45) Mit wachsender Sorge

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***Celien***


„Sie soll sich ausruhen und die Beine hochlegen", wies ich meinen Bruder zum wiederholten Male an. „Gib ihr den Tee zu trinken, das sollte gegen die Übelkeit helfen und außerdem braucht sie viel Flüssigkeit."

Rasten folgte meinen Anweisungen und setzte sich mit dem dampfenden Sud auf die Bettkante. Liebevoll wischte er Mara eine verirrte Strähne aus dem Gesicht. „Trink das und alles wird gut, Liebes."

Mara richtete sich mit seiner Hilfe auf und schluckte ein wenig von der Flüssigkeit. Die folgenden Wochen der Schwangerschaft hatten ihr sehr zugesetzt. Ich musterte sie besorgt. Sie war schwach, schlapp und abgemagert, obwohl ihr Bauch allmählich begann sich zu wölben. Nicht nur Rasten und Arnoldo, sondern auch ich machte mir große Sorgen um sie.

„Ich tue alles, was in meiner Macht steht", versicherte ich mehr meinem Bruder als seiner Gemahlin. Aber bisher hatte keiner meiner Versuche viel geholfen und ich war ratlos. Selbst der Tee, den ich ihr gegen die Übelkei aufgoss, zeigte kaum Wirkung. Es war zum Verzweifeln und es war ernst.

„Steht denn gar nichts in Großmutters Buch?" Der hilflose Blick in Rastens blauen Augen ließ auch bei mir ein flaues Gefühl im Magen aufkommen.

„Es gibt ein Kapitel über die Leiden einer werdenden Mutter und wie man sie behandelt, auch eines über Frauenleiden im Allgemeinen. Ich habe beide in den letzten Wochen so oft gelesen, dass ich sie auswendig aufsagen kann."

„Wird etwas davon Mara helfen?", frage er leise und strich seiner Liebsten über die Haare. Sie hatte sich zurück auf das Kissen sinken lassen und die Lider geschlossen. Ihre Haut wirkte blass und die feinen Äderchen unter ihren Augen traten bläulich hervor. Ich schluckte.

„Die Schwierigkeit besteht darin, die richtigen Heilpflanzen auszuwählen und die passende Dosis zu erwischen", erklärte ich und merkte, dass Rasten mir nicht folgen konnte. „Zu viel bei einer Schwangeren ist riskant, zu wenig würde nicht die gewünschte Wirkung bringen." Ich seufzte. Neben fast jeder Rezeptur hatte meine Großmutter daher Warnhinweise vermerkt und es gab eine Reihe weiterer Einträge, die gegen auftretende Nebenwirkungen helfen sollten.

Gab man einer werdenden Mutter etwas gegen geschwollene Beine konnte das zum Beispiel Übelkeit nach sich ziehen, und das wollte ich bei Mara, die ohnehin schon damit zu kämpfen hatte und kaum etwas bei sich behielt, unbedingt vermeiden.

Mara öffnete ihre Augen und flüsterte etwas, das mir das Blut in den Adern gefrieren ließ. „Aber du wirst das Kind retten können, oder?"

„Quenny, Parrik und ich gehen in den Wald", erklärte ich und versuchte alle Entschlossenheit und Zuversicht in meine Stimme zu legen, die ich aufbringen konnte. „Rasten bleibt bei dir. Ich bin bald zurück und dann habe ich etwas, das dir hilft." Hoffentlich. Ich war mir nicht sicher. So Vieles hatte ich schon versucht, ohne dass es ihr Besserung verschafft hatte.

„Pass auf dich auf, ruh dich aus", verabschiedete ich mich und drückte ein letztes Mal ihre Hand, bevor ich mich mit einer kurzen Umarmung und ein paar gewisperten Anweisungen von meinem Bruder verabschiedete. Wir hatten keine Zeit zu verlieren. Mit eiligen Schritten verließ ich ihr Haus und eilte durch das obere Viertel hinunter zum Tor und durch die Gassen auf direktem Weg zu den Ställen, wo Quenny bereits mit Parriks Hilfe die Pferde gesattelt und ihnen meine Taschen aufgeladen hatte.

„Da bist du ja endlich", hieß sie mich willkommen, kaum dass ich angekommen war. Parrik brummte einen wortlosen Gruß, bevor wir aufstiegen und uns auf den Weg machten.

Auf den Straßen war zu dieser Tageszeit viel los und wir mussten unzähligen Kaufleuten und Hausfrauen mit ihren Körben ausweichen. Der Markt war in vollem Gange, so dass wir hintereinander reiten mussten und nur langsam vorankamen.

Waldhafen - Narben der ZeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt