27) Eine wichtige Frage

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+++ Rasten +++


Kommandant Morten hob die Augenbrauen. "Aus einem Dorf südlich der Nordberge?" Der Mann mit dem gekräuselten Bart und der roten Nase setzte zu einer Antwort an, wurde aber jäh unterbrochen. "Deine Version der Geschichte kenne ich jetzt. Schweig!"

"Du da! Rede!" Er baute sich breit vor dem schmächtigen Blondschopf mit den wasserblauen Augen auf. Der rutschte noch ein wenig auf seinem ungepolsterten Anklagestuhl zurück.

"Ein kleines Dorf und die Ernte war schlecht", bestätigte er die Aussage seines Vorredners.

"Und warum wolltet ihr dann im Leuchtturm hausen und nicht in der Stadt nach Arbeit fragen, wie es angeblich euer Vorhaben war?"

Der Blonde zögerte, warf einen fragenden Blick in Richtung seines Mitangeklagten.

"Wollten wir ja. Wollten wir wirklich."

"Warum habt ihr es nicht getan?" Kommandant Morten war ein stattlicher Mann Mitte fünfzig mit eisgrauen Augen, ergrautem Haar und schneidender Stimme, die jetzt durch den großen Saal peitschte.

"Wir hatten es vor, bald. Aber wir waren alle so erschöpft von der Reise." Der kleinste unter den Fremden sank noch weiter in sich zusammen, wurde aber durch ein Klopfen an der Tür von weiteren Fragen verschont.

Ein Gehilfe ließ Uls eintreten. Ich sah sofort an seinem Gesicht, dass ihre Suche nicht von Erfolg gekrönt war. Hinter Uls traten die anderen vier Wachsoldaten meines Kommandos der Reihe nach in den Saal.

Uls trat vor Morten und schüttelte den Kopf. "Nicht den Hauch einer Spur." Er schaute zu mir und ich konnte den Ausdruck von Bedauern darin erkennen. "Wie vom Erdboden verschluckt."

Ich erhob mich von meiner Bank. Meine Aussage war längst getätigt und ich hatte das Geschehen still verfolgt. "Kommandant", bat ich um Aufmerksamkeit. "Darf ich erneut mit einigen Männern ausreiten?"

Es ärgerte mich, dass sie den Jungen nicht gefunden hatten, denn damit war meine erste Mission nicht vollständig erfolgreich abgeschlossen. Außerdem war ich enttäuscht. Ich hatte fest damit gerechnet, dass meine Männern einen davongelaufenen Bengel ausfindig machen würden. Aber vermutlich hätte ich von Anfang an selbst mitreiten sollen, die Aussage und die Übergabe der Gefangenen wären mir nicht davongelaufen. Ärger kochte in mir hoch, über die Unfähigkeit meiner Reiter und über meinen eigenen falschen Entschluss.

"Wir schicken keine weiteren Reiter aus. Der Junge kann sonst wo stecken." Ich hob den Kopf und setzte zu einer Antwort an, wurde aber ebenso unterbrochen wie der Anführer der Bande vor mir.

"Nein Hauptmann. Wir finden den Ausreißer schon früher oder später. Ein Junge allein im Wald kann nicht lange überleben. Wir warten ab, bis er sich freiwillig hier einfindet. Dann wird er hungrig und erschöpft sein. Das wird keine Woche dauern und dann haben wir unsere Antworten."

Ich nickte, war aber immer noch unzufrieden und innerlich aufgewühlt. Der Kommandant wandte sich einigen Wachmännern zu. "Solange dürfen unsere Gäste die Zeit in ihren Verliesen verbringen und sich weiterhin von ihrer anstrengenden Reise erholen. Alleine und über die wahre Geschichte ihres Aufenthalts im alten Leuchtturm nachdenken. Vielleicht fällt ihnen dann auch etwas zum Verbleib der gestohlenen Goldmünzen ein. Führt sie ab!"

Fünf Stadtwachen erhoben sich und begleiteten die Verhörten hinaus.

Morten wandte sich an mich, kaum das die Tür hinter dem Letzten ins Schloss gefallen war. "Hauptmann Rasten, auf Euch wartet eine andere Aufgabe. Teilt Patrouillen zu je zwei Reitern ein, die den Wald rund um den Leuchtturm regelmäßig durchkämmen. Und wir lassen die Mauer weiterhin bemannt und halten die Fensterwache bei Arnoldo, sollte der Junge noch einmal versuchen, durch den Geheimtunnel zu kommen."

Waldhafen - Narben der ZeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt