116. Zwiespalt

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PoV: Ardy

Ich hatte gewusst, dass ich lieber noch ein Stück länger hätte wegbleiben sollen. Zwei, drei Wochen, nicht nur anderthalb Tage. Aber nein. Ich musste ja ein Gewissen haben und auf Taddls panische WhatsApp Nachrichten antworten. Ich hasste mich dafür.

Jetzt stand ich also mal wieder vor unserer Wohnungstür. Vorsichtig hauchte ich in meine Hand und schnupperte. Ja, okay. Man roch den Alkohol. So ein Müll. Ich würde einfach drauf setzen, dass Taddl schon schlief. War gar nicht so unwahrscheinlich. Von unten hatte ich kein Licht gesehen. Ich holte den Schlüssel aus meiner Tasche und versuchte das Schlüsselloch zu treffen. Erfolg hatte ich zwar erst beim zweiten Versuch, aber ihr wisst ja. Der Wille zählt ind so. Ich drehte den Schlüssel langsam im Schloss. Ein Mal, zwei Mal, drei Mal. Dann drückte ich die Tür auf und schlich vorsichtig in die Wohnung.

„Ich habe noch nie jemanden so langsam die Tür aufschließen hören“, sagte Taddls vorwurfsvolle Stimme. Ich fluchte, als er das Licht anschaltete.

„Du bist noch wach? Aber Taddlchen, es ist doch schon nach fünf. Was ist aus deinem Schönheitsschlaf geworden?“ Ich kicherte kurz, um zu verdeutlichen, dass es mich nicht störte, dass er noch wach war, realisierte, dass mich das betrunken wirken ließ und drängte mich dann an ihm vorbei in die Küche. Er folgte mir. Ich wusste genau, dass er jetzt kindisch die Arme vor der Brust verschränkt hatte und mich nicht aus dem Blick ließ. Wie ich das hasste.

„Es ist ja gar kein Bier da“, stellte ich enttäuscht fest.

„Tja. Sorry. Ich war zu beschäftigt damit deine Videos zu schneiden.“ Das war typisch. Und nein, normaler Weise schnitt Taddl meine Videos nicht. Es regte mich auch jedes mal tierisch auf. Wenn ich zu faul war, um Videos zu schneiden, dann mussten meine Zuschauer damit klarkommen und nicht Taddl.

„Ey. Die Zuschauer verkraften das, wenn keine Videos kommen. Die sind das gewohnt. Und vor allem kam bisher nur gestern keins. Und halt heute. Hat Felix noch Bier oder so unten?“ Taddl schaute mich missbilligend an.

„Keine Ahnung. Felix ist momentan mit Meddi weg. Marie hat mir noch nicht gesagt, was die beiden machen. Aber ich bin offen für Spekulationen. Gegen neun Uhr morgens losgefahren und immer noch nicht wieder da.“ So läuft die Maus. Ich bin gemein zu Taddl und er zahlt mir das doppelt zurück. So ein Arschloch.

„Wie auch immer“, sagte ich gelassen und schloss den Kühlschrank wieder. Taddl schnaubte. Warum spielte er sich schon wieder auf, als ob wir ein Paar oder sonst was wären. Waren wir aber nicht. Wir waren zwei erwachsene Männer und ich hatte keinen Grund Taddl irgendeine Art von Rechenschaft abzulegen. Es sei denn ich plante mich nicht weiter an der Miete zu beteiligen. Was nicht der Fall war. Ich bezahlte fast immer meine Miete. Nach ein paar Erinnerungen von Taddl. Jedenfalls war ich alt genug um keinen Muttizettel mehr bei Taddl abgeben zu müssen. War eigentlich logisch. Taddl war jünger als ich.

„Jetzt tu nicht so gleichgültig“, beschwerte Taddl sich.

„Ich bin gleichgültig“, fauchte ich, während ich in Richtung Balkon lief. Vermutlich war ich alles andere als glaubwürdig. Aber was erwartete Taddl auch, nachdem er mir ins Gesicht gesagt hatte, dass Felix sich mal wieder an Meddi ran machte.

„Da ist abgeschlossen. Felix lässt seinen Balkon inzwischen nicht mehr auf.“

„Vielleicht wollte ich ja gar nicht zu Felix klettern sondern einfach so auf den Balkon.“ Nein, meine Glaubwürdigkeit war immer noch nicht wieder da.

„Erzähl keinen Stuss. Du rauchst nicht und hast einen natürlichen Hass auf Dinge, die deiner Meinung nach nicht zusammen passen. Und der Wind da draußen passt für dich nicht zum Sommer, also versuchst du das Haus so wenig wie möglich zu verlassen.“ Ich seufzte.

Ja, Nein, Vielleicht | DnerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt