28) Überlegungen

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+++Rasten+++

Die Ladenglocke bimmelte irgendwann und brachte uns auseinander. Ich konnte beim besten Willen nicht sagen, ob in der Zwischenzeit eine halbe Stunde oder ein halber Tag vergangen war.

Mara rutschte von mir weg, eine leichte Röte im Gesicht und ich glättete hastig mit den Fingern meine Haare.

"Ich bin wieder zurück", keuchte Arnoldo aus dem vorderen Teil des Ladens. Er hatte im Hafen eine neu eingetroffene Ladung Gewürze in Augenschein genommen. Kurze Zeit später schob sich seine massige Gestalt durch den Vorhang. Mit Schweiß auf der Stirn ließ er sich in einen der Sessel plumpsen und zückte sein Taschentuch.

Während er sich das Gesicht wischte, rutschte Mara unruhig hin und her. Sie schaute mich erwartungsvoll an und ich verstand.

Ich räusperte mich nervös und endlich fiel der Blick des dicken Händlers auf mich. „Was gibt es, mein junger Freund?" Er hob die Augenbrauen, mein unregelmäßiger Atem und mein pochendes Herz verrieten noch immer meine Erregung und wenn er einen Blick auf die geröteten Wangen seiner Tochter warf, würde er eins und eins zusammenzählen können.

Ich erhob mich. „Ähm... " Ich rang nach den richtigen Worten, fand aber keine.

„Rasten möchte dir etwas sagen, Vater", sprang mir Mara zu Hilfe.

„Lass hören, Hauptmann." Er verstaute das Tuch und klopfte mir anschließend mit seinen fetten Fingern auf die Schulter. Wenn er das für ermutigend hielt, so hoffte ich, dass er nicht aufgebracht sein würde, von dem was ich versuchte zu sagen. „Nur nicht so schüchtern", fuhr er fort mir Mut zuzusprechen und erreichte eigentlich nur das Gegenteil damit. Ich gab mir einen Ruck. Schließlich war ich Hauptmann der Stadtwache und hatte gerade eine wichtige Mission mit Erfolg erfüllt, da würde ich es doch schaffen, ihm diese wichtige Mitteilung zu machen.

Ich richtete mich zu meiner vollen Größe auf. Er würde nicht nur einen Hauptmann, sondern auch einen stattlichen Schwiegersohn bekommen. „Ich habe eure Tochter um ihre Hand gebeten", sprudelte ich in einem Rutsch hervor. Er sagte erst einmal nichts. Wahrscheinlich hatte er nicht verstanden, was ich ihm mitzuteilen versucht hatte.

Sein Blick wanderte von mir zu seiner Tochter und wieder zurück. „Und was hat sie geantwortet?", fragte er endlich.

Ehe ich etwas sagen konnte, vernahm ich Maras liebliche Stimme. Sie schaute ihrem Vater fest in die Augen. „Ich habe ja gesagt. Natürlich habe ich ja gesagt. Ich will ihn heiraten, Vater."

Arnoldos Miene änderte sich unmerklich. Ich kannte ihn nicht gut genug, um seinen Blick zu deuten, wohl aber um die Veränderung darin wahrzunehmen.

„Mara, denk gut darüber nach", schärfte er seiner Tochter ein. „Ich will, dass du wenigstens eine Nacht darüber schläfst, ob du ihn wirklich heiraten und den Rest deines Lebens mit ihm verbringen willst." Kaum hatte er ausgeredet, da fiel ihm seine Tochter ins Wort. „Ja Vater, das will ich. Ich bin mir sicher." Sie stand nun ebenfalls auf und legte ihren Arm um mich.

„Schon gut, mein Kind", beschwichtigte er sie. „Aber ich will, dass du bis Morgen deine Entscheidung überdenkst und wenn du dir dann immer noch so sicher bist, dann heiratet von mir aus."

„Ich bin mir heute schon sicher. Ich will ihn heiraten, Vater", verkündete Mara erneut und mein Herz schlug schneller bei ihren Worten.

„Ich werde sie gut behandeln und ihr jeden Wunsch von den Lippen ablesen", versicherte ich meinem zukünftigen Schwiegervater.

„Das will ich hoffen", entgegnete mir dieser, „und wenn es ihr Wunsch ist, dich zu heiraten, dann will ich ihr diesen Wunsch erfüllen. Sie ist mein ein und alles und ich will ihrem Glück nicht im Wege stehen. Aber sei gewarnt."

Mara löste sich von mir und schlang ihre Arme um ihren Vater. Sie hatte Mühe seine beleibte Gestalt mit ihren zierlichen, schlanken Armen zu umfassen. „Danke, Vater." Sie hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. Er seufzte und fuhr ihr über das Haar. "Irgendwann musste der Tag ja kommen. Und schließlich hätte es schlimmer kommen können. Er ist immerhin Hauptmann und hat eine großartige Karriere vor sich, wenn man dem Glauben schenken kann, was man so über ihn hört." Arnoldo nickte mir zu. „Besser du, als diesen narbengesichtigen Jungen mit dem Hinkebein."

„Vater!" Mara sah ihren Vater streng an. „Sprich nicht so über Parrik. Er ist ein lieber Junge und er kann nichts dafür, dass ihm das Schicksal so übel mitgespielt hat." Irgendwie rührte es mich, wie sie meinen besten Freund verteidigte. Mit schlechtem Gewissen erinnerte ich mich daran, dass sich Parrik ebenfalls in Mara verliebt hatte und hoffte, dass er nach wie vor mein Freund war. Ich schluckte und überlegte, wie ich Parrik am besten von meiner Verlobung mit Mara berichten konnte. Am besten ich appellierte an seine Vernunft. Ihm musste klar sein, dass sie sich für mich entscheiden würde und im besten Fall hatten sich seine Gefühle für sie längst gelegt. Er würde sich schon für mich freuen.

Parrik war noch nie zuvor in ein Mädchen verliebt gewesen, zumindest hatte er nie etwas in diese Richtung gesagt. Er wollte nicht heiraten und über diese kleine Schwärmerei für Mara, mehr war es sicherlich nicht für ihn, würde er schnell hinwegkommen - wenn er es nicht längst schon war. Er besuchte dieses Freudenmädchen im Kessel, mit der konnte er sich ablenken. Vielleicht tat ihm das gut, er war immer so still und ernst und so sehr in seine düsteren Gedanken und sein Selbstmitleid vertieft.

Maras Blick holte mich schließlich in die Gegenwart zurück und auch ihr Vater schaute mich fragend an. „Woran denkst du?", fragte mich meine Verlobte besorgt.

„An die Vorbereitungen. Und wem ich alles von unserer Verlobung berichten muss", gestand ich ihr einen Teil der Wahrheit und ließ einen anderen ungesagt.

„Es gibt viel zu tun." Arnoldo klatschte in die Hände. „Wir machen ein großes Festessen zur Feier eurer Verlobung", verkündete er. „Aber erst, wenn Mara morgen früh immer noch der Meinung ist, dass sie dich wirklich heiraten will." Seine Tochter verdrehte die Augen. „Na gut, Vater, ich werde dir morgen früh erneut sagen, dass ich ihn heiraten will."

Und um ihre Worte zu unterstreichen war ich es nun, der einen Kuss auf die Wange bekam.



Waldhafen - Narben der ZeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt