Patricia ist derweil voll und ganz in ihren eigenen Gedankengängen verloren. Laute Vorwürfe schwirren in ihr herum und finden weder den Weg nach draußen, noch irgendeinen Halt um als klarer und leiser Gedanke gefasst zu werden.
Ihr Gesicht hat sie schon längst in ihren Händen vergraben und lehnt leicht an Denis, der seinen Arm um sie gelegt hat und ihr somit den Halt versucht zu geben, den sie selbst wohl vollends verloren hat.
Jimmy stockt sofort, als er seine aufgelöste Schwester auf dem Flur sitzen sieht. Leise zieht er die Tür zu Patricks Zimmer ins Schloss und tritt langsam ein paar Schritte auf die beiden zu. Der kalte, große Flur und seine bitter weinende Schwester halten ihm die Realität vor Augen, die er für einen Moment vergessen hat. Die Realität, vor der wohl alle der Geschwister versuchen zu flüchten und doch ist diese etwas anderes als die Wirklichkeit.
„Alles gut?",bricht Denis leise die Stille, als er auf Jimmy aufmerksam wird. Dieser erwidert seinen Blick nicht, bringt aber ein leichtes nicken hervor, ehe er sich vor seine Schwester kniet.
„Hey Tricia, sieh mich bitte an."
Jimmys Worte dringen bloß flüsternd aus ihm hervor und doch weiß er, dass seine Schwester ihn klar und deutlich verstanden hat.
Patricia schüttelt lediglich den Kopf. Sie möchte Jimmy nicht reinlassen. Reinlassen in ihre Gedankenwelt, die sie gerade innerlich aufzufressen scheint.
„Tricia, I know you. It's okay."
Sanft umschließt Jimmy ihre Handgelenke und nimmt schließlich ihre Hände fest in seine, als sie den Blick zu ihrem Gesicht freigibt. Ein kalter Schauer bahnt sich seinen Weg über seinen Rücken und die Stille zwischen den beiden Geschwistern macht diesen nicht besser. Patricias Augen wirken bereits feuerrot und die dunklen Schatten unter diesen lassen vermuten wie sehr ihr die Situation doch zuzusetzen hat.
„Hey, don't cry.",flüstert Jimmy und lässt kurz ihre Hand los, um ihr die Tränen von der Wange zu streichen. Auch aus seinem Augenwinkel drücken sich kleine Tränen, die er immer wieder weg blinzelt. Er erträgt diesen Anblick seiner Schwester einfach nicht, muss aber trotzdem stark für sie sein.
„Ich lasse euch beiden mal alleine.",mischt Denis sich leise ein und nimmt seinen Arm zu sich, um mit einem letzten Blick zu Patricia aufzustehen und zu gehen. Er weiß, dass sie nicht darüber reden wird wenn er in der Nähe ist.„Beruhig dich bitte, es ist alles okay."
Patricia wendet ihren Blick ab und krallt sich ein wenig mehr in Jimmys Händen fest, ehe sie erneut schluchzt und ihr ganzer Körper erzittert.
„Jimmy.. i..ich kann das nicht.",bringt sie leise über ihre Lippen und blickt wieder zu ihrem Bruder.
„You can't? Tricia, du hast damals alles für Paddy getan, ihm geholfen. Er möchte nur mit dir reden."
Unweigerlich sammeln sich wieder mehr Tränen in ihren Augen. Damals. Damals, als sie genau in diesem Flur saß und nicht wusste, was mit ihrem Bruder nicht stimmt, was los ist. Damals, als alles auf der Kippe stand und niemand wusste wie es weiter gehen soll. Damals, als Patrick nicht mehr Leben wollte und sich immer mehr zurück zog.
„Patricia, listen to me. Wir können das nicht mit früher vergleichen. Paddy hat andere Dämonen in sich und egal wie sehr wir an der Vergangenheit hängen und wie schwer es uns mitnimmt, er ist unser Bruder. Wir sollten für ihn da sein, genau so wie damals. Er hat eine schwerere Last zu tragen."
Schweigen. Jimmy blickt zu seiner Schwester auf und streicht ihr erneut die Tränen aus dem Gesicht, während sie mit ihren Gedanken an ganz anderen Orten zu finden ist. Sie will Patrick helfen, ihn wieder lachen und rumalbern sehen.Langsam nickt sie, was Jimmy ein leichtes Lächeln auf die Lippen zaubert.
„Er möchte nur mit dir reden, alleine. Glaub mir, es kostet ihn genau so viel Überwindung wie dich auch."
Patricia seufzt und atmet tief durch, bevor sie ihre Hände von Jimmys löst und sich selbst über das Gesicht fährt. Das Gesicht, dass sie schon seit Tagen nicht mehr im Spiegel anblicken möchte.
„Ist er denn er selbst?",fragt sie leise und schaut unsicher zu Jimmy, der bloß nickt.
„Er ist vollkommen bei sich, mach dir keine Sorgen.",fügt er noch hinzu und steht aus seiner Hocke wieder auf, was seine Schwester ihm gleich tut. Ihre Hände zittern, langsam beruhigen sich ihre Tränen ein wenig und doch sieht Jimmy genau wie sie zu kämpfen hat.
„Ich warte hier."
Sie nickt und legt ihre Hand kurz auf Jimmys, die dieser auf ihre Schulter gelegt hat, bevor sie zögernd zu der Tür läuft und die Klinke mit zitternden Händen nach unten drückt. Einen letzten Blick richtet sie zu Jimmy, der ihr aufmunternd zu lächelt und sich schließlich auf den Stuhl setzt, auf dem Patricia eben noch ihren Platz gefunden hat.
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Gegen den Verstand
Fanfiction„Wenn wir uns an dem Ort treffen, an dem wir uns kennengelernt haben, du mich aber nicht siehst, tue mir bitte einen Gefallen. Lass die Vergangenheit endlich los.." Triggerwarnung: In dieser Geschichte werden Themen behandelt, die für Menschen in p...