16) Fortschritt und Verzweiflung

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***Celien***

Meine geheime Mission, die ich in Gedanken „Parrik näher kommen" nannte, kam gut voran. Brav hatte ich die Ratschläge von Verenne umgesetzt, so gut ich konnte, beziehungsweise so gut ich mich eben traute.

„Wenn du ihn nicht küssen willst, dann musst du ihn wenigstens berühren. Versuche, ihm nahe zu kommen. Mache ihm Komplimente. Er muss kapieren, dass du ihn magst. Vielleicht schaffst du es sogar, dass er sich in dich verliebt." Verständnislos hatte ich Verenne angeschaut. „Das hört sich so leicht an, wenn du es sagst."

„Ist es auch", hatte sie gesagt und gelacht. Ich war gerade dabei gewesen, ihr meine Heilsalbe auf die Wunde zu schmieren und ihr zu versichern, dass es keine schlimme Narbe geben würde. Sie glaubte mir genauso wenig, wie ich ihr glaubte, dass es leicht sei, Parriks Gefühle für mich zu wecken.

Aber wie soll ich das anstellen?" Als ob ich eine Ahnung hatte, wie man Männern schöne Augen machte oder sie gar verführte. Selbst wenn ich mich trauen würde, ich wüsste nicht wie.

Hör mal zu", hatte sie geflüstert und mir ihren Plan erläutert. Wie immer hörte es sich einfach an, wenn sie es sagte. „Nimm seinen Arm. Vielleicht kannst du sogar seine Hand halten?" Das hatte ich mich nicht getraut. „Frag ihn irgendetwas Persönliches und finde einen Vorwand, um ihn wieder zu sehen." Das hatte ich doch ganz gut umgesetzt, fand ich.

Es war wirklich schön gewesen, Arm in Arm mit Parrik nachhause zu laufen. Und mit dem Gedanken daran, dass ich ihn morgen schon wieder sehen würde, schlief ich schließlich mit einem Lächeln auf dem Gesicht ein.

Der Vormittag in der Apotheke zog sich unendlich lange hin. Ein paar Leute holten Bestellungen ab, ein paar kamen und fragten nach verschiedenen Arzneien. Das meiste davon waren die üblichen Dinge, die ich auf Vorrat hatte und so war ich schnell fertig damit, die übrigen Arzneien herzustellen. Den Großteil der Zeit verbrachte ich in meinem kleinen Kräutergarten. Ich zupfte Unkraut aus, erntete ein paar Blüten und Blätter, die ich zum Trocknen auslegte, goss die jungen Triebe und saß einfach da und ließ mir die Sonne ins Gesicht scheinen. Etwas, das ich viel zu selten tat.

So fand mich Parrik schließlich vor. „Nichts zu tun heute?", fragt er mich gut gelaunt und ich öffnete meine Augen und blinzelte ihn an. „Nein, nicht wirklich. Du?"

„Auch nicht wirklich. Ollf kommt den restlichen Tag gut ohne mich zurecht. Zurzeit machen wir nur ein paar Einzelstücke. Keine große Bestellung." Er streckte mir seine Hand hin. „Sollen wir los?" Ich nahm seine angebotene Hand und er zog mich hoch. Seine Hand war kräftig und warm. Ich konnte sogar die Schwielen von der Arbeit in der Schmiede spüren. Die Umsetzung von Verennes Plan machte große Fortschritte. Körperkontakt war Körperkontakt.

Im Laden schnappte ich mir meinen Beutel mit Geld und die Liste, auf der ich notiert hatte, welche Gewürze bald zur Neige gingen. An der Tür drehte ich das Schild von „offen" auf „geschlossen". Es wurde Zeit, dass ich endlich eine Aushilfe für den Laden fand. Ich erinnerte mich daran, wie ich früher voller Stolz hinter der Theke gestanden und Kunden bedient oder Bestellungen aufgenommen hatte, während meine Mutter Arzneien auslieferte oder Patienten besuchte.

Die Leute, dich mich kannten, und häufiger bei mir einkauften, wussten, dass man mich am besten am frühen Vormittag im Laden antraf.

Ich beäugte die Liste in meiner Hand. Eigentlich brauchte ich sie gar nicht. Nachdem ich mir aufgeschrieben hatte, was ich besorgen wollte, hatte ich die Sachen meistens sowieso im Kopf. Das Papier diente nur der Sicherheit. Ich bemerkte Parriks fragenden Blick. „Was hast du da aufgeschrieben? Das Passwort fürs obere Viertel?" Er scherzte.

Waldhafen - Narben der ZeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt