66) Bonuskapitel

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- In der Schmiede -


Eigentlich fand ich es immer schade, dass Ollf nicht mehr Platz in der Geschichte eingenommen hat. Wenigstens in dieser zusätzlichen Szene, die nie irgendwo reingepasst hat, habe ich ihm etwas Raum zugestanden. Ich will es euch nicht vorenthalten.

Die Szene spielt irgendwo im ersten Teil des Buches.

Also hier bitteschön, ein weiteres Bonuskapitelchen.

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Das rhythmische Hämmern des Schmiedehammers war mir inzwischen so vertraut wie mein eigener Herzschlag.

Ollf stand vor der Esse und formte seinen Rohling zu einer Sichel, während ich an der Werkbank an einem Stück Buchenholz arbeitete. Ich prüfte den Sitz des Griffs in meiner Hand und verzog skeptisch den Mund. Es fühlte sich noch nicht glatt an und ich ging die unebenen Stellen mit der Feile an.

Oft war ich derart in meine Arbeit vertieft, dass ich nichts mehr um mich herum wahrnahm, aber heute war es aus irgendeinem Grund anders. Eine Bewegung auf der gegenüberliegenden Straßenseite forderte meine Aufmerksamkeit. Die Tür zu Celiens Apotheke öffnete sich und Celien trat heraus. Von Quenny konnte ich durch die Scheibe nichts erkennen. Die späte Nachmittagssonne spiegelte sich darin.

Ich wendete mich wieder dem Griff für die Sicher zu, als Celiens schlanke Gestalt mit einem Korb im Arm in Richtung des unteren Marktes verschwand.

„Möchtest du sie begleiten?", durchdrang Ollfs tiefe Stimme den Raum.

Auf der Straße war nichts mehr von ihr zu sehen. „Sie ist schon weg und ich bin noch nicht damit fertig." Mit dem Daumen fuhr ich prüfend über die Vertiefung, die später den Finger Halt bieten sollte. „Es passt einfach nicht."

Ollfs Augenbrauen zogen sich zusammen. „Manchmal hilft es, wenn man eine Pause einlegt. Die Sichel wird morgen noch einen Schmiedegang brauchen." Wie um seine Worte zu unterstreichen, hämmerte er ein paar Mal gegen die halbfertige Klinge. Ich sah auf den ersten Blick, dass das Metall längst nicht mehr die richtige Temperatur zum Bearbeiten hatte. Ollf warf ein paar Scheite Holz ins Feuer und griff bereits nach der Zange, um das Werkstück erneut zu erhitzen.

Mir halb zugewandt fuhr er fort. „Ich wollte über etwas mit dir reden." Er räusperte sich. Ich schaute auf und musterte den Bär von Mann, der mich aufzog und ausbildete. Die kurzen Haare von grau durchzogen, der Bart voll und dunkel. Er war nicht mehr der Jüngste und er war nie der Gesprächigste gewesen.

„Ally und ich haben uns unterhalten", fuhr er zu den Flammen gewandt fort, als ob das eine Erklärung auf eine nie gestellte Frage wäre. Ich hob eine Augenbraue.

„Du bist kein Kind mehr, Parrik." Er warf mir einen flüchtigen Blick zu.

„Du wirst bald diese Schmiede übernehmen." Ich atmete aus, erleichtert darüber, zu wissen, wohin das Gespräch führte.

„Ally und ich hatten nie Kinder." Er räusperte sich erneut. „Wir hatten uns damit abgefunden. Und dann kamt ihr. Ein Glücksfall, für euch und für uns. Du bist für mich wie ein eigener Sohn." Verlegen schaute ich aus dem Fenster. Es war schwer zu erkennen, ob die Haut unter Ollfs Bart wegen der Hitze des Feuers oder vor Verlegenheit gerötet war. Bei meiner eigenen hingegen, wusste ich es sicher.

„Ich wüsste nicht, wem ich die Schmiede übergeben hätte, wenn du nicht wärst." Ein paar Hammerschläge unterbrachen seine Rede. Es war zu früh, die Sichel weiter zu formen und er hob sie zurück in die Flammen.

„Was ich eigentlich sagen will, Parrik." Ein kurzer Blick in meine Richtung. Ich feilte weiter. „Du solltest an deine Zukunft denken."

„Das hier ist meine Zukunft", erwiderte ich ohne aufzusehen. Ollf wusste, wie sehr ich Schmied sein wollte. „Die Arbeit gefällt mir. Ich will nichts anderes."

„Herrjeh, Parrik!" Ollf fuhr herum, das glühende Stück Eisen in der Zange. „Willst du weiterhin jeden Abend bei einer Hure verbringen?"

Ich zuckte zusammen und lief noch röter an. „Aber –", stammelte ich.

„Nein, nichts aber. Es ist deine Sache. Du bist wie ein Sohn für mich, aber du brauchst dich nicht rechtfertigen. Ein Mann hat Bedürfnisse, aber vielleicht solltest du sie bei einer Frau stillen. Bei deiner Frau?", setzte er vorsichtig hinzu.

Ich schluckte, meine Wangen glühten heißer als das Feuer in der Esse. Das Gespräch hatte eine neue Ebene erreicht.

„Ich will nicht heiraten."

„Ich verstehe deine Bedenken. Ich wollte auch nie eine Frau haben, bis ich meine Ally traf, aber wofür dann das Ganze. Was bleibt, wenn du alt bist?"

Ich zuckte die Schultern. „Soweit habe ich noch nie gedacht."

„Mensch, Junge." Ollf ließ die Zange mit dem Rohling achtlos auf die Ablage fallen und war in wenigen Schritten bei mir. Ich saß noch immer auf dem Schemel. Seine behaarte Hand legte sich auf meine Schulter und schüttelte mich. „Es ist nur gut gemeint. Du bist bald Schmiedemeister. Du solltest auf Brautschau gehen. Denk zumindest darüber nach."

„Mach ich", murmelte ich.

„Gut." Der Druck seiner Hand verließ meine Schulter, er trat zurück an die Esse. Ich hörte, wie er die glühendheiße Sichel mit der Zange griff und ins Wasserfass tauchte. Es zischte.

„Aber ich bin auch ein entstellter Krüppel mit einem lahmen Bein. Da kann ich dreimal Schmied sein. Es schreckt die Mädchen ab." Ich seufzte. „Ich will keine, die mich hasst."

Ollf schwieg. Ich feilte. Die Hammerschläge unterbrachen die Stille.

„Du solltest klug wählen", sagte Ollf schließlich zwischen zwei Schlägen.

„Viel Wahl werde ich nicht haben", murmelte ich über den Griff der Sichel gebeugt. „Wenn überhaupt."

„Eine reicht auch, Parrik." Er lachte. „Die Richtige. So eine, wie meine Ally für mich ist. Wir dachten -„ Es folgten ein paar eilige Hammerschläge, dann ein erneutes Zischen. Ich hielt die Luft an und ignorierte die Hitze im Raum.

„Wir dachten, du könntest vielleicht Celien freien", nahm er seinen Faden wieder auf. „Immerhin versteht ihr euch gut." Die Feile polterte aus meiner Hand, die Worte aus meinem Kopf. Ich stöhnte und griff eilig nach dem heruntergefallenen Werkzeug zu meinen Füßen.

„Ich denke darüber nach", nuschelte ich zwischen meinen Beinen hervor.

„Mach das, Junge." Erleichtert hörte ich Ollf aufatmen. Für den Rest des Tages arbeiteten wir schweigend weiter, mehr oder weniger auf unsere Arbeit konzentriert. Irgendwann registrierte ich, wie Celien zurückkam. Ich hielt den Blick gesenkt. Celien und ich? Vielleicht konnte ich es ihr irgendwann vorschlagen. Zumindest war es nicht völlig abwegig. Wenn ich den Mut aufbrachte und wenn sie bis dahin nicht anderweitig vergeben war.

Ich schüttelte den Kopf. Was für ein Unfug! Das würde niemals passieren.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jul 20, 2020 ⏰

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Waldhafen - Narben der ZeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt