Kapitel 9

195 23 3
                                    

~Pov. Yoongi~
Mittlerweile war es Mittwoch und seitdem hatte ich nicht mehr mit den Anderen geschrieben oder hatte mich mit ihnen getroffen. Auf Nachrichten hatte ich nicht reagiert, da ich nicht wirklich Lust hatte zu antworten, denn seit der Übernachtung fühlte ich mich ziemlich ausgelaugt und platt. Das war aber bei mir normal und lag daran, dass ich die Anderen noch nicht lange kannte und die Übernachtung für mich psychisch wirklich anstrengend gewesen war. Vor allem mit diesem Taehyung.

Gerade war ich in meinem Zimmer und machte meine Hausaufgaben. Physik, wer hätte es gedacht? Ich versuchte mich in Physik zu verbessern, doch es wollte einfach nicht funktionieren. Vor allem nicht alleine.

Jimin konnte wirklich gut erklären, doch ich traute mich nicht wirklich zu fragen. Erstens, weil es mir generell unangenehm war Leute um Hilfe zu fragen und zweitens, weil ich mich ja schon die letzten Tage nie gemeldet hatte. Wie käme das denn, wenn ich ihn plötzlich anschrieb und fragte, ob er mir in Physik helfen könne?

Seufzend lehnte ich mich nach hinten und trank ein paar Schlücke aus meiner Wasserflasche. Ich brauchte unbedingt eine Pause von den ganzen Formeln. Wer tat sich sowas eigentlich freiwillig an? Ich beschloss ein wenig am Handy zu spielen, als es plötzlich klingelte.

Das interessierte mich aber nicht wirklich, da meine Mutter Zuhause war und auf machen konnte. Nach einigen Sekunden hörte ich auch wie meine Mutter durch die Sprechanlage mit jemanden sprach, doch die Stimme konnte ich kaum verstehen.

Eigentlich interessierte mich das nicht weiter, doch ich hörte, wie die Haustür geöffnet wurde. Verwirrt runzelte ich die Stirn und schaltete mein Handy aus, um mich auf die Stimmen konzentrieren zu können. „Guten Tag Frau Min.", hörte ich plötzlich Jimins Stimme.

Meine Augen weiteten sich. Was machte er hier? Was wollte er hier? Leicht panisch sah ich mich um. Mein Zimmer sah eigentlich ziemlich sauber aus, abgesehen von meinem nicht gemachtem Bett und meinem Schreibtisch, auf denen gerade meine Physikunterlagen waren.

„Oh hallo, Jimin oder? Was willst du denn hier?", fragte sie hörbar verwirrt und überrascht. Mir ging es nicht anders. „Ich wollte zu Yoongi und mit ihm wieder Physik lernen.", antwortete er. „Achso, stimmt er hatte erzählt, dass du ihm geholfen hast. Er ist gerade in seinem Zimmer, klopf vorher an."

„Natürlich.", sagte er und ich hörte, wie er sich die Schuhe auszog. Schnell legte ich mein Handy weg und tat so, als würde ich etwas in meinem Heft lesen. Wieso ich das tat wusste ich gerade selber nicht.

Nach kurzer Zeit klopfte es an der Tür, bevor er langsam einen kleinen Spalt öffnete und seinen Kopf hindurch steckte. „Hey. Kann ich rein?", fragte er und zögernd nickte ich. Er betrat mein Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Dann setzte er sich neben mir auf meine Couch.

„Was machst du da?", fragte er und zögernd hielt ich ihm mein Heft hin. Kurz schaute er es sich an und sah mich dann überrascht an. „Du lernst echt Physik?" Wieder nickte ich zögernd und legte mein Heft hin, war dann aber zu ihm gedreht und sah ihn an.

Kurz sah er mich an, seufzte dann aber und sagte:„Ich muss mit dir reden." Etwas nervös sah ich auf meine Hände. „Was war denn los? Wieso hast du dich nicht mehr gemeldet oder warst mit uns Basketball spielen? Wir haben uns Sorgen gemacht."

Seufzend lehnte ich mich etwas nach hinten und überlegte, wie ich ihm das am besten erklären sollte. Ich wusste selber wie dämlich das für Andere klingen konnte.

Doch die Überlegung nahm er mir ab indem er sagte:„Du kannst es mir sagen. Ich werde dir zuhören und auch nicht lachen oder so." Seufzend griff ich nach meinem Handy und wollte Notizen öffnen, da meinte er:„Du kannst es mir auch direkt über WhatsApp schreiben." Ich sah ihn kurz an, öffnete dann aber WhatsApp und fing an die Nachricht zu schreiben:

‚Mir fällt es wirklich schwer in der Gegenwart von anderen Menschen zu sein, besonders wenn sie in meinem Alter sind. Daher ist es für mich auch sehr schwer Freundschaften aufzubauen. Vor einiger Zeit hatte ich einst „Freunde", die ich jetzt aber absichtlich in Anführungszeichen setze.

Genaueres musst du nicht wissen, aber wie du dir denken kannst habe ich meine Freunde verloren durch einen Vorfall, der mich stark verändert hat. Seitdem habe ich Probleme in der Nähe von anderen Menschen zu sein und auch Probleme mich ihnen anzuschließen. Das ist mittlerweile aber ziemlich stark.

Je länger ich bei einer Person bin und je mehr Personen es sind, desto unwohler fühle ich mich. Dann werde ich immer nervöser und habe das Gefühl, dass ich schlechter Luft bekomme.

Deswegen bin ich auch am Abend neulich raus gegangen. Ich habe zwar Methoden, die mir dabei etwas helfen, doch das ist nur für einige Zeit so. Ich brauche sehr viel Zeit und Freiraum für mich, auch wenn ich dann größtenteils am Handy bin oder schlafe.

Ich weiß, dass es komisch klingt, aber so ist es leider nunmal. Ich hoffe, dass ich jetzt nicht so extremst komisch für dich bin. Trotzdem kann ich es verstehen, wenn dir sowas zu kompliziert ist und du dich von mir abwendest.'

Ohne mir den Text nochmal durchzulesen schickte ich ihn ab und sperrte mein Handy, während Jimin sein Handy aus seiner Hosentasche fischte und sich die Nachricht durchlas. Einige Minuten vergingen und ich fragte mich, wieso er so lange brauchte. Vermutlich musste er sich den Text mehrmals durchlesen, um zu realisieren, dass das wahr war.

Doch wenige Augenblicke später sah er mich dann an und meinte:„Als erstes werde ich mich jetzt sicher nicht wegen sowas einfach von dir fern halten. Das ist okay und ich finde es nicht schlimm, dass du so ein Problem mit Menschen hast. Zweitens könnten wir ja versuchen dir irgendwie zu helfen."

Verwirrt runzelte ich meine Stirn. „Fühlst du dich denn gerade unwohl?", fragte er und zögernd schüttelte ich den Kopf. „Und wie war es, als ich dir Nachhilfe gegeben habe?"

Ich überlegte kurz und merkte dann, dass ich am Anfang doch ein Problem mit Jimins Anwesenheit hatte. Das ist aber immer besser geworden und die letzten Male hatte ich mich eigentlich nie wirklich unwohl gefühlt. Das schrieb ich ihm auch.

„So, dann können wir ja versuchen es zu steigern. Also, dass wir uns öfters und auch immer länger sehen. Dann nehmen wir einen der Jungs dazu und fangen wieder langsam an und immer so weiter, bis du dich komplett gut fühlst.", schlug er vor.

Ich schwieg kurz, weswegen er schnell ergänzte:„Wir müssen das natürlich nicht machen. Nur wenn du es wirklich willst, ich will dich jetzt zu nichts drängen okay?"

Ich nickte und überlegte, doch irgendwie wusste ich nicht, ob ich es machen sollte oder nicht. „Du musst es nicht jetzt entscheiden. Du kannst es dir ja noch überlegen und 'ne Nacht drüber schlafen."

‚Kann es sein, dass du Gedanken lesen kannst.', fragte ich über WhatsApp und er musste leicht lachen. „Kann sein. Da du ja eh schon lernst kann ich dir ja helfen oder?"

Ich nickte und er fing an mir Nachhilfe zu geben. Ich versuchte auf mein Wohlbefinden zu achten und merkte, dass ich mich wirklich wohl in seiner Nähe fühlte. Am wohlsten von den Jungs. Das war aber eigentlich auch klar, da wir recht oft zusammen waren, auch wenn es nur Lernen war.

SilenceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt