55) Gerede und Gerüchte

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***Quenny***

Nachdem Verenne gegangen war, verspürte ich keine Lust mehr, alleine mit meinen Gedanken und Grübeleien in der Apotheke zu bleiben und brach zu einem Besuch bei Mara auf.

Ich war nach dem Gespräch viel zu aufgekratzt, um still in Celiens Apotheke zu sitzen und freute mich auf die Abwechslung und die Bewegung, sowie auf die Gelegenheit bei diesem Besuch in Korvins Nähe zu kommen. Andererseits fürchtete ich mich davor, dass sich Maras Zustand verschlechtert haben könnte. Ich musste mir eingestehen, dass ich nicht wusste, was ich in diesem Fall tun würde.

Schnell packte ich die Dinge, die ich Mara vorbeibringen sollte, in einen von Celiens Beuteln und an der Tür drehte ich das Schild von 'offen' nach „'geschlossen', ehe ich auf die Gasse trat. Ich streckte kurz meinen Kopf zur Schmiede hinein, um Ollf mitzuteilen, wo ich hinging und wie lange ich in etwa fort sein würde. Er brummte nur etwas Unverständliches und ich winkte ihm zu, aber vermutlich bekam er das schon gar nicht mehr mit, weil er sich längst wieder seiner Esse zugewandt hatte.

Während ich die kurze Strecke bis zum Aufgang ins obere Viertel zurücklegte, musste ich daran denken, wie sehr sich mein Leben im letzten halben Jahr doch verändert hatte und wie ich hier vor ein paar Monaten zum ersten Mal ganz auf mich alleine gestellt entlanggegangen war. Soviel war seitdem in meinem Leben passiert.

Zuerst hatte Celien mir das Lesen und Schreiben beigebracht, dann hatte ich als ihre Gehilfin begonnen und kurz darauf war Korvin in mein Leben getreten und hatte alles verändert. Ich hatte mich verändert. Ich war nicht mehr das stille, schüchterne und unscheinbare Mädchen von früher. Ich lachte und ein paar vorbeieilende Marktfrauen warfen mir seltsame Blicke zu. War mir doch unwichtig. Ich fühlte mich gut. Glücklich und frei. Und ich war verliebt. Immer noch. Und es war ein schönes Gefühl.

Es durfte sich jetzt nichts in meinem Leben ändern, denn jede Veränderug würde es nur schlechter machen. Etwas anderes war gar nicht möglich. Und schon prasselten die Sorgen auf mich ein. Was würde sein, wenn Mara und dem Kind etwas zustieße? Oder Celien und meinem Bruder während des Unwetters im Wald? Das durfte einfach nicht passieren.

Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengrube legte ich den Rest des Weges zurück. Mein Herz klopfte, als ich den Laden betrat.

Die fremden und ungewohnten Gerüche der Gewürze stiegen mir in die Nase und ich unterdrückte ein Niesen. Ein paar der gemahlenen Kräuter und Pulver verwendete Ally in der Küche, aber ich kannte längst nicht alle von ihnen.

Arnoldo stand hinter der Theke und bediente eine Dame mit kunstvoll aufgesteckter Haarpracht und ausladenden Röcken in glänzendem Stoff. Eine der Frauen aus dem oberen Viertel, die mir immer ein wenig Ehrfurcht einflößten, weil sie so anders wirkten als Ally, Celien oder ich mit unseren einfache Kleidern, die es uns erlaubten, alltäglichen Dingen nachzugehen. Mit diesem Ungetüm von Kleid konnte sie in keiner Küche stehen oder Tinkturen in einer Apotheke anrühren. Ich blieb stehen und rümpfte die Nase. Ein Duft von Parfum schlug mir entgegen und bekräftigte meine Vermutung.

„Ah Quinny", begrüßte mich der Händler flüchtig und schon war seine Aufmerksamkeit wieder bei seiner offenbar wohlhabenden Kundin.

Ich unterließ es, ihn zu verbessern. Hatte ich doch längst die Hoffnung aufgegeben, dass er sich meinen Namen merken würde. Dazu war ich nicht wichtig genug.

„Aroldo", entgegnete ich zum Gruß und unterdrückte ein Kichern. Was er konnte, konnte ich auch. Er ignorierte es ebenfalls. Die Frau war gerade damit beschäftigt, ihr feines Näschen in einem Beutel zu versenken und eine Kostprobe des Inhalts zu erschnuppern.

Waldhafen - Narben der ZeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt