94. Meine Kleinen müssen zurück nach Berlin

11.7K 555 54
                                    

<<Meddi>>

„Linker Haken! Deckung hoch! Nimm die scheiß Deckung hoch. Rechts! Rechts, links.“ Ich schlug Kenny leicht gegen den Oberkörper.

„Du sollst deine Deckung oben lassen. Deine Nase wäre jetzt schon zerschmettert. Links, rechts, rechts, links. Mehr Tempo.“ Ich hasste es, wieder in irgendeinem Raum zu stehen und mit einem Kerl zu trainieren. Ich hatte das mit Jeff immer gemacht. Und mit Chris. Und halt mit Kenny, wenn er sich abreagieren musste. Wie jetzt zum Beispiel. Ihr müsst euch einfach vorstellen, dass Kennys Aggressionen am Ende unseres Aufenthaltes bei Paula echt nicht mehr feierlich gewesen waren.

Ich meine, ich war tollpatschig. Und mir war es auch schon mal passiert, dass ich aus Versehen, anstatt beim Federball den Ball zu spielen, den Schläger losließ und ihn auf meinen Mitspieler schleuderte. Aber nach einer Tischtenniskelle, einem Basketball und dem ein oder anderen nicht besonders unauffälligen Schubser, hatte ich entschieden vorzeitig mit Kenny zu gehen. Gut, Felix hatte das alles ziemlich locker genommen und schien es auch ganz gut wegstecken zu können, wenn er einen Ball in den Bauch bekam, aber ich wollte es nicht provozieren. Ich wusste, nicht, ob der Rest noch da war und ob noch der eine oder andere dazu gekommen war, aber es galt jetzt erst Mal Kenny abzureagieren. Und für mich war das vielleicht auch mal wieder ganz gut.

In Kennys Deckung war die nächste Lücke. Ich schlug mit meinen stark gepolsterten Händen gegen seine Brust.

„Lücke.“ Kenny lief der Schweiß über die Stirn. Er schlug wieder gegen meine Hände.

„Tempo.“ Ich hatte nicht so viel Ahnung vom Boxen. Aber ich kannte das Grundprinzip vom Training. Auch wenn ich nur die Zielscheibe machen und Lücken sehen konnte. Jeff trainierte schon so lange, dass es bei ihm nichts mehr so groß an der Technik auszusetzen gab und dementsprechend hatte ich auch nie darauf achten müssen und konnte nur davon ausgehen, dass Kenny im Grunde alles richtig machte.

„Kombo“, forderte ich und hielt so gut ich konnte gegen Kennys inzwischen erstaunlich kräftige Schläge. Leute, in einem Zimmer zu stehen und zu „boxen“ war schon lange ein Mittel von uns. Ihr müsst wissen, dass ich Jeff ursprünglich über Chris, meinen ersten Freund, kennen gelernt hatte. Und diese simple Art von Konditions- und Tempotraining, hatte auch er mir schon gezeigt. Ich machte diese Übungen mit Kenny also schon seit gut vier, fünf Jahren.

„Ich hasse Felix“, knurrte Kenny und erhöhte sein Tempo. Na toll. Klang ja vielversprechend.

„Willst du noch mal mit Jeff boxen? Der kann da wahrscheinlich besser helfen.“

„Ist nicht da.“

„Er ist gerade gekommen, du Blitzmerker. Oder glaubst du, dass Karsten seinen zweiten Arbeitstag in diesem dummen Café schwänzt? Oder ist das etwa Marie, die sich gerade nach einem neuen Fernseher umschaut? Natürlich ist das Jeff.“ Wie auf Befehl öffnete sich die Tür. Ich ließ unmotiviert meine Schützer sinken. Kenny zog sich die Boxhandschuhe aus. Während ich mich schmollend auf mein Bett setzte, begrüßten die Beiden sich.

„Und Meddi? Bist du glücklich?“

„Weil du heute Abend endlich verschwindest?“, fragte ich scheinheilig.

„Das meinte ich. Und das TomorrowLand. Ist das nicht schon nächstes Wochenende.“ Oh Gott! Das TommorrowLand. Scheiße. War das echt schon nächstes Wochenende? Leute, folgende Sache. Jeff und ich hatten uns eigentlich schon seit wir zusammen gekommen sind darauf gefreut zusammen ins TomorrowLand zu gehen. Ich meine... das war einfach genial. Drei Tage feiern. Mit tausenden von anderen Leuten, die einfach gut drauf waren. Und ich freute mich da eigentlich schon seit gut drei Jahren drauf. Aber irgendwie akm mir das gerade relativ surreal vor.

Ja, Nein, Vielleicht | DnerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt