30. One-Night-Stands

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PoV: Taddl

Es klingelte. Das war ja so typisch. Kaum wollte ich duschen, klingelte es. Wahrscheinlich Felix, der seinen Lautsprecher holen wollte. Hätte er sich nicht per Festnetz ankündigen können? Gut, er wohnte direkt unter mir, aber er müsste sich doch eigentlich denken können, dass ich um diese Zeit duschen war. Ich schnappte mir schnell ein Handtuch und band es mir viel zu lose um die Hüfte. Für den Fall, dass vor der Tür der etwas ältere Vermieter stand, der sich im Namen des Päärchens unter uns über den Lärm von gestern Abend beschweren wollte, krallte ich mir noch ein Shirt von der Kommode und lief mit dem Handtuch, das meine linke Hand beanspruchte, und einem Shirt, in dem sich meine rechte bereits hoffnungslos verfangen hatte, zur Tür. Felix wird sich totlachen, dachte ich mir, als ich mit dem Ellenbogen unter größter Anstrengung die Klinke runterdrückte.

Leider standen vor der Tür weder Felix noch mein Vermieter. Stattdessen sah mir ein Mädchen entgegen, dessen Kopf sofort eine wunderschöne kirschrote Farbe bekam.

„Äh. Hi. Ich bin Meddi. Gerade bei Felix zu Besuch und so.“ Und so? Bei Felix konnte das vieles heißen. Aber erst mal Glückwunsch an ihn. Meddi sah toll aus. Sie streckte mir ihre Hand entgegen, aber überrumpelt wie ich war, zeigte ich nicht mal den Hauch einer Reaktion. Sie schielte auf meinen Bauch. Na wenigstens schien ich mit Aussehen punkten zu können, wenn schon nicht mit Intelligenz.

„Und du kannst mir natürlich nicht die Hand geben, weil du...“ sie verstummte mit einem niedlichen Grinsen. „Sonst nackt vor mir stehen würdest“, ergänzte ich in Gedanken, als sie die Hand sinken ließ. Erstaunlicherweise wurde sie aber diesmal nicht rot. Meddi war relativ klein und hatte einen nicht allzu schmalen, sondern eher kurvigen Körper. Trotzdem war sie durchtrainiert. Zumindest soweit ihre Hotpants und ihr Game-of-Thrones-Shirt durchblicken ließen. Ihr Gesicht wirkte sehr jung, aber sie war vermutlich schon volljährig. Es war herzförmig, mit schönen Wangenknochen, geröteten Wangen, Stupsnase und hellgrünen Augen. Hellfrüne Augen! Wie viele Menschen mit so strahlend hellgrünen Augen gibt es?

„Taddl“, sagte ich und lehnte mich so lässig es meine Armhaltung zuließ in den Türrahmen. Sie lächelte. Der letzte Hauch rot war von den Wangen verschwunden.

„Hallo. Genau. Also Felix meinte ich solle mal schauen, ob du seinen Lautsprecher hättest und fragen ob du mit Game of Thrones schauen willst.“ Ihr Stimme war unglaublich.

„Ähm. Ja. Der Lautsprecher ist im Wohnzimmer. Und ich wollte duschen. Aber vielleicht komme ich danach runter.“ Nie und nimmer würde ich danach runter gehen. So wie ich Felix kannte, würde ich sogar hier oben den Sex hören. Denn ich ging davon aus, dass er Meddi flachlegen wollte. Schließlich waren Beziehungen ihm zu anstrengend. Und Game of Thrones? Sowas würde Felix von sich aus doch niemals schauen. Dafür hatte er nicht genug Zeit. Nein. Game of Thrones würde Meddis Lieblingsserie sein (siehe ihr Shirt) und er würde sie während der ersten Staffel schön abfüllen und mich dann die halbe Nacht mit ihrem Gestöhne wach halten. Ich kannte Felix.

Ich lief vor ihr her ins Wohnzimmer und deutete dort mit dem Ellenbogen auf den Lautsprecher. Sie nahm ihn sich. Dann zögerte sie. Ich nutzte dieses Zögern um einen Versuch zu wagen, mich von meinem, immer noch meinen rechten Arm gefangen haltenden, Shirt zu befreien. Klappte natürlich nicht. Stattdessen hing mein Ellenbogen jetzt irgendwo im Ärmel. Na super.

„Und was ist mit Ardy? Will der vielleicht mitschauen?“, fragte Meddi, nachdem wir beide ein paar Sekunden schweigend rumgestanden hatten. Seltsam, dass Felix ihr auch noch von Ardy erzählt hatte. Normalerweise belästigte er uns nicht mit seinen One-Night-Stands. Nicht mehr, seit ich mich in dieses eine Mädchen verliebt hatte.

Abigail. Bei ihr hatte Felix gezögert, sie als One-Night-Stand abzuschreiben. Er hatte sie gemocht. Hatte ihr quasi den Hof gemacht. Einen Tag lang. Und dann hatte er sie uns vorgestellt. Und ich hatte mich Hals über Kopf in sie verliebt. Tja. Felix hatte letztendlich festgestellt, dass sie ihm doch nicht gut genug war und dass er sich mal wieder mit flachlegen begnügen würde. Und als sie dann am nächsten Morgen unter Tränen das Haus verlassen hatte, war ich ihr hinterher. Nur um dann erklärt zu kriegen, dass sie kein Interesse an mir hatte. Nie haben würde. Weil ich mit Felix befreundet war. Weil ich ihr hätte sagen können, dass sie für ihn nur ein One-Night-Stand war. Und weil ich nicht er war.

„Der ist nicht da.“ Ihr Blick strotzte nur so vor Neugier. Aber sie hielt sich zurück. Wahrscheinlich wollte sie jetzt unbedingt wissen wo Ardy war, fände es aber unhöflich nachzufragen. Ich rätselte währenddessen immer noch darüber nach, was Felix dazu bewogen haben könnte, Meddi zu uns hoch zu schicken. Vielleicht wollte er einfach angeben und war davon ausgegangen, dass wir ablehnten. Ich meine, jeder wusste welche Gründe es für einen Felix von der Laden gab ein Mädchen zu einem gemeinsamen Serienabend einzuladen.

Sie tat mir schon Leid, wie sie da vor mir stand, in der einen Hand Felix Lautsprecher und mit dieser kindlichen Freude in den Augen, die jedes Mädchen hatte, wenn ein Kerl wie Felix sie zu einem Serienabend einlud. Denn Felix konnte verdammt charmant sein, wenn er wollte. Und ich wollte echt nicht wissen, wie viele Mädchen mit gebrochenem Herzen noch immer jeden Abend an sein Gesicht dachten. Es machte mich traurig, dass einer meiner besten Freunde zu so etwas fähig war. Aber man konnte es ihm einfach nicht übel nehmen. Ich erinnerte mich an diese Prophezeiung über Fiona aus Shrek „Am Tage so, des Nachts ganz anders.“ Während Felix tagsüber einer dernettesten und tollsten Menschen der ganzen Welt war, wurde er nachts zum unverbesserlichen Aufreißer.

„Gut. War nett dich kennen zu lernen, Taddl. Ich nehme an, wir sehen uns dann demnächst öfter mal.“ Das bezweifelte ich. Aber trotzdem nickte ich brav. Ach verdammt! Wieso schaffte ich es nie die Mädchen zu warnen? Ich hatte so derb oft die Gelegenheit ihnen zu sagen, was sie für Felix bedeuteten, aber ich brachte es nie übers Herz. Dabei würde das Felix vermutlich nicht mal stören. Doch schon die Vorstellung wie die unterdrückte Freude in den Augen der Mädchen verpuffen würde, wenn ich ihnen die grausame Wahrheit über Felix von der Laden erzählen würde, überforderte mich. Und so nickte ich. Immer wieder aufs Neue.

„Tschüs.“ Sie lächelte mich noch einmal breit an, warf erst einen Blick auf meinen Bauch und dann noch auf meinen linken, tätowierten Arm und machte sich wieder auf den Weg nach unten. Ihr Gang war federleicht, voller Erwartung.

Meddi.

Ein weiterer Name, auf der langen List der gebrochenen Herzen. Ein weiteres Mädchen, das morgen früh mit mühsamer Beherrschung das Haus verlassen würde und dann bei sich zu Hause zusammenbrechen würde. 

Ja, Nein, Vielleicht | DnerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt