41) Ein Versprechen

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***Celien***

„Versprechen?", hakte ich nach. „Was hat Korvin dir versprochen?"

Parrik mied meinen Blick. Es dauerte bis er sprach und ich blickte ihn neugierig von der Seite an. „Ach nichts. Nur gut auf sie aufzupassen." Er schaute immer noch in den Wald. Ich glaubte ihm nicht. Ich kannte ihn einfach zu gut.

„Das ist nicht die ganze Wahrheit. Stimmt's?", fragte ich weiter. Die Röte, die sich auf Parriks Wangen schlich, bestätigte meine Vermutung. Parrik legte seine Hände auf sein Gesicht.

„Nicht ganz", murmelte er leise zwischen seinen Handflächen hervor, „er musste mir versprechen, die Hände von ihr zu lassen." Allmählich näherten wir uns der Sache.

„Und er hat es dir versprochen?"

„Ja", antwortete Parrik und nahm seine Hände aus dem Gesicht, „und ich hoffe er hält sich auch daran!"

„Ich glaube schon", murmelte ich.  „Schließlich hat er bisher alle seine Versprechen gehalten und ich glaube, die beiden sind vernünftig. Wenn du willst, spreche ich mit Quenny darüber", schlug ich spontan vor.

Endlich schaute Parrik mich an. „Das wäre gut", erwiderte er langsam.

„Sobald sich die Gelegenheit ergibt", versprach ich.

„Wenn es bis dahin nicht schon zu spät ist." Parriks Blick glitt nachdenklich zu der Stelle, an der die beiden in den Wald verschwunden waren.

„Ach", seufzte ich und folgte seinem Blick ein wenig wehmütig. „Die beiden wollen sicher nur ein wenig alleine sein und sich ungestört unterhalten. Viel Gelegenheit hatten sie dazu nicht in letzter Zeit."

„Wenn es nur das ist", seufzte Parrik. „Ich mache mir Sorgen um ihren Ruf. Ich müsste viel strenger sein."

„Immerhin hast du sein Versprechen", erinnerte ich ihn.

Mit einem Mal ging mir etwas anderes durch den Kopf. Auch mein eigener Bruder ließ mir vieles durchgehen. Hier saß ich, völlig allein in männlicher Gesellschaft.

Machte sich Rasten ähnliche Sorgen um mich, wenn ich mit Parrik alleine unterwegs war? Hatte mein Bruder seinen Freund um ein ähnliches Versprechen gebeten? Ich schüttelte den Kopf, konnte es mir beim besten Willen nicht vorstellen.

Aber worin lag der Unterschied zwischen Parrik und mir und Korvin und Quenny? Waren wir Mädchen nicht beide jemandes Schwester und verbrachten viel Zeit in Gesellschaft eines Jungen? Machte sich mein Bruder etwa keine Sorgen um mich, um meinen Ruf und meine Zukunft?

Doch, diese Frage konnte ich sicher mit ja beantworten, aber Parrik gehörte nicht zu den Dingen in meinem Leben, um die sich mein Bruder Gedanken machte.

Und mit einem Mal fielen mir gleich eine ganze Reihe Unterschiede zwischen uns ein - leider.

Zum einen waren weder Korvin noch Quenny schüchtern, was man weder von dem hoch aufgeschossenen Jungen neben mir noch von mir selbst behaupten konnte - leider.

Zum anderen hatten sie sich nicht erst mühsam eine Freundschaft aufgebaut, sondern sich gleich wie es schien auf den ersten Blick ineinander verliebt. Sie hatten keine Zeit gehabt, um über die Konsequenzen nachzudenken. Keine Gelegenheit eine Freundschaft zu zerstören, falls der andere die Gefühle nicht erwiderte.

Und außerdem war Korvin in einem völlig anderen Umfeld aufgewachsen als Parrik. Parrik würde sich nie an ein Mädchen heranmachen, oder an mich, oder gar eine Situation ausnutzen. Nicht einmal mit Verenne hatte er.... Jetzt spürte ich wie meine Wangen rot wurden und ich machte Parriks vorherige Geste nach und verdeckte sie mit meinen Händen.

Parrik deutete meine Reaktion völlig falsch. „Du musst nicht mit ihr reden, wenn du nicht willst", bemerkte er leise.

„Nein, das ist schon in Ordnung." Ich legte meine Hände in den Schoss. „Mit Quenny kann ich darüber reden. Vielleicht ist es ganz gut, wenn jemand mit ihr spricht. Wer weiß, wie viel sie über diese Dinge weiß? Ich nehmen nicht an, dass Ally sie aufgeklärt hat?"Ich spürte, wie mein Gesicht glühte.

Parrik zuckte mit den Schultern und errötete ebenfalls.

„Aber du weißt schließlich darüber Bescheid." Manchmal war mein Mund schneller als mein Verstand. „Haben Ally oder Ollf je mit dir darüber gesprochen?" Ich konnte es mir nicht vorstellen. Ich holte tief Luft um mich zu beruhigen und atmete langsam aus. Schließlich konnten wir als erwachsene Menschen doch offen miteinander sprechen. Mit Quenny oder mit den Leuten, die ratsuchend zu mir kamen, konnte ich es doch schließlich auch.

„Nein", antwortete Parrik und schüttelte den Kopf. „Aber ich war immerhin schon fünfzehn als ich zu ihnen kam. Da weiß man schon das eine oder andere. Ich denke, für Quenny gilt das auch."

„Ich werde es herausfinden", versicherte ich ihm. Ich warf dem braunhaarigen Jungen an meiner Seite einen verstohlenen Blick zu.

„Hast du je...?" Ich brach ab, unsicher wie ich die Frage zu Ende führen und was ich ihn überhaupt fragen wollte. Ich musste endlich lernen, zuerst über meine Worte nachzudenken. Peinlich berührt starrte ich in die Flammen vor mir, die ebenso leuchtend flackerten, wie meine Wangen sich anfühlten.

„Ob ich je....", seine Wangen glühten ebenso feurig und zögerlich vervollständigte er meine Frage, „mit einem Mädchen geschlafen habe?" Er lachte. „Die Frage brauchst du nicht stellen, oder?" Er schüttelte den Kopf.

Das hatte ich ihn eigentlich auch gar nicht fragen wollen.

„Ob du je daran gedacht hast?", versuchte ich es stattdessen.

„Ja", gestand er mir zu meiner Überraschung. „Mit Verenne. Bei meinem ersten Besuch bei ihr habe ich es versucht, aber ich konnte nicht, es käme mir irgendwie falsch vor jemanden dafür zu bezahlen. Verstehst du?" Sein Blick war ebenfalls geradeaus ins Feuer gerichtet. „Und wer würde mich schon freiwillig wollen. Ich würde mich ja selbst nicht nehmen. Für mich ist das einfach nicht vorgesehen", erklärte er und mein Herz schrumpfte bei seinen ehrlichen Worten.

„Denk nicht so schlecht von dir", sagte ich und legte vorsichtig eine Hand auf seinen Arm. Wir standen uns nahe genug, dass ich dies tun konnte. Das ist deine Gelegenheit, spornte ich mich an. Sag es ihm, sag ihm, dass du ihn gerne wollen würdest. Na los, sag ihm wie du fühlst. Sag ihm einfach, dass du ihn magst.

Aber ich brachte kein Wort hervor. Nicht, wenn es darauf ankam.

Und so saßen wir eine Weile schweigend am Feuer und schauten in die Flammen, meine Hand auf seinem Arm. Bis der Moment schließlich vorüber war und ich meine Hand wegzog und wir über alles Mögliche sprachen - Quenny, Verenne, Waldhafen, die Arbeit, das Wetter - nur nicht über das, was eigentlich wichtig war.

Bis zuerst Korvin und Quenny und schließlich kurz darauf Rasten und Mara wieder auftauchten. Es war an der Zeit, zurückzukehren.

Mit den Pferden brauchten wir nicht lange für den Heimweg. Mara saß vor Rasten, Quenny vor Korvin und wie selbstverständlich hatte ich den Platz zwischen Parriks Armen eingenommen.

Aber wie sollte ich es anstellen, den leeren Platz in seinem Herzen einzunehmen?

Den Platz, nachdem ich mich so sehr sehnte.

Waldhafen - Narben der ZeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt