Ein Gedanke

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Patrick kneift die Augen zusammen, als er seine Haustür öffnet und ihm das Licht des Flures entgegen strahlt. Seine Autoschlüssel lässt er auf die Kommode fallen und sieht sich verwundert um. Überall ist das Licht an, obwohl er sich sicher ist, dass er dieses ausgeschaltet hatte. Seine kleine Tasche lässt er vor der Treppe stehen und auch seine Schuhe finden ihren Platz dort, bevor er die Küche betritt. Sofort liegt sein Blick auf seinem Bruder. Genervt seufzt Patrick und fängt den Blick von Jimmy auf, der mit einem Kaffee am Küchentisch sitzt.

„Was machst du hier und wie bist du hier rein gekommen?",bricht Patrick das Schweigen.
„Patricia hat den Ersatzschlüssel. Setz dich, wir müssen reden."
„Wir müssen überhaupt nichts.",macht Patrick seinem älteren Bruder klar und geht zur Spülmaschine, um diese einzuräumen. Jimmy lehnt sich neben seinem Bruder an die Küchenzeile und verschränkt seine Arme vor seiner Brust.
„Was soll das alles, Paddy? Du machst dich kaputt, merkst du das überhaupt noch? Was war das am Ende vom Konzert? Kannst du uns und deinen Mitmenschen überhaupt noch ehrlich in die Augen schauen?"
Patrick lässt sich nicht beirren. Er hört seinem Bruder zu, zeigt jedoch auf die vielen Fragen keine Reaktion. Wie soll er auch? Er hat selbst keine Ahnung. Jimmy mustert seinen kleinen Bruder derweil. Langsam hat er kein Verständnis mehr für sein Verhalten und mitmachen wird er dieses wohl auch nicht viel länger.

Patrick drückt die Spülmaschine zu und schaltet sie ein, bevor er an seinem Bruder vorbei geht und die Küche verlässt. Gefolgt von Jimmy.
„Du brauchst nicht abzuhauen. Ich meine es wirklich nur gut und das weißt du. Hab doch bitte ein wenig Verständnis für unsere Situation, wenn du es andersherum von uns verlangst."
Patrick greift nach seiner Tasche und möchte die Treppe hoch gehen, jedoch stellt Jimmy sich kurzerhand in den Weg.
„Ich möchte einfach nur schlafen.",bittet Patrick und sieht seinen Bruder aus müden Augen an. Der Tag hatte ihn wirklich mitgenommen und spät ist es auch.
„Ich möchte das Gespräch nicht vor mir her schieben. So wird das nämlich nichts.",gibt Jimmy zurück und tritt trotzdem zur Seite, um seinen Bruder vorbei zu lassen. Patrick geht geradewegs in sein Schlafzimmer und lässt die Tasche vor seinem Bett fallen.

„Kannst du mich nicht ein Mal in Ruhe lassen?",harkt er verzweifelt nach, während er sich auf der Bettkante niederlässt. Er sieht Jimmy seine Besorgnis an. Besorgnis und Ungewissheit über das, was noch passieren wird.
„Hast du mit Pino gesprochen?"
„Pino ist mein Manager und nicht mein bester Freund. Es kann ihm also am Strich vorbei gehen, was ich ihm sage und was nicht. Das ist immer noch meine Entscheidung und nicht deine!",wird Patrick ein wenig lauter und funkelt seinen älteren Bruder wütend an.
„Und er soll dich dabei unterstützen, wie du dich immer weiter zerstörst? Er weiß nicht mehr als ich, aber scheinbar wusste er vorher gar nichts! Du kannst noch immer so gut Schauspielern wie damals!"
„Und genau deswegen solltest du dich raus halten. Du weißt nichts! Du hast keinen blassen Schimmer von dem, was in mir vorgeht, also halt dich raus!",kontert Patrick, während er aufsteht und ein paar Schritte auf Jimmy zu geht. Viel trennt die beiden nicht und die Luft, die sie trennt, funkt nur so vor Spannung.
„Dann rede doch endlich! Ich kann mir das nicht länger mit anschauen. Trauer schön und gut, aber irgendwann ist es auch mal okay! Es kann doch nicht sein, dass diese seit mehr als einem halben Jahr dein Leben zerstört und lenkt."
„Sag mal, verstehst du es nicht, oder bist du einfach zu blöd?!",haut Patrick wütend hinaus und spürt, wie sich etwas in seinem inneren regt. Er kann es nicht zuordnen, doch trotzdem fühlt es sich gut an.
Befreiend.

„Rede mit mir und erkläre es mir. Vielleicht verstehe ich dich dann.",gibt Jimmy plötzlich ruhig zurück und sieht, wie in Patricks Augen ein wenig Verwunderung auflodert. Er hat damit nicht gerechnet.
„I..ich... sorry. Geh einfach.",bittet Patrick und dreht sich von Jimmy weg. Überfordert streicht er sich mit seiner Hand über das Gesicht, während Jimmy seine Hand auf die Schulter seines Bruders legt.
„Ich möchte dir bloß helfen.",beteuert er und entnimmt ein leichtes nicken von Patrick.
„You can't. Ich weiß zu schätzen, was du und Tricia damals für mich getan habt, aber das ist etwas komplett anderes.",fügt dieser nach einer kurzen Zeit hinzu. Sanft dreht Jimmy seinen kleinen Bruder in seine Richtung, jedoch blickt Patrick nicht zu ihm hinauf. Er würde diesen Vorwurf in Jimmys Augen nicht ertragen.
„In wie Fern ist es das? Du hast dich uns damals nicht anvertraut und machst es heute noch nicht. Vielleicht ist es eine andere Intention, aber der Konflikt bleibt der selbe."
Erst jetzt blickt Patrick seinen Bruder an. Es liegt kein Vorwurf in seinem Blick.

„Wie viele Psychologie Bücher hast du dir reingezogen, um so gehoben zu sprechen?",harkt Patrick nach. Jimmy muss Schmunzeln.
„Viele. Sehr viele, aber das ist nicht das Thema."
Patrick nickt, schiebt sanft die Hand seines Bruders von seiner Schulter und lässt sich wieder auf der Bettkante nieder.
„Ich möchte mich nicht mit dir streiten, Jimmy.",nuschelt er und blickt zu Boden. Jimmy bleibt unschlüssig im Raum stehen, bevor er sich neben Patrick setzt und seinen Arm um ihn legt.
„Ich möchte mich doch auch nicht streiten, Kleiner. Nur wenn wir miteinander reden und uns sagen, was uns auf der Seele liegt, können wir Streit und falsche Gedanken vermeiden. Ich möchte dir nur die Augen zur Realität öffnen. Wir sind für dich da und du weißt, dass wir dir keinesfalls Vorwürfe machen. Wir sind lediglich besorgt.",gibt Jimmy ihm zu verstehen.

„Ihr sollt euch keine Sorgen machen. Ihr habt schon viel zu viel für mich getan.",bricht einer seiner Gedanken aus Patricks Mund. Es sind Worte. Worte, ein Gedanke, der nun endlich aus ihm herausbricht und sich an die Person richtet, die ihn hören soll.
„So etwas kann man nicht einfach abschalten. Gerade weil wir bereits so viel getan haben."
Verständnisvoll nickt Patrick. Er versteht, was Jimmy ihm damit sagen möchte. Es sind keine bösen Absichten. Er meint es gut, er will ihm helfen.

„Danke, dass du hier bist."
Jimmy schmunzelt und schlägt Patrick leicht gegen die Schulter, der sich daraufhin bloß ein wenig mehr gegen seinen Bruder lehnt.
„Dein Dank sah eben aber noch ganz anders aus.",spaßt er und bringt tatsächlich auch Patrick zum schmunzeln, der zu seinem Bruder aufschaut.

Patrick verzieht sich unter die Dusche, während Jimmy sich unten im Gästezimmer einrichtet und seine Schwester auf die neusten Stand bringt.

Erschöpft lässt Patrick sich in sein Bett fallen. Es ist bereits drei Uhr Nachts, weshalb er das kleine Licht schnell ausknipst und sich in seine Decke einkuschelt. Er fühlt sich wohl. Es ist schön ein Heimatsgefühl zu haben, auch wenn es nicht mehr vollständig ist.

Gegen den VerstandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt