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Grotesk und übermächtig ragte die monsterhafte Gestalt vor Anastasia Roman auf. Der Kiefer welcher mit dolchartigen Zähnen sie krank anlächelte. Der Atem stank nach Verwesung und die gelben verrückt gewordenen Augen starrten in die ihren. Ein längst verblasster Moment kam Anastasia in den Sinn.

Die Sonne schien durchs Fenster, beleuchtete den Schreibtisch, der unter den Aufzeichnungen förmlich versank. Staunend sah sich die junge Wissenschaftlerin um. Sie war direkt in ein Paradies für jeden Forscher gestolpert.
"Und das hast du alles selbst gemacht?" Mit leuchtenden Augen sah sie zu ihrem Freund und Kollegen, der sich etwas beschämend den Nacken rieb. Jedoch strahlten seine Augen einen gewissen Stolz aus.
"Wie lange hast du gebraucht, um so viele Informationen zu sammeln? Das ist Wahnsinn! Ich... wow... ich find keine Worte dafür..." Sie ließ ihren Blick anerkennend über die Tabellen, Daten und Formeln gleiten, las die ein oder andere Information - ohne ein Wort davon wirklich zu verstehen. Genetik war nicht ihr Spezialgebiet. Sie war auf das erforschen von alternativen Heilungsmethoden -bespielsweise durch Musik und körperliche Nähe- spezialisiert. Trotzdem begeisterte dieser Raum die kleine neugierige Forscherin in ihr.

"Es... hat eine Weile gedauert... aber... ich bin auch noch lange nicht fertig." Vorsichtig trat er einen Schritt dichter hinter sie. Die Braunhaarige drehte sich daraufhin um und schaute ihn liebevoll an.
"Danke, dass du mir das gezeigt hast. I-ich..." Sie verstummt als er ihr einen Finger auf die Lippen legte.
"Willst du mir helfen meine Studien zu vervollständigen?" Mit großen, moosgrünen Augen starrte Anastasia in die grauen Iriden des Wissenschaftlers.
Sanft strich er ihr eine der lockigen, hellbraunen Strähnen aus dem Gesicht, führte seinen Daumen sanft über die weiche Haut, strich ihr sanft über die trockenen, aufgerissenen Lippen. Anastasia war wie erstarrt. Ihr Herz hämmerte in ihrer Brust, während sie verloren in die sturmgrauen Augen schaute, tief versunken in dem wintergrauen Himmel. Die Zeit schien stehen zu bleiben.

Ihr Blick wanderte zu den roten, vollen Lippen, die ihrer so nahe war, dass sie meinte seinen Atem auf ihrer Haut zu spüren. Sie meinte fast ihn schmecken zu können. Im nächsten Moment lagen seine Lippen auf der ihren und ein warmes Kribbel durchfloss sämtliche Adern Anastasias. Mit einem leichten Seufzen gab sie sich dem Kuss hin, verlor sich völlig in dem weichen Gefühl seiner Lippen auf ihrer, seine Hände die sanft durch ihr dickes Haar glitten. Ihr eigene Händen, die über die Schultern des Wissenschaftlers glitten.

Erst nach einer kurzen Unendlichkeit löste sie sich von ihm. Ihr moosgrünen Augen strahlten - genau wie die grauen Augen ihres Gegenübers, die die Farbe von flüssigem Silber angenommen zu haben schienen. Nie hatte sie eine schönere Farbe gesehen.

Ihr Herz brach bei der Erkenntnis, dass sie nie wieder dieses besondere Silber sehen würde. Nie wieder würde sie die Farbe sehen, die sie mit Liebe in Verbindung brachte.

Kaltes Erkennen spiegelte sich in den Augen der Bestie wieder. Diese Augen, die so gar nichts mehr mit dem Menschen gemein hatten, der er einst in ihrem Blick gewesen war. 

Ana konnte den liebenswürdigen jungen und engangierten Arzt nicht mehr in ihm sehen. Nichts als Kummer und Schmerz hatte die Gestalt vor ihr zahllosen Seelen angetan.

 Hatte Willen gebrochen...

Lebenslange Narben verursacht...

... Und Leben ausgelöscht.

Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen und beschwingtem Schritt, näherte sie sich der kleinen Hütte, die tief im Wald verborgen war. Eigentlich sollte sie nicht hier sein, Karl hatte ihr mehr als einmal gesagt, dass das hier nicht für sie war. Aber sie ignorierte seinen Rat - denn er hatte mal wieder ihr Date vergessen. Dabei wollte sie ihm heute endlich die frohe Botschaft mitteilen.
Wahrscheinlich war er einfach eingeschlafen über seinen Studien oder war so beschäftigt mit dem Forschen, dass er schlicht und einfach die Zeit vergessen hatte.

Objekt XVIIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt