Wie versteinert starrt Patrick auf die hohe Treppe, die direkt vor ihm aus der Dunkelheit empor steigt. Ihr Ende kann er nur erahnen und doch wirkt es so als würde sie einfach in die endlosen Weiten dieser Leere verlaufen. In das endlose Nichts und in die endlose Dunkelheit, die die Treppe umschließt, einsperrt und unter einem schweren Tuch begräbt.
„Du hast wortwörtlich den Boden unter den Füßen verloren und nicht die geringste Kraft von da unten hochzukommen."
Erschrocken zuckt Patrick zusammen und blickt zu Joelle, die von hinten auf ihn zukommt und ihn mit einem ernsten Blick mustert. Sie geht an ihm vorbei, geht einige Stufen der Treppe hinauf und lässt sich schließlich auf einer der Stufen sinken. Noch immer ruht ihr Blick auf Patrick und auch er traut sich nicht seinen Blick von ihr zu lösen. Von ihr, seiner toten Frau und seinem einzigen Halt in dieser Dunkelheit.
„Was.. ist das hier?", hakt er leise nach und blickt sich ein weiteres Mal in dieser endlosen Leere um. Sein Blick richtet sich auf den vermeintlichen Boden unter ihm, doch auch hier klafft die Dunkelheit wie ein riesiges Loch in einer zertrümmerten Mauer. Panisch versucht er sich aus dieser Leere zu befreien und die erste Treppenstufe zu erreichen, um sich in Sicherheit zu wiegen, doch nichts passiert. Sein Körper reagiert nicht und fühlt sich mit einem Mal um Tonnen schwerer an. Joelle schmunzelt und zieht somit Patricks Aufmerksamkeit wieder auf sich.„Du glaubst ernsthaft, dass du dieser Dunkelheit alleine entfliehen kannst?", fragt sie lachend, erhält aber keine Antwort. Patrick sieht sie bloß stumm an, mustert sie. Ihre Haut wirkt blass, während ihre braunen Haare locker auf ihren Schultern liegen. Ihr roter Pullover passt perfekt zu ihrer schwarzen Jeans und doch versetzt genau diese Kombination einen Stich in Patricks Herz. Genau so hat er sie das letzte Mal gesehen, lebendig. Genau so stand sie im Streit vor ihm. Genau so lag sie dort auf dieser Straße.
„Keiner hat es bemerkt, aber Schritt für Schritt und ganz langsam verschwandest du aus dem Umfeld anderer, aus ihrem Leben und letztendlich, so der Plan, verschwindest du ganz und für immer. Habe ich recht?"
Patrick schluckt, wendet seinen Blick ab. Der Wahrheit so ins Auge zu sehen tut weh. Der Wahrheit darüber, dass er schon lange seinen Entschluss getroffen hat. Dass er schon lange nur in seinem Hamsterrad gelaufen ist um aus der Klinik zu kommen, seinen Plan durchzuziehen. Dass er aus diesem Grund bereits jeglichen Kontakt zu Pino oder seiner Band auf Eis gelegt und alles abgesagt hat.
„Nein, so war das nicht geplant.", flüstert Patrick und blickt wieder zu Joelle, die sich von der Treppe hochdrückt und langsam die Stufen hinab läuft. Auf ihren Lippen ruht ein verachtendes Grinsen, das auf Patricks Haut für eine unangenehme Gänsehaut sorgt. Noch nie hat sie ihn so angesehen.
„So war das also nicht geplant, ja? Patrick, es ist zu spät.", eindringlich sieht sie ihn an und kommt auf der untersten Treppenstufe zum stehen.
„Ist es nicht... ich kann wieder..-"
„Wieder was?", unterbricht sie ihn, „wieder hochkommen, dir Hilfe suchen und dich von deinem Plan abbringen lassen? Dich deinen Geschwistern aufs Auge drücken, sie belasten? Es ist zu spät. Zu spät um dir Hilfe zu holen, zu spät um dein Leben wieder in den Griff zu bekommen. Du hattest deine Chance. Schau dich um, sie hat dich direkt hier her gebracht. In die Dunkelheit, die Leere, mitten ins Nichts. Irgendwann tat es nicht mehr weh, du warst nicht mehr traurig aber auch nicht glücklich. Es war und ist dir einfach alles gleichgültig. Du fühlst nichts mehr und doch ist in dir diese unendliche Leere, die dich innerlich, trotz der äußeren Fülle um dich herum, gnadenlos ertrinken lässt."„Sei einfach still.", bittet Patrick mit zitternder Stimme und richtet seinen Blick auf seine Hände, die sich ungewöhnlich kalt und rau anfühlen. Kein einziger und doch viel zu viele Gedanken schwirren in seinem Kopf umher, lassen sich nicht greifen.
„Ich werde nicht still sein, Patrick. Willkommen in deiner kleinen persönlichen Hölle auf dem langen Weg in Richtung Himmel.", lächelt Joelle und deutet die Treppe hinauf, bevor sie sich an den Rand der untersten Stufe setzt und Patrick erneut mustert. Überfordert wirft er seinen Blick auf die vielen Stufen vor sich, nur um dann doch wieder in die Dunkelheit unter sich zu sehen.
„Bin ich tot?", fragt er monoton und zuckt zusammen, als Joelle zu lachen beginnt. Irritiert blickt er zu ihr. Dieses Lachen auf ihren Lippen. Wie gerne hätte er dieses doch an seiner Seite gehabt.
„Nein, nein das bist du nicht. Es ist deine Entscheidung und diese werde ich dir diesmal nicht abnehmen.", bringt sie schmunzelnd hervor, ehe sie ihre Hand auf Patricks Schulter legt und ihn ansieht. Er zuckt unter ihrer Berührung zusammen und trotzdem spürt er, wie sein Körper allmählich wieder auf ihn zu hören scheint.
„Ich würde dir gerne die helfende Hand reichen, die du in all der Zeit gebraucht hättest, nur leider kann auch ich es dir nicht abnehmen den ersten Schritt zu machen.", sagt sie ruhig und blickt ihm tief in die Augen, ehe sie aufsteht und auf ihn hinab sieht.
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Gegen den Verstand
Fanfiction„Wenn wir uns an dem Ort treffen, an dem wir uns kennengelernt haben, du mich aber nicht siehst, tue mir bitte einen Gefallen. Lass die Vergangenheit endlich los.." Triggerwarnung: In dieser Geschichte werden Themen behandelt, die für Menschen in p...