Über uns nur der Himmel

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Ein kühler Windhauch. Verwirrt öffnet Patrick die Augen und setzt sich langsam auf.
An ihm rieselt Sand hinunter. Prüfend lässt er seine Hand über den Boden gleiten, dann seinen Blick. Tatsächlich. Er ist am Strand. Es ist Nacht. Der Mond und die Sterne beleuchten den Ort nur ein wenig, trotzdem weiß er genau, wo er sich befindet. Vor ihm liegt das Meer. Ein wenig weiter rechts der altbekannte Steg.
Patrick schließt die Augen und atmet die kühle Luft ein, bevor er aufsteht und langsam auf das schimmernde Wasser zuläuft.
Schon bald berühren seine Füße das kalte Wasser, was vor ihm bricht und langsam den Sand hinauf schwappt.
Er vergräbt seine Zehen im Sand, der langsam unter seinem Gewicht nachgibt und versucht sich krampfhaft an diesen Moment zu klammern.
Sein Weg führt ihn zu dem Steg. Abgelegen liegt er dort.
Er knarrt ein wenig, trotzdem geht Patrick seinen Weg und erstarrt kurz, als er eine Person an Ende sitzen sieht. Ihre Füße baumeln im Wasser, ihr Blick gleitet in die endlosen weiten des Meeres.
Patrick geht weiter.
Er erkennt sie.
Jedoch besiegt seine Neugier seine Angst bei weitem.
„Spanien also?",fragt er leise, als er hinter ihr zum stehen kommt.
„Ich mag es hier.",erwidert Joelle, wendet ihren Blick aber nicht von dem Meer ab.
Patrick lässt sich neben ihr nieder. Auch er lässt seine Beine baumeln und blickt auf das Meer hinaus.
Er hatte ihr damals hier den Heiratsantrag gemacht. Genau in dieser Nacht. Alles ist gleich. Bis auf einen Punkt.
Patrick weiß, dass es nicht real ist. Sie nicht real ist. Das verlorene Paradies.
„Du machst dir Gedanken.",stellt sie leise fest. Patrick schluckt bloß. Dies zu leugnen hätte wahrscheinlich rein gar nichts geändert.
„Viel Unglück entsteht erst, wenn du jeden Gedanken, der dir durch den Kopf geht, für die Wahrheit hältst. Die Situation macht dich nicht unglücklich. Vielleicht mag sie es begünstigen, aber sie macht nicht unglücklich. Deine Gedanken sind es, die dich unglücklich machen. Deine Interpretation, die Geschichten, die du selbst dazu erfindest. Dieser Himmel war schon immer über uns. Seit diesem Tag an und er ist es immer noch."
Joelle blickt zu Patrick, der bloß ein sanftes nicken hinausbringt. Er hat einen Kloß im Hals und das Gefühl seine Worte irgendwo zwischen Gedanken und Mund verloren zu haben.
„Ich habe so viele Fragen.",gibt er nach einer Weile zu und stützt seine Ellbogen auf seine Oberschenken, damit er seinen Kopf in seinen Händen vergraben kann.
„Warum behältst du sie für dich? Du hast so viele Menschen, die sofort für dich da wären."
„Und trotzdem fand ich immer Trost bei dir.",flüstert er schon fast und trägt seinen Kopf wieder aus eigener Kraft.
„Den kannst du immer noch finden.",erwidert sie und fängt den Blick von Patrick auf, bevor dieser sich wieder auf das Meer richtet.
„Was soll das Ganze hier? Was möchtest du mir hiermit sagen?",bricht es aus Patrick hinaus. Leise lacht Joelle.
„Warum glaubst du, dass diese Träume von mir ausgehen?"
Patrick zuckt mit den Schultern. Er weiß nicht, warum er davon ausgeht. Wahrscheinlich, weil er sich die Hoffnung macht Joelle nicht zu verlieren.
„Ich bin nicht der Grund, warum wir hier sind.",macht sie ihm leise klar.
Erneut schaut Patrick zu ihr. Er versteht. Es liegt an ihm.
„Warum hier, warum jetzt und warum mit dir?",fragt er weiter, kann sich jedoch von ihren Augen nicht lösen. Sie ziehen ihn in einen Bann.
„Du musst selbst eine Antwort auf deine Fragen finden. Ich kann sie dir nicht beantworten. Komm damit ins reine, was geschehen ist."
Irritiert blickt Patrick an die Stelle, an der bis eben noch Joelle ihren Platz fand. Sie ist weg. Weg und lässt ihn mit tausenden Fragen alleine. Sie alle werden keine Antwort finden. Nicht hier und auch ganz besonders nicht jetzt.
Patrick seufzt, richtet seinen Blick nun zu dem strahlenden Mond.
Es gibt nichts, was von Dauer wäre. Die Sonne und der Mond gehen auf und wieder unter. Auf den hellen und lichten Tag folgt die dunkle und finstere Nacht. Alles verändert sich von Stunde zu Stunde.
Er weiß, dass dieser Augenblick nicht von langer Dauer ist. Schon bald würde er aufwachen und diese Erinnerung mal wieder verdrängen. Er zieht seine Füße aus dem frischen Wasser, winkelt seine Beine an und umschließt diese mit seinen Armen.
Vielleicht ist es wirklich an der Zeit sich jemandem zu öffnen. Seine Gefühle nicht weiter zu leugnen. Einfach all den Mist aus seinen Kopf zu lassen.
Aber kann er das? Kann er sich öffnen und zeigen, wie es ihm wirklich geht?
Verzweifelt schüttelt er den Kopf. Die Situation ist ein Fass ohne Boden.
Er möchte über seine Gedanken sprechen, macht sich darüber aber nur noch mehr Gedanken, die ebenso nicht aus ihm herausbrechen werden. Er ist kalt geworden. Zumindest meistens. Über den Zusammenbruch bei Patricia ärgert er sich noch immer.
Sie hatte schon viel zu viel mit ihm durch gemacht. Genauso wie Jimmy. Patrick versteht, warum die beiden so reagieren. Sie wollen ihm helfen. Helfen, bevor er eigentlich Hilfe benötigt.
Doch Patrick kann dies nicht annehmen. Er ist dankbar. Dankbar dafür, dass die beiden ihn damals aus dieser Phase geholt hatten. Ein weiteres Mal will er es aber gar nicht so weit kommen lassen. Es geht ihm gut. Bis auf die Trauer, die tief in seinem inneren einen viel zu großen Platz einnimmt.
Wie hatte Maite gesagt?
Der Tod kann zwar zwei Menschen trennen, aber niemals deren Erinnerung.
Doch wieso? Wieso kann sich die Erinnerung an einen geliebte Person nicht einfach löschen. Sie mag schön sein, bringt aber auch unglaubliche Schmerzen mit sich und Patrick weiß nicht, ob er diese Schmerzen irgendwann übergehen und das Gute in Erinnerungen sehen kann. Er weiß es einfach nicht. Wie so vieles momentan.


Patrick schreckt durch ein lautes klopfen auf.
Die ersten Sonnenstrahlen durchfluten den Raum und er merkt bereits jetzt, dass der Tag wieder an den 30 Grad kratzen würde.
Zu seiner Verwunderung sitzt er aber nicht in seinem Bett. Er sitzt auf dem Boden. Genau so, wie er am Steg saß.
Irritiert blickt er sich um, steht dann aber auf uns öffnet die Tür. Verwirrt blickt er in das Gesicht von Hendrik, der bei Patricks Anblick bloß schmunzeln muss.

„Wir fahren in 20 Minuten."
„Hmm.., wie spät ist es?",harkt er verschlafen nach. Hendrik kann sich ein leises Lachen nicht verkneifen. Patrick ist und bleibt ein Morgenmuffel.
„Zwanzig vor sieben. Es ist ein weiter Weg nach Kempten."
„Ich bin in zwanzig Minuten unten.",gibt er Hendrik zurück und schließt die Tür, nachdem auch Hendrik sich auf den Rückweg macht.

Sein Weg führt ihn geradewegs ins Bad. Er blickt in den Spiegel. Augenringe zeichnen sich unter seinen Augen ab, die man aber deutlich auf normalen Schlafmangen schieben kann. Ein seufzten verlässt seine Lippen, bevor er sich ein wenig kaltes Wasser ins Gesicht spritzt und fertig macht.

Gegen den VerstandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt