p r o l o g u e

2K 92 64
                                    

,,Because you deserve someone who loves you as much as I do"

• ────── ✾ ────── •

Lange weinte sie bereits. Viel zu lange juckten ihr die Wangen von den Tränen, die einfach nicht aufhören wollten, zu fließen.

Viel zu lange saß sie in diesem ruhigen Zimmer. Die Stille wurde regelmäßig durch das Piepsen der Monitore unterbrochen, welche ihr gleichzeitig auch eine gewisse Sicherheit schenkten.

,,Sie braucht.. ihr.. Nachtlicht."

Sie schluchzte nochmals auf, legte dann ihre Hand über ihren Mund. Sie übertönte mit ihrem Schluchzen sonst noch die dünne Stimme der Frau, die im Sterben lag.

Es tat weh zu wissen, dass sie nun von ihr gehen würde. Es tat weh zu wissen, eine so wichtige Person zu verlieren. Und noch schlimmer war, dass sie etwas in dieser Welt lassen würde, was ohne sie nicht überleben könnte.

,,..und P-professor.. S-stein..", hauchte die Andere, der mehr Kanüle unter der Haut steckten, als sie Venen hatte. Würde man außer Acht lassen, wie unmenschlich dünn sie geworden, wie tief ihr Gesicht eingefallen und wie leer ihre Stimme geworden war, dann erkannte man in ihr noch immer die Umrisse der Frohnatur, die sie damals gewesen ist.

Und sie, die viel zu lange schon hier saß, viel zu lange sich selbst und ihre beste Freundin bemitleidete und sich viel zu lange auf das Ende vorbereitet hatte, auf welches sie dann doch nicht vorbereitet war - sie konnte sich das einfach nicht mehr ansehen. Sie stand auf und griff viel zu fest nach der schlanken, kalten Hand, die reglos auf der weißen Decke ruhte.

,,I-ich weiß, ich weiß. Wir haben das Ganze nun schon so oft durchgesprochen.. ich habe Alles. Und Naeun auch."

Sobald der Name fiel, schien die Kranke einen kleinen Energieschub zu erhalten. Ihre Augen öffneten sich etwas weiter und sie atmete tiefer ein: ,,S-sag ihr.. ich liebe sie.. so sehr.."

,,Das sagst du ihr schön selbst, okay?", sie versuchte zu lächeln, strich ihrer Freundin sanft über das bunte Kopftuch, welches einen kahlen Kopf unter sich versteckte. Sie hatte immer die schöneren, volleren Haare von ihnen gehabt. Sie war immer neidisch auf sie gewesen. Und jetzt?

,,I-ist gut.. a-aber.. sie.. sie dürfen sie nich-t m-mitnehmen..", krächzte die blasse Frau in dem Krankenbett. Man sah regelrecht, wie sie ihre ganze, restliche Kraft in diese Worte legte. Wie sie sich darum bemühte, den Sinn und den Wert, den diese Worte für sie hatten zu übermitteln, auch wenn es das Letzte war, was sie je tun würde.

,,N-naeun..", flüsterte sie, kaum hörbar, aber noch deutlich genug. Ihr Freundin drückte sofort ihre Hand und nickte direkt, deutete zittrig auf die Tür des ruhigen Raumes.

,,I-ich hol sie schnell! Ja, ich hole sie! Ich bin sofort wieder da!", wimmerte sie und beugte sich vor, um ihre Lippen auf die blasse, kühle Stirn ihrer Freundin zu legen, die nur die Augen schloss und mit der Andeutung eines Lächelns auf ihren Lippen vorsichtig den Kopf bewegte.

,,Stirb mir ja nicht weg, okay? Wir schaffen das, gemeinsam", schluchzte sie, ihre Zuversicht klang eher wie eine Frage, als eine Aussage, dann stürmte sie bereits aus dem Zimmer, um die Fünfjährige, die brav in der Kinderbetreuung des Krankenhauses abwartete, zu holen, die ja keine Ahnung davon hatte, wie schlecht es um ihre Mutter stand.

,,Yerin!", rief sie dann glücklich und winkte ihr, sobald sie ihre Lieblingstante erspähte, die sich kurz vorher noch das Gesicht trocken gerieben hatte.

,,Naeun, Mäuschen, komm schnell, wir gehen deine Mama besuchen. Wo sind deine Sachen?", ratterte sie herunter und versuchte das Zittern ihrer Hände zu unterdrücken, als sie der Tochter ihrer bester Freundin dabei half, den hellblauen Rucksack zu packen. Sobald sie fertig waren, nahm sie die Kleine kurzerhand auf den Arm und fing dann an zu laufen. Naeun sagte nichts, hielt sich einfach fest und lächelte zufrieden, bei dem Gedanken an ihre Mama.

Als sie auf der Etage ankamen, auf der die junge Frau liegen sollte, blieb Yerin ruckartig stehen und drückte den Kopf Naeuns in ihre Halsbeuge, um ihr die Sicht zu nehmen. Ihre Knie gaben beinahe nach, als sie die Ärzte sah, die mit dem Notfallwagen aus dem Zimmer kamen, die Ausdrücke in ihren Gesichtern gaben jenes wieder, was sich auch drinnen abspielte. Eine Krankenschwester zog die Decke über den zerbrechlichen Körper der Frau, die vor wenigen Minuten noch nach ihrer Tochter verlangt hat.

,,Y-yerin?"

Sie blinzelte hektisch, versuchte die Tränen weg zu blinzeln, die sich erneut in ihren Augen sammelten.

,,Yerin, wir wollten doch zu Mama..?", fragte die Fünfjährige, klammerte sich fester an die Schultern ihrer Tante, die dann direkt rückwärts ging, sich umdrehte und wieder los rannte. Aus dem Krankenhaus raus, dann zu ihrem Auto.

,,Tante Yerin, wo ist Mama?", wimmerte Naeun kleinlaut, als sie in den Kindersitz in dem Auto ihrer Tante geschnallt wurde, bereits realisierte, dass etwas nicht nach Plan lief.

,,Shhh.. Alles gut. Versuch zu schlafen. Wir fahren jetzt nämlich dorthin, wo deine Mama dich und mich hingeschickt hat, in Ordnung?"

,,Und wohin..?"

,,Zu deinem Papa, Naeun."

Das Kind nickte langsam und Yerin lächelte, strich ihr über den Kopf und schloss dann die Autotür. Sie legte ihre Hand auf den Griff der Fahrertür, hielt dann inne.

Für einen Augenblick wollte sie einfach schreien, einfach losheulen und sich dem Schmerz und der Verzweiflung hingeben, die ihre beste Freundin, die vielmehr wie eine Schwester gewesen war, in ihr hinterlassen hat.

Doch dann riss sie sich zusammen, holte tief Luft und straffte die Schultern.

,,Ich hoffe, dass es so wird, wie du es wolltest, Eden."

Yerin öffnete die Tür und setzte sich auf den Fahrerplatz. Sie startete den Wagen und fuhr auf schnellstem Wege von dem Parkplatz, kehrte dann dem Ort den Rücken, an dem sie viel zu lange gelitten hat. Der Ort, der viel zu lange ihren Alltag und ihre Routine dominiert, der ihr einen der wichtigsten Menschen ihres Leben genommen hatte.

Durch den Rückspiegel warf sie zwischendurch ein Auge auf das schlafende Mädchen auf der Rückbank, drängte die Tränen zurück, als ihr auffiel, wie ähnlich sie ihrer Mutter doch sah. Sie versuchte sich ausschließlich auf den Verkehr zu konzentrieren.

,,Wir werden bald bei deinem Papa sein."

• ────── ✾ ────── •

Ein recht trauriger Einstieg in die Geschichte :(

PAPA || pjm.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt