f o u r t y - f o u r

650 40 6
                                    

,,You are so precious to me"

• ────── ✾ ────── •

Wenn man glücklich ist, vergeht die Zeit so viel schneller. Wenn man traurig ist, scheinen sich Minuten in Jahre zu verwandeln. Es war ein Phänomen, von dem jeder Einzelne berichten könnte. Das bemerkte Jimin besonders jetzt, wo er so ein unglaubliches Kribbeln in seinem Herzen verspüren durfte. Dass die Zeit etwas war, was niemand wirklich hatte, war eine zermürbende Tatsache. Als wäre sie ein Preis, den man zu zahlen hatte, je erfüllter das eigene Leben war. Demnach sollte man es auch mit allen Kräften genießen.

Langsam sah er herunter, zu seiner Tochter, die ihren Kopf in seinem Schoß gebettet hatte und ruhig und entspannt atmete. Sie schlief.

Es war endlich wieder so etwas wie Normalität in ihren Alltag eingekehrt. Sie planen bereits ihre nächsten Konzerte, arbeiten an ihrem neuen Album und verstehen sich besser denn je. Jimin fühlte sich zum ersten Mal richtig willkommen, richtig akzeptiert - von sich selbst. Dass seine Freunde ihn schon immer geliebt und unterstützt haben, war ihm irgendwie immer bereits klar gewesen. Aber ein Mensch der in sich selbst nicht einmal einen Funken Stärke sieht, sich selbst nicht mehr zutraut an die Hoffnung zu glauben und auf eine Wendung zu vertrauen.. diese Menschen schaffen es auch nicht immer, wieder zurück zu finden. In das Leben.

Mithilfe der Therapie und intensiven Liebe, die Jimin von seiner Band, seinem Umfeld, insbesondere seiner Tochter erhielt, war er nun dabei, sich selbst seine Fehler, seine Ecken einzugestehen. Er konnte sich nicht mehr, würde sich nicht mehr verstecken, vor seinem eigenen Ich. Er würde sich nicht von seinen Ängsten leiten lassen, er würde über diese siegen.

In der Zwischenzeit sind wieder einige Tage vergangen, Owen ist mittlerweile in Amerika und alle Dinge, die Naeun und das Sorgerecht für sie angehen, liegen genauso wie vor der Ankunft des Amerikaners. Und in einer Woche würde dann das Urteil gefällt werden, ob Naeun auch weiterhin in Jimins Obhut bleiben dürfte.

Sohye hatte mit ihm und den Anderen zwar schon mehrmals sehr ausführlich darüber gesprochen, was sie erwarten würde, was dort besprochen wird und wonach die Richterin vermutlich fragen wird, aber schlussendlich kam es nur auf Jimin an. Genau das verunsicherte ihn. War er bereit dazu, dass man wirklich ausschließlich von ihm ausgehend über etwas urteilen konnte? War er mental wirklich schon stark genug, um geprüft zu werden?

Ganz sanft, fuhr er mit seinen Fingerspitzen über die Wange seiner Tochter. Unglaublich zart streifte er ihre Haut, fuhr zu ihrem Ohr und zeichnete liebevoll ihre kleine Ohrmuschel nach. Wie sehr er sie liebte, wie sehr er sie ins Herz geschlossen hatte. Als würde er sie bereits seit ihrer Geburt kennen und nicht erst seit drei Monaten.

,,Was mache ich nur ohne dich, Prinzessin?", fragte Jimin ganz leise in die Stille des Raumes, ohne eine Antwort zu erhalten, da Naeun ja tief und fest am schlafen war.

,,Ich kann dich nicht verlieren, du bist wie mein Herz, ohne dich funktioniere ich nicht."

Seine Fingerspitzen fuhren noch immer so unfassbar vorsichtig und zärtlich über ihr Ohr.

,,Ich kann dich nicht gehen lassen", flüsterte er zu sich selbst und hielt dann inne. Musste er sie wirklich gehen lassen? Musste er es so weit kommen lassen..?

Ganz langsam schob er den Kopf seiner Tochter von einem Schoß und stand auf, um sich seine große Reisetasche heraus zu holen und diese mit Klamotten zu füllen. Er suchte seinen Pass, sein Portemonnaie, die Unterlagen für Naeun ebenso. Von seiner genialen Schnapsidee geleitet, war er sich bewusst, dass sein Vorhaben die Band, das Management und bestimmt noch viel mehr ins Chaos stürzen würde.

Er zog den Reißverschluss zu, sah zu der Fünfjährigen, dessen Sachen er unten in ihrem Zimmer packen müsste. Aber sie war es mehr als nur wert, seine Welt hinter sich zu lassen, wenn auch nur für ein paar wenige, ganz kurze Augenblicke. Er wollte einfach fliehen und dem Gedanken entrinnen, sie tatsächlich verlieren zu können. Niemand würde wahrhaft verstehen können, was genau er dann empfinden würde, wie er jetzt fühlt, während er das gerade tut. Jimin war ja auch der Vater des Mädchens, niemand Anderes.

Er hob sie auf seinen Arm und trug sie vorsichtig die Treppen hinunter, darauf bedacht weder sie, noch eins seiner Bandkollegen zu wecken. Er packte ihre Sachen in einen Rucksack, dachte schon selbstverständlich an Professor Stein oder ihr Nachtlicht. Als er ihr vorsichtig eine Jacke anziehen wollte, wachte sie dann auf und sah verschlafen zu ihm auf.

,,Was machen wir Papa..?"

,,Wir verreisen, meine Kleine. Papa nimmt dich mit auf eine kleine Reise. Wir werden irgendwohin fliegen, egal wohin und .. ganz viel Spaß haben."

,,Echt..?", ihre Augen wurden etwas größer und Jimin nickte, hielt sich dann einen Finger vor die Lippen.

,,Aber wir müssen leise sein, denn wir fliegen nur zu zweit. Onkel Taehyung oder Jungkook wären nämlich echt böse auf mich."

,,Ich denke alle werden böse auf dich sein, wenn sie bemerken, dass wir weg sind. Aber wir können ihnen ja was mitbringen, dann werden sie sich sicher wieder freuen", plante Naeun, hatte somit direkt zugestimmt und hinterfragte nicht weiter, was Jimin vorhatte.

Er bat innerlich um Verzeihung, als er mit seiner Tochter das Haus verließ. Kein Zettel, keine Nachricht. Hoffentlich riss ihm Namjoon nicht den Kopf ab, sobald er wieder kommt.

Jimin fuhr mit Naeun zum Flughafen, an welchem die kleine Reise beginnen sollte. Es war mitten in der Nacht und trotzdem warteten so Einige auf ihre Flüge. Naeun sah sich die ganze Zeit um. Sie ist zwar schon öfters an einem Flughafen gewesen, doch sie beeindruckte das gigantische Gebäude immer wieder aufs Neue. Das Mädchen entdeckte eines der überteuerten kleinen Geschäfte und ließ die Hand ihres Vaters kurz los, um sich die vielen bunten Postkarten eines Aufstellers genauer anzusehen.

,,Schau Papa, die ganzen Bäume sind ja rosa und weiß", staunte das Mädchen begeistert und hielt Jimin eine Karte entgegen, die mit den majestätischen Kirschbäumen Japans bedruckt war. Eine wunderschöne Fotografie, die die Schönheit der Realität in einem Bruchteil einfangen konnte.

,,Ich weiß, wo es diese Bäume gibt. Möchtest du sie selbst sehen?", fragte Jimin lächelnd und hockte sich zu ihr herunter, sah forschend in ihr Gesicht, welches von diesem bezaubernden, breiten Lächeln geziert wurde.

,,Jaa!"

,,Gut, dann lass uns einen Flug buchen. Ich weiß nämlich jetzt ganz genau, wo unsere Reise hingehen wird", erklärte Jimin zufrieden und kaufte Naeun die Postkarte, die sie sorgfältig in ihremm Rucksack verstaute. Gemeinsam suchten sie dann nach einem Infopoint, buchten sich kurzfristig zwei Plätze für einen Flug nach Japan. Ihr Flugzeug hob ab, die Sonne ging in jenem Moment gerade auf.

,,Soooo schööön", flüsterte Naeun, die den Fensterplatz hatte und an der winzigen Scheibe klebte.

,,Nicht halb so schön wie du", schmunzelte Jimin und drückte ihr einen Kuss auf den Scheitel, ehe er sich zurücklehnte. Ob er das hier bereuen würde? Nein, niemals. Ob er ziemlichen Ärger zu erwarten habe? Oh ja, kann gut sein. Aber einer Sache war sich der junge Mann sicher: die Zeit mit Naeun zu genießen, mit jede Faser seines Körpers.

• ────── ✾ ────── •

PAPA || pjm.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt