21) Das Fieber

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***Celien***

Kaum dass ich etwas gefunden hatte, worauf ich mich freute, kam schon wieder alles anders.

An Stelle von Quenny mit ihrem vergnügten Lachen, betrat Parrik am Morgen mit ernster Miene meine Apotheke. Ich erkannte sofort an seinem Blick, dass etwas nicht stimmte.

„Quenny ist krank", sagte er, ohne mich auch nur zu begrüßen. „Kannst du mitkommen?"

„Was hat sie denn?" Die Verwunderung musste mir ins Gesicht geschrieben stehen. „Gestern ging es ihr doch gut."

Sie hatte viel gelacht und wir hatten gescherzt wie sonst auch. Stolz hatte sie mir eines ihrer neuen Kleider vorgeführt, das sie zusammen mit Ally genäht hatte. Sie hatte gute Fortschritte beim Lesen- und Schreibenlernen und auch bei der Zubereitung verschiedener Rezepte gemacht, welche ich ihr gezeigt hatte. Krank hatte sie wirklich nicht gewirkt. Aber ich wusste am allerbesten wie schnell sich dies ändern konnte und so folgte ich Parrik eilig nach nebenan.

„Sie hat hohes Fieber und fühlt sich sehr schwach", erklärte er beim Hinausgehen.

In der Schmiedestube angekommen, fand ich Quenny auf einer schmalen Pritsche in ihrer kleinen Dachkammer vor. Es fiel ihr schwer, sich aufzurichten, als ich das Zimmer betrat. Sie war blass, aber ihr schmaler Körper glühte.

Ich fühlte ihren Puls. Er war viel zu schwach. „Wie geht es dir, Quenny?", fragte ich sie.

„Mir tut alles weh. Kannst du mir helfen?", antwortete sie mit weinerlicher Stimme.

„Das weißt du doch", versuchte ich sie zu beruhigen. „Ich mache dir einen Tee."

„Du musst viel trinken und dich ausruhen", wies ich sie an.

„Aber es tut weh." Sie machte eine Pause. „Beim Reden und Schlucken", fügte sie leise wimmernd hinzu.

„Zeig mir mal deinen Mund", forderte ich sie auf. Ihr Rachen war gerötet und stark geschwollen. Das sah nicht nach einem einfachen Fieber aus. Ich hoffte, sie hatte sich nichts Schlimmes eingefangen. „Ich mache dir noch etwas, womit du gurgeln kannst, damit die Schmerzen weggehen", versprach ich ihr.

Parrik und Ally hatten die ganze Zeit während meiner Untersuchung in der Tür gestanden und gewartet. Sie schauten mich besorgt an. „Danke Celien", sagte Ally. „Es ist doch nichts Ernstes?"

„Du kannst doch etwas für sie tun, oder?", wollte Parrik wissen.

Ich versicherte den beiden, dass ich mein Bestes versuchen würde, um ihr schnell zu helfen. Ich hoffte, dass die Behandlung anschlug. „Sie braucht Ruhe. Und viel Flüssigkeit. Vielleicht kannst du ihr eine heiße Brühe zubereiten", schlug ich Ally vor. Sie benötigte etwas zu tun und das Gefühl, Quenny damit zu helfen. Beides war viel besser, als untätig herumzusitzen und sich Sorgen zu machen.

Parrik begleitete mich hinunter, um seiner Arbeit in der Schmiede nachzugehen. Ally würde er doch nicht helfen können und ihr nur im Weg herumstehen. Bei Ollf war er eindeutig besser aufgehoben. Er nickte mir zum Abschied zu und bedankte sich erneut.

Ohne seine Worte zu erwidern, ging ich hinüber in mein kleines Reich und begann mit der Zubereitung von Quennys Medizin. Ich wollte keine Zeit mit unnötiger Konversation verlieren.

Hoffentlich hatte sie sich nichts Ernstes eingefangen. Im Kopf ging ich die Beschwerden der Patienten durch, die wir in den letzten Tagen bedient hatten. Hatte eine Wäscherin nicht ähnliche Symptome beschrieben, als sie nach etwas für ihre Tochter fragte?

Quenny war kaum abgehärtet und nie viel in Kontakt mit anderen gewesen. Sich anzustecken fiel da nicht schwer. Ich beschloss, später bei der Waschfrau vorbeizugehen und nach ihrer kranken Tochter zu sehen. Wenn ich schon dabei war, konnte ich auch für sie ein wenig von dem Tee zubereiten.

Keine Stunde später war ich erneut bei Quenny. Ally saß auf ihrem Bett und versuchte ihr heiße Brühe einzuflößen. Quenny hatte sichtlich Mühe, etwas davon zu schlucken. Ich befühlte ihre Stirn. Das Fieber war gestiegen.

„Kannst du ihr kühle Wickel machen?", bat ich Ally. Sie stellte die Suppenschüssel auf den kleinen Nachttisch und ging nach draußen.

Ich nahm Quennys Becher vom Nachttisch und füllte etwas von der Lösung hinein. „Gurgel damit", forderte ich sie auf. „Versuch es nicht zu schlucken. Es ist bitter", warnte ich sie. Ich half Quenny sich weit genug aufzurichten und sie nahm einen Schluck in den Mund, gurgelte und spuckte den Rest wieder zurück in den Becher. „Das machst du jetzt jede halbe Stunde", erklärte ich ihr streng. „Bis es dir besser geht." Sie nickte schwach und sank zurück in ihre Kissen.

Ich stellte das Fläschchen auf ihren Tisch.

„Ich gehe in die Küche und helfe Ally." Ich zeigte auf einen Beutel mit getrockneten Blättern. „Ich habe einen Kräutertee für dich gemacht." Quenny nickte wieder kaum wahrnehmbar. Schweißperlen standen ihr auf der Stirn. Ihre Augen waren geschlossen und sie dämmerte bereits weg.

Ally goss gerade frisches Wasser aus einem Krug über ein paar weiße Leinentücher. „Hast du heißes Wasser für einen Teeaufguss?", fragte ich sie und sie deutete auf einen Kessel auf dem Herd.

Kurze Zeit später verabschiedete ich mich wieder und Ally machte Quenny kalte Wickel und versuchte ihr Bestes, ihr wenigstens ein paar Löffelchen von dem Tee einzuflößen.

„Hol mich, wenn sich ihr Zustand verschlechtert", verlangte ich von Ally und ging wieder hinüber zu meiner Apotheke.

Ruhelos und besorgt hielt ich es eine halbe Stunde dort aus, bevor ich ein paar Kräuter in ein kleines Säckchen abfüllte und mich auf den Weg zu der Wäscherin und ihrer Tochter machte. Sie wohnte nur ein paar Gässchen entfernt und sie hatte mir schon einige Male die Wäsche erledigt als Gegenleistung für meine Dienste.

Die Frau war sehr erleichtert mich zu sehen. „Erst vor einer Stunde habe ich dich aufgesucht, aber du warst nicht da", berichtete sie mir. „Meiner Clauda geht es schlecht. Sie kann kaum trinken und das Fieber wird immer höher." Sie klang sehr besorgt.

Sie führte mich zu ihrer Tochter, die blass und schlapp auf einer mit Stroh bedeckten Pritsche in einem dunklen, kleinen Zimmer lag. Sie glühte wie Feuer und ich wies die Frau an, ihr sofort kühle Wickel zu machen. Das Fieber musste schnell gesenkt werden. Während sie nach draußen zum Brunnen eilte, schürte ich Holz am Ofen nach und kochte Wasser für den Tee auf. Es war wichtig, dass sie etwas Flüssigkeit zu sich nahm.

Ich brühte den Tee und flößte ihr vorsichtig löffelweise ein wenig davon ein. Schlucken tat ihr weh und ihre Lymphknoten waren stark geschwollen. Auf ihrem Hals und Dekolleté hatten sich rote Flecken ausgebreitet. Das war kein harmloses Fieber. Das war etwas anderes und es bereitete mir große Sorgen.

Ich gab ihrer Mutter noch einige Anweisungen und versprach bald wieder vorbeizukommen. Fürs Erste konnte ich nichts mehr für sie tun. Ich würde in dem schlauen Buch meiner Großmutter nachschauen müssen, welches ihr gesammeltes Wissen enthielt. Ich hoffte für Quenny und Clauda, dass ich dort auf etwas stieß, das mir - das ihnen - weiterhelfen konnte.



Waldhafen - Narben der ZeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt