Musik stellt keine Fragen

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„Du gehst nirgendwo hin!"
„Bist du mein Vater oder was!",entgegnet Patrick wütend. Den beiden Brüdern ist es mittlerweile egal, dass Maite und Patricia von ihrem Streit wach werden könnten.
„Ich möchte nicht weiter zusehen, wie du dich kaputt machst und auf gute Laune tust!",kontert Jimmy und geht einige Schritte auf Patrick zu. Dieser blickt zu Boden, kann diesen Blick aber nicht lange halten, da Jimmy sein Kinn ein wenig unsanft hoch drückt und ihn somit dazu zwingt, seinen Bruder anzuschauen.
„Fass mich nicht an!",zischt Patrick ihm entgegen und schlägt seine Hand weg, bevor er ein wenig zurück weicht.
„Misch dich einfach nicht ein.",fügt er ruhig hinzu.

„Was ist denn bei euch wieder los?",fragt Patricia nach, als sie verschlafen die Küche betritt. Es ist gerade mal 9 Uhr Morgens und viel Schlaf hatte wohl niemand der Geschwister diese Nacht bekommen.
„Patrick will sich verpissen.",klärt Jimmy die Situation auf. Er klingt abwertend.
Patricia blickt zu Patrick, dann zu Jimmy.
„Paddy, ich glaube das i...-"
„Keine gute Idee, I know! Ich bin nicht euer Kind und muss meinem Job nachgehen!",unterbricht er seine Schwester.
„Du bist heute Nacht komplett zusammengebrochen und willst dich jetzt auf die Bühne stellen? Spinnst du?!",mischt Jimmy sich wieder ein, wird jedoch von Patricia ein wenig zurückgehalten, die ihre Hand auf seine Schulter legt.
„Warte bitte einen Moment. Ich begleite dich."

Irritiert blickt Patrick seine Schwester an. Es dauert ein bisschen bis er begreift, was sie da gerade von sich gegeben hat.
„Warte... was?"
Bestätigend nickt sie.
„Ich brauche doch keine Babysitterin! Was ist euer Problem?!"
„Entweder Tricia kommt mit, oder du bleibst hier!",droht Jimmy mit ein wenig Nachdruck. Patrick verschränkt seine Arme vor seiner Brust.
„Was wollt ihr machen? Mich hier fesseln, das Konzert absagen? Ich bin doch nicht allein!",gibt er trotzig zurück.
„Die Jungs wissen aber bestimmt nicht das, was wir letzte Nacht mitbekommen haben! Lass dir doch einfach mal helfen!",giftet Jimmy zurück, was Patricia seufzen lässt. Sie kann diese ewige Streiterei echt nicht ertragen.

„Okay, hört mir mal beide zu. Ich schätze es sehr, dass ihr mir helfen wollt und euch Sorgen macht. Ich bin weder ein kleines Kind, noch möchte ich mich im nächsten Moment von der Brücke stürzen, also schaltet eure Paranoia mal aus! Ich muss bloß nach Köln fahren und das werde ich ja wohl noch alleine schaffen. Ohne Babysitter! Was erwartet ihr? Das ich meine Fans enttäusche, das Konzert absage und bei einem Kaffeekränzchen über alles rede? Verdammt, ich könnte es ja nicht mal erklären, weil ich selbst nicht weiß, was los ist!",bricht es aus Patrick hinaus und auch Maite steht mittlerweile an der Tür. Tief atmet er durch.
„Also, dürfte ich jetzt bitte nach Köln fahren und mein Konzert geben?",richtet er sich an Jimmy, der leicht nickt und seinem Bruder hinterherschaut, wie er das Haus verlässt.
„Wow, hat er gerade gegen euch gewonnen?",fragt Maite erstaunt nach.
Jimmy schnaubt.
„Ich fahre ihm hinterher."
„Du machst gar nichts.",erwidert Patricia und boxt ihrem Bruder leicht gegen die Schulter.
„Er muss wissen, was richtig ist.",fügt sie hinzu und lässt sich erschöpft an dem Tisch nieder.

Patrick seufzt, als er seinen Wagen startet.
Er hat gegen seine Geschwister gewonnen.
Ein sanftes Lächeln bildet sich auf seinen Lippen, während er sein Auto in Bewegung setzt und sich auf den Weg nach Köln macht.
Das Radio läuft bloß leise im Hintergrund. Patrick hängt seinen Gedanken nach und versucht zu begreifen, was letzte Nacht geschehen war. Es war bloß ein Traum, trotzdem fühlte sich alles viel zu real an. Ihre Berührung, ihre Anwesenheit. Einfach alles. Außerdem kann er nicht zuordnen, was Joelle von ihm wollte. Was hatte es zu bedeuten? Hatte es dies überhaupt?
Patrick seufzt. Seine Gedanken scheinen mal wieder die Oberhand zu gewinnen, weshalb er das Radio lauter schaltet und mitsingt.

Patrick checkt ins Hotel ein und springt sogleich unter die Dusche. Viel Gepäck hat er nicht dabei. Er genießt das lauwarme Wasser und merkt, dass diese Dusche nach gestern Nacht wirklich notwendig gewesen ist. Er macht sich frisch, wird aber schon bald unterbrochen, als es an der Tür klopft. Bloß mit einem Handtuch um die Hüfte öffnet er diese und lässt seinen Manager hinein.
Sofort verschwindet Patrick wieder ins Bad, lässt die Tür aber offen, während er sich um seine Haare kümmert.
„Du hast abgenommen.",stellt Pino lediglich fest und setzt sich auf die Bettkante.
„Wurde ja auch mal Zeit.",spaßt Patrick schmunzelnd. Er überspielt. Komplett und gut.
„Wie du meinst. Nötig hättest du es nicht.",erwidert er lachend.
„Oh Pino, hör auf zu schleimen oder bist du nur deswegen hier?",harkt Patrick ebenfalls lachend nach und blickt kurz zu ihm.
„Nein, eigentlich nicht. Heute Abend läuft alles wie immer. Ich bin noch bis zum Soundcheck da, aber danach muss ich auch los.",informiert er ihn. Patrick nickt. Es ist ihm relativ gleichgültig, ob Pino beim Konzert dabei ist oder nicht.

Den Soundcheck brachten die Jungs ohne Probleme hinter sich und Pino hatte sich bereits verabschiedet. Patrick sitzt mit den Jungs seiner Band zusammen und wartet darauf, dass das Konzert beginnt. Der Einlass ist bereits im vollen Gange.
„Alles okay, Chef? Du siehst etwas fertig aus.",fragt Hendrik lachend. Trotzdem schwingt Besorgnis in seiner Stimme mit. Patrick nickt lächelnd.
„Die Nacht war etwas chaotisch. Alles okay."
„Chaotisch also?? Wen hattest du im Bett?",harkt Christian provozierend nach und boxt Patrick aussagekräftig gegen die Schulter, was diesen lachen lässt.
Er mag die unbeschwerte Stimmung untereinander und auch diese Witzelei.
„Immer den der fragt!",erwidert er ironisch. Ein Lacher geht durch die komplette Runde.
„Du musst von unserer geheimen Beziehung nicht gleich alles ausplaudern."
Mit diesen Worten steht Christian auf und legt seine Hände kurz auf Patricks Schultern.
„Noch fünf Minuten.",informiert er die Gruppe, bevor er sich zurückzieht und auch Patrick geht für einen kurzen Moment seinen eigenen Weg, bevor die Jungs mit voller Kraft das Publikum aus den Socken hauen.

Patrick ist froh. Er kann den Stress zur Seite legen und dem nachkommen, was er am liebsten macht.
Musik.
Musik ist der Klang seines Lebens. Trauer, Wut, Kummer, Sehnsüchte und vieles andere steckt dahinter. Es ist ein Universum voller Erinnerungen. Schönen, sowie schmerzhaften.
Musik stellt keine Fragen.
Nicht so, wie es seine Geschwister versuchen.

Gegen den VerstandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt