59) Verwirrung

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Das Tageslicht nahm den Zauber der Nacht fort, nicht aber meine Verwirrung.

Was war das gewesen zwischen uns?

Es hatte mir gefallen, keine Frage und Celien? Sie wirkte friedlich, wie sie so vor den Resten des Feuers lag und schlief. Aber mir stand kein Recht zu, so mit ihr zu verkehren und ich schämte mich meiner körperlichen Reaktion. Ich rutschte von ihr ab, atmete tief durch und begann damit, alles für unseren baldigen Aufbruch vorzubereiten. Noch ein paar Stunden zu Pferd und wir würden das Stadttor erreichen. Mara bekäme ihre Arzneien und alles wäre gut.

Bald schon regte sich Celien und setzte sich auf. Eine verirrte Haarsträhne hing ihr ins Gesicht, aber sie mied meinen Blick. Ich unterdrückte den Impuls, sie ihr wegzustreichen. Verunsichert begann ich damit, die Felldecken auszuschütteln und aufzurollen. Ich warf ihr verstohlene Blicke zu, wartete darauf, dass sie etwas sagte, aber sie schwieg.

Ein paar Mal räusperte ich mich, aber auch mir fehlten die Worte.

Schließlich teilten wir den letzten Proviant ohne ein Wort zu wechseln, ein hartes Stück Brot, Apfel und Käse, und machten uns auf.

Wenigstens füllte das Geräusch der Hufe auf dem Untergrund die Stille zwischen uns aus. Sie ritt schweigend vor mir. Sollte ich etwas sagen? Ein Gespräch über das Wetter beginnen? Mich erkundigen, wie ihr die Küsse gefallen hatten? Es erschien mir sinnlos. Und so belanglos.

Wieso sagte sie nichts?

Wartete sie auf eine Entschuldigung von mir?

Ich war zu weit gegangen. Aber ich hatte nicht damit angefangen. Es war nun einmal passiert und ließ sich nicht mehr rückgängig machen. Am besten wäre es vermutlich, wenn ich ebenfalls schwieg und versuchte, die Angelegenheit zu vergessen. Nur mit Mühe unterdrückte ich ein Seufzen.

Bald wären wir wieder zuhause, konnten uns aus dem Weg gehen und so weitermachen wie bisher. Zumindest hoffte ich es.

Ich konnte ihr nicht in die Augen sehen. Und auch sie mied meinen Blick.

Bei diesem Gedanken musste ich beinahe lachen. Für gewöhnlich war ich froh, wenn die Leute mich nicht anschauten und jetzt sehnte ich mich auf einmal danach.

Es ist nicht so schlimm, wie du denkst. Ihre Finger waren so liebevoll über meine Haut gefahren, dass es auch jetzt noch einen Schauer auslöste. In der Nacht hatte ich ihren Worten beinahe Glauben geschenkt, aber es stimmte nicht.

Ich musste es vergessen, zwang mich, an etwas anderes zu denken.

Die Stunden streckten sich in die Länge, bis wir am späten Nachmittag endlich das Stadttor passierten. Erschöpft, durcheinander. Die Pferde schlammbedeckt und struppig, nicht minder müde als ihre Reiter. Schweigend suchten wir uns einen Weg über die Gassen. Ich bemerkte die zahlreichen Blicke, die uns folgten, nahm auch das Getuschel der Leute wahr, aber ich achtete nicht weiter darauf. Ich war es gewohnt. Waldhafen lebte vom Tratsch und Klatsch. Je schneller wir den letzten Abschnitt hinter uns brachten, desto besser.

Ich spürte, dass auch Celien keinen Augenblick länger in meiner Gesellschaft verbringen wollte. Sie rieb ihre Stute ab, ohne die sonstige Sorgfältigkeit und versorgte sie mit Wasser und Hafer, ehe sie ihr Gepäck auflud. Ich schulterte meines und folgte ihr schweigend. Der Weg war nicht mehr weit. Beinahe rutschte mir ein Wort der Entschuldigung über die Lippen, aber im letzten Moment schluckte ich es herunter. Das brachte uns jetzt auch nicht weiter. Es war geschehen, besser wir beließen es dabei.

Die Tür zur Werkstatt schloss sich wie ein Zufluchtsort hinter mir. Endlich in meinem Reich, wo mich der vertraute Geruch nach Glut und Metall empfing. Wie gut war Ollf ohne mich vorangekommen? In meinem Bereich hatte sich nichts verändert, Ollfs Arbeitsplatz war verlassen. Die Kohlen in der Essen schwelten noch. Lange war er noch nicht fort.

Den Schmerz in meinem Bein ignorierend so gut es ging, schleppte ich mich die Stufen nach oben. Zeit, um herauszufinden, was sich in der Zwischenzeit im Städtchen ereignet hatte. Mit meiner Schwester, die hoffentlich keine Dummheiten angestellt und mit Mara, die hoffentlich durchgehalten hatte. Ich fühlte mich, als wäre ich Ewigkeiten fort gewesen.

Nichts war mehr wie gewohnt. Alles hatte sich verändert.

Waldhafen - Narben der ZeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt