23) Vereinte Sorgen

72 14 0
                                    


***Celien***

Und wieder einmal war ich so sehr in das Herstellen einer Rezeptur vertieft, dass ich nicht hörte, wie jemand den Raum betrat. Erst als sich Rasten hinter mir laut räusperte, nahm ich ihn wahr.

„Wo bist du gewesen?" Seine Stimme klang vorwurfsvoll. „Weißt du nicht, was für Sorgen ich mir gemacht habe?"

„Quenny ist krank", erklärte ich ihm, ohne meine Arbeit zu unterbrechen. „Sie hat Fleckenfieber. Ich war im Kiefernwald, Pilze und Flechten für einen Heilsaft holen."

„Alleine?", fragte er ungläubig. Rasten war immer noch nicht besänftigt. „Du hättest auf mich warten oder mir wenigstens eine Nachricht da lassen können. Dann wäre ich gekommen. Da draußen ist es für dich alleine viel zu gefährlich!", warf er mir vor.

„Beruhige dich. Ich war nicht alleine. Parrik hat mich begleitet", beschwichtigte ich ihn. Mein lieber Bruder konnte so schnell aufgebracht sein, wenn es um mich ging.

Unsere Entdeckung am Leuchtturm fiel mir wieder ein. „Wusstest du, dass im alten Leuchtturm wieder Leute wohnen?"

„Nein", antwortet er. „Ihr wart am Leuchtturm?" Manchmal war er auch noch schwer von Begriff und stellte überflüssige Fragen. Eine Begleiterscheinung seines Berufes, alles ganz genau wissen zu wollen.

„Ja und dort brannte ein Feuer. Irgendwer haust offensichtlich dort oben", erklärte ich ihm zum wiederholten Male. „Bist du sicher?", fragte er erneut.

„Ja!" Langsam war ich genervt. „Aber falls du mir nicht glaubst, kannst du ja Parrik fragen. Er hat es auch gesehen." Als er den Namen seines Freundes hörte, verzog er sein Gesicht. Achja, die beiden Konkurrenten um Mara waren ja gerade nicht allzu gut aufeinander zu sprechen. Beinahe hatte ich in meiner Sorge um Quenny Mara völlig vergessen. Aber eben leider nur beinahe.

„Schon gut. Der Sache sollten wir auf den Grund gehen. Celien, ich gehe zurück zur Stadtwache. Am besten reiten wir sofort los und sehen uns das an." Er war bereits an der Tür. „Wir sehen uns dann morgen", rief er mir zu, bevor er ganz nach draußen verschwand und die Tür hinter ihm ins Schloss fiel.

Kurz darauf war ich mit Quennys Heilmittel fertig und machte mich ebenfalls auf den Weg.

Ally und Parrik erwarteten mich bereits sehnsüchtig. Schnell betrat ich Quennys Schlafgemach. Ihr Zustand hatte sich noch verschlechtert. Das Fieber war trotz Allys Bemühen nicht gesunken. Die roten Flecken hatten sich weiter auf Hals, Brust und Rücken ausgebreitet und sie hatte kaum getrunken. Quenny wirkte schwach und erschöpft. Sie dämmerte und fieberte vor sich hin.

Ich setzte mich zu ihr und holte das Fläschchen hervor.

„Halt nicht!", schrie sie laut und verzweifelt. Ich erschrak vor ihrem unerwarteten Ausbruch und hielt inne.

„Lauf nicht weg!" Quenny fuchtelte wild mit den Armen, als wollte sie jemanden festhalten. „Bitte bleib stehen. Ich tu dir nichts." Ihre Stimme klang flehend.

„Ich verrate auch niemand davon", bettelte sie weiter und ihre Arme ruderten ein letztes Mal durch die Luft, ehe sie dann erschöpft auf die Decke sanken.

„Bitte!" Ihre Stimme klang leise und eindringlich. „Ich weiß doch noch nicht einmal wie du heißt." Sie drehte sich um, wandte sich hin und her. Ich fasste an ihre Stirn. Quenny glühte vor Fieber. „Sie ist im Fieberwahn", erklärte ich Ally und Parrik.

Ich drehte ihr Gesicht zu mir und tröpfelte ihr etwas von der Medizin in den Rachen. Ein paar Tropfen liefen über ihr Kinn, aber dann schluckte sie endlich. Ich hoffte, dass es genug war. Es musste einfach wirken. Sonst konnte ich wirklich nichts mehr für sie tun. Jetzt hieß es abwarten, bangen und hoffen.

„Versuch ihr jede Stunde etwas davon einzuflößen", befahl ich Ally. Sie nickte.

In der Diele trat Parrik zu mir. „Danke", flüsterte er und bevor ich etwas erwidern konnte, hatte er mich in seine Arme gezogen. „Danke Celien", flüsterte er leise in mein Haar. Seine plötzliche Nähe machte mich völlig sprachlos und ich schaute ihn nur stumm an, als er mich wieder losließ. Dann drehte ich mich um und ging die Treppe hinunter, ohne ein weiteres Wort zu sagen. Überfordert und erschöpft von den Ereignissen des Tages und von Parriks plötzlichem Gefühlsausbruch.

Mit wirbelnden Gedanken im Kopf lief ich schnell die paar Schritte zum Haus der Wäscherin und klopfte. Auch der kleinen Clauda ging es noch schlechter als am Nachmittag. Ich zeigte ihrer Mutter, wie sie ihr die Medizin verabreichen sollte und wies sie ebenfalls an, es stündlich zu wiederholen. Ich versprach ihr, am nächsten Tag erneut vorbeizukommen und sie bedankte sich. Zum Glück fiel sie mir dabei nicht auch noch um den Hals. Ich war immer noch ziemlich durcheinander, was Parrik und meine Gefühle für ihn betraf. Ich liebte ihn, er liebte Mara. Aber die Sorge um Quenny hatte uns an diesem Abend zusammengebracht. Alles andere war unwichtig, zuerst musste seine Schwester wieder gesund werden. Dann konnte ich weitersehen.

Erschöpft fiel ich schließlich in mein eigenes, schmales Bett, aber der Morgen dämmerte bereits, als mich endlich der Schlaf übermannte. Zu viel war an diesem Tag passiert und ich hoffte, dass der nächste Tag gute Nachrichten und etwas weniger Aufregung mit sich bringen würde.

Waldhafen - Narben der ZeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt