für HadesMaedchen
Kaum hörte ich wie Isco die Haustür zuknallte, brachen bei mir alle Mauern ein. Ich ließ meinen Tränen freien Lauf, zurückhalten konnte ich sie nicht mehr. Nicht nur, dass es mich unheimlich viel Kraft gekostet hatte, Isco wohl die größte Lüge aller Zeiten aufzutischen. Ich hatte ihn damit verletzt und vermutlich für immer verloren. Die Liebe meines Lebens hasste mich und nach meinen Worten konnte ich es ihm nicht einmal verübeln. Im Grunde genommen, war es das, was ich wollte. Ich wollte, dass er mich verließ und er ein Leben ohne mich führen konnte. Irgendwann würde er schon über unsere Beziehung hinwegkommen, jemanden finden, der ihm alles geben konnte und kein kompliziertes Familienverhältnis hatte. Wenn es das war, was ich wollte, wieso fühlte es sich so grauenhaft an? Mein Herz verkrampfte sich so stark wie nie zuvor und eine unendliche Leere breitete sich in mir aus. Isco war gegangen und würde nie wiederkommen. Damit hatte ich auch einen riesigen Teil von mir selbst verloren, was mir zuvor nicht bewusst war.
Wie lange ich dort auf der Couch saß und eine Träne nach der anderen vergoss, wusste ich nicht. Es kam mir vor, als wären es Stunden, doch es konnten auch nur einige Minuten gewesen sein. Nach einiger Zeit angelte ich mein Handy aus der Hosentasche und öffnete meine Kontakte. Irgendjemanden musste ich die Wahrheit erzählen und irgendjemand musste mir einen Ratschlag geben. Heute Morgen hielt ich es für das Beste, wenn ich Isco gehen ließ und das zwischen uns vorbei war, doch nun war das Gegenteil der Fall. Der Schmerz wurde von Sekunde zu Sekunde unerträglicher. Isco war ein Teil von mir, ohne den ich nicht Leben konnte. Ich liebte und brauchte ihn. Als ich durch meine Kontakte ging, gab es für mich nur eine Möglichkeit: Toni. Wenn Isco zu jemanden gehen würde, dann zu Marco, womit er und sein Freund Brahim rausfielen. Marcelo würde wohl kaum Verständnis für mein Handeln haben und mich direkt zu Isco schicken, ihm vermutlich höchstpersönlich alles erklären, damit es keine Auswirkung auf unsere Mannschaft hatte. Da Rafaël keine Geheimnisse vor Marcelo haben konnte, blieb mir nur noch Toni, der von all meinen Freunden ohnehin der beste Zuhörer war. ,,Da ist ja wieder unser verlorener Bruder. Geht's dir gut?" ertönte sofort seine Stimme aus dem Hörer, als ich seine Nummer wählte.
,,Nein, nichts ist gut. Ich habe scheiße gebaut und alles ruiniert. Alles, was wir uns über die Jahre aufgebaut haben, ist zerstört" schluchzte ich und spürte wie mir die nächsten Tränen in die Augen stiegen. Eigentlich dachte ich, dass ich mich so weit gefasst hatte, doch dem war nicht so. Vor allem, als ich Iscos Verlobungsring auf den Boden sah, den er mir entgegengeworfen hatte.
,,Lu, beruhig dich. Was ist passiert?" erkundigte sich der Deutsche direkt besorgt und wurde hellhörig, während ich langsam den glänzenden Silberring aufhob.
,,Das ist eine lange Geschichte. Könntest du vorbeikommen? Ich weiß nicht, was ich machen soll" bat ich ihn und betrachtete den Ring. Als ich um Iscos Hand angehalten hatte, waren wir genau vier Jahre zusammen. Es war in unserem zweiten zu Hause, dem Estadio Santiago Bernabéu. Der Platz war sein liebster Ort in Madrid und wir sind uns dort zum ersten Mal begegnet, weshalb es keinen besseren Ort für einen Antrag gegeben hatte.
,,Ich bin schon auf dem Weg. Gib mir fünf Minuten" verkündete Toni, bevor wir auflegten. Seine Villa lag einige Kilometer weit weg und mit dem Auto würde man rund 10 Minuten zu uns brauchen, vorausgesetzt, man beachtete alle dreißiger Zonen.
Toni schien mit seinem schwarzen Audi R8 keine einzige beachtet zuhaben, denn bereits nach vier Minuten klingelte es an der Haustür, die ich mit einem zerbrechlichen ,,Hey" öffnete und blickte in die Augen des Deutschen.
,,Lucas..." entwich es ihm schockiert, als er mich sah und zog mich in eine feste Umarmung, ,,scheiße, war das Isco?"
,,Nein, das war er nicht. Er würde mir sowas niemals antun" stellte ich sofort klar und wusste, dass er mein blaues Auge meinte. Isco könnte nicht mal einer Fliege etwas zu Leide tun und liebte Tiere. Während der WM in Russland wanderte in einem Gruppenspiel ein kleiner Vogel auf das Spielfeld, den er behutsam hochnahm und vom Feld trug. Ich liebte seine fürsorgliche und tierliebe Art.