ich losgelassen hatte, als Heather bei unserem letzten Treffen das „Guten Morgen", vergaß.

„Wie wäre es erstmal mit einem freundlichen 'Guten Tag'?" Ihre Stimme klang merkwürdig rau und sie kniff die Augen kurz zusammen.

„Ist alles in Ordnung, oder bist du krank?", erkundigte ich mich und während ich an ihr vorbeischlich, wisperte ich ihr ein „Guten Tag", ins Ohr.

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