Gedankenverloren blickt Patricia aus dem Küchenfenster. Die ruhige Straße wird lediglich von den wenigen Straßenlaternen beleuchtet und auch in der Küche bringt bloß eine kleine Stehlampe ein wenig warmes Licht ins dunkle. Sie seufzt und richtet ihren Blick auf die Kaffeetasse in ihrer Hand. Es ist längst nicht mehr der erste Kaffee, den sie in dieser Nacht trinkt. Das leise Ticken der Uhr macht sie wahnsinnig und gleichzeitig fragt sie sich bei jeder verstrichenen Sekunde, wann ihre Geschwister nachhause kommen werden.
Bereits vor zwei Stunden wollte sie ins Bett gehen. Ihre restlichen Geschwister waren ins Hotel gefahren und Joey schlafen gegangen. Bloß Jimmy blieb noch einige Zeit mit ihr wach, hatte sich dann aber auch schlafen gelegt.
Die letzten Stunden sind förmlich an ihr vorbeigeflogen. Tausende Szenarien malte sie sich aus. Hatten sie überreagiert? Brauchte Patrick vielleicht einfach seine Ruhe in diesem Moment? Warum war er zusammengebrochen? All diese Fragen versuchte sie verzweifelt zu beantworten. Doch nur eine, höchstens zwei Personen können dies tun und genau auf diese wartet sie nun.„You're still awake?"
Sie nickt, richtet ihren Blick erst gar nicht zu ihrem Bruder hinauf.
„Tricia, du solltest dich hinlegen. Sie kommen schon.",sagt Jimmy beruhigend, während er sich neben seine Schwester setzt und einen Arm um ihre Schulter legt.
Sie möchte ihm glauben. Wirklich. Trotzdem fressen sie ihre Gedanken innerlich auf. Die Gedanken und die Sorgen.
„Was ist, ...wenn....?",schluchzt sie leise und stellt ihre Tasse auf den Tisch, nur um im nächsten Moment von ihrem Bruder in dessen Arm gezogen zu werden. Sofort schlingt sie ihre Arme um ihn und vergräbt ihren Kopf an Jimmys Brust.
„Hey, don't think that way. Maite ist bei ihm.",flüstert er beruhigend, während er seiner Schwester über ihren Oberarm streicht und ihr versucht den Halt zu geben, den sie gerade braucht.
Die Ungewissheit schmerzt in diesem Moment wahrscheinlich mehr, als es die Wahrheit je könnte.
Jimmy schluckt. Auch ihm bereitet diese Situation eine schlaflose Nacht und er kann vollkommen verstehen, warum seine Schwester in diesem Moment so gebrochen ist. Beide kennen sie diese Situation. Die Gedanken, Gefühle und Vorwürfe, die diese mit sich bringt.Maite sitzt derweil unentschlossen in Patricks Auto vor der Klinik. Es ist viel zu spät. Bereits vor einer Stunde ist das letzte Licht der Klinik erloschen. Nun liegt der ruhige Stadtteil von Köln in völliger Leere vor Maite und doch kann sie sich nicht überwinden die kurze Strecke zu ihren Geschwistern hinter sich zu bringen. Ihr Handy liegt ausgeschaltet auf dem Beifahrersitz. John und auch Jimmy hatten sie immer wieder angerufen. Klar, die Geschwister machen sich Sorgen um ihren Bruder, aber Maite selbst fühlt sich momentan noch nicht in der Lage um vor ihnen darüber Stellung zu nehmen.
Was war das heute? Sie hatte ihre Show mittendrin beendet. Für Patrick. Für einen Ausdruck in dessen Augen, den sie nun am liebsten wieder verbannen würde.
Es geht nicht. Dieser hilflose, überforderte und vollends leere Blick ihres Bruders brennt sich förmlich in ihre Gedanken.
Ihr Blick richtet sich wieder an den Klinikmaueren empor. Patrick wird wohl auch eine schlaflose Nacht hinter sich bringen, soviel ist sicher. Auch er ist zu aufgewühlt, als das er jetzt in einen ruhigen, erholsamen Schlaf fallen könnte.Maite verschränkt ihre Arme über dem Lenkgrad und lässt ihren Kopf darauf nieder, um einmal tief durchzuatmen und ihre Gedanken zu ordnen.
Sie muss zu Joey fahren, die Ungewissheit der anderen klären.
Entschlossen hebt sie schließlich ihren Kopf und startet den Wagen ihres Bruders. Sofort wird der Parkplatz vor ihr mit dem Scheinwerferlicht des Wagens erhellt. Kein einziges Auto findet hier seinen Platz und in dem Licht erscheint das Gelände schon fast ein wenig unheimlich. Maite verlässt den Parkplatz und fährt an der Klinik entlang, bis sie schließlich auf die Straße kommt und den Rückweg antritt. Zu oft mussten die Geschwister damals diesen Weg zurücklegen und so ist es nicht verwunderlich, dass nun auch in Maite ein kleiner Gedanke an früher auflodert.
Schnell schüttelt sie den Kopf und versucht diesen Gedanken weit weg zu schieben. Es ist nicht wie früher. Patrick ist in einer anderen Situation, die Umstände haben sich geändert.
Automatisch greift sie zu dem Autoradio und schaltet es an. Sofort lenken die sanften Töne sie ein wenig ab und als die aktuellen Nachrichten erklingen, widmet sie dem Radiosprecher ihre volle Aufmerksamkeit. Sie lauscht seiner Stimme, hört ihm aber nicht wirklich zu. Erst als eine junge Frau das Sprechen wieder übernimmt und das nächste Lied ankündigt, folgt sie auch ihren Worten.
„Das nächste Lied ist eines der aktuellen Singles von einem Künstler, den viele bestimmt noch aus alten Zeiten kennen. Damals, mit der Kelly Family, hat er Rekorde geschlagen und nach 6 Jahren im Kloster ist er wieder da und knüpft als Solokünstler an seinen damaligen Erfolg an. Michael Patrick Kelly mit Roundabouts!"
Maite schluckt und lauscht den ersten sanften Klängen, die das Radio verlassen. Soll sie weiter hören? Sonderlich förderlich ist es sicherlich nicht, doch sie entscheidet sich dafür. Es wird ihr sicherlich gut tun die Stimme ihres Bruders zu hören.
Aufmerksam lauscht sie dem Lied. Dem Text. Zwischen den Zeilen. Sie schluckt erneut und blinzelt eine Träne aus ihrem Augenwinkel, bevor sie blinkt und an den Rand der Straße fährt.
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Gegen den Verstand
Fanfic„Wenn wir uns an dem Ort treffen, an dem wir uns kennengelernt haben, du mich aber nicht siehst, tue mir bitte einen Gefallen. Lass die Vergangenheit endlich los.." Triggerwarnung: In dieser Geschichte werden Themen behandelt, die für Menschen in p...