Rugge
"Ich dummes Ding.", murmelt Karol vor sich hin. Mittlerweile stehe ich vor ihr und nehme ihre Hände. "Karol? Du bist kein dummes Ding." Sie reagiert nicht darauf, im Gegenteil. Sie sieht durch mich hindurch, als würde es mich nicht geben. "Ich dummes Ding.", wiederholt sie immer wieder. "Karol." Ich ziehe leicht an ihren Händen, da knicken ihre Füße zusammen. Daraufhin hebe sie hoch, im Brautstyle, und setze sie zu Chiara auf die Bühne. Dabei setze ich sie ganz auf die Seite, dort wo die Wand auf den Bühnenboden trifft. Ich achte darauf, dass ich ihren Rücken gegen die Wand lehne. "Da hilft wohl nur eins. Verpass ihr eine.", meint Chiara zu mir. "Was?", frage ich verdattert in ihre Richtung. "Doch. Du musst ihr eine verpassen.", meint sie schmunzelnd und rutscht zu uns. "Haha.", erwidere ich ironisch, worauf Chia kichert. "Ich will ihr nicht wehtun." "Das will ich sehen. Rugge verprügelt Karol.", meldet sich Mike zu Wort und stellt sich neben mich. Ich sehe ihn daraufhin drohend an, sodass er seine Klappe hält. "Solltest du nicht allmählich zurück in deine Klasse?" "In unsere Klasse meinst du wohl.", antwortet dieser auf meine Frage, geht dann aber trotzdem.
"Karol?" Ich gebe meine Hände an ihren Wangen. "Sieh mich an." Sie reagiert nicht. Eine Hand gebe ich wieder weg und schnipse mit dieser vor ihren Augen. Sie blinzelt und sieht mich endlich an. "Hmm?" "Du bist kein dummes Ding.", erkläre ich ihr ruhig. "Doch! Da ich mich verarschen hab lassen! Ich merke nicht, wenn man mit mir spielt. Ich bin zu leichtgläubig!", schreit sie plötzlich. "Ich bin ein dummes Ding.", schluchzt sie im nächsten Moment. "Was auch immer passiert ist, du konntest nichts dafür.", versucht Chiara sie zu beruhigen. Karol schüttelt nur den Kopf, während sie ihre Augen in ihre Hände vergräbt. Ich habe schon eine Ahnung, worüber sie spricht. Ich klettere auf die Bühne, setze mich vor sie hin und ziehe sie mit einem Arm an meine Brust. Ihre Schluchzer tun mir selbst im Herzen weh. Karol krallt sich an meinen Pulli und hält sich an mir fest, wie eine Ertrinkende. Sie weint und weint. Beruhigend streiche ich über ihren Rücken und spüre dabei ihr ungleichmäßiges Atmen, was durch das Weinen hervorgebracht wurde. Mir ist völlig egal, dass uns Chiara mit einem verträumten Blick betrachtet, ich will im Moment für Karol da sein und sie trösten. Egal wie.
Nach einer Weile beruhigt sie sich und löst ihren Kopf von meinem Shirt. "Oh, nein. Jetzt ist dein Shirt völlig nass. Es tut mir leid." Ich sehe auf mein Oberteil und erkenne einen dunklen, nassen Fleck. Hätte Karol den Fleck nicht erwähnt, hätte ich es nicht einmal mitbekommen. "Schon okay. Ist ja nur Wasser und nebenbei, dass beste Wasser überhaupt." Ich sehe sie an, sie mich. Karol schmunzelt. "Spinner." Sie sieht sich kurz um und meint dann:" Hat wer ein Taschentuch?" Chiara holt eine Taschentuchpackung aus ihrer Hosentasche und reicht sie ihr. "Danke." Karol schnäuzt sich und steckt das Taschentuch anschließend ein. Dann kuschelt sie sich wieder an mich. "Ich glaube, ich bin euch eine Erklärung schuldig, oder? Ihr denkt sicher, ich hätte sie nicht mehr alle." "Das denken wir gar nicht und du musst nichts erzählen, wenn du nicht willst.", erkläre ich ruhig. "Doch. Ich will." "Ihr beide seid so süß.", seufzt Chiara, aber Karol sieht sie sofort genervt an. "Ich sag schon nichts mehr. Also?" Karol atmet einmal durch.
"Ihr wisst ja, dass ich aus Mexiko komme. Dort in der Schule hatte ich eine beste Freundin, Giovanna und natürlich gab es auch ein Mädchenschwarm. Benicio. Ich und Gio, waren beide in ihn verschossen. Aber es war klar, dass Benicio sich nie für eine von uns interessieren würde. Also haben wir zusammen über ihn geschwärmt, uns ausgemalt was wir mit ihm machen würden, uns Gespräche ausgedacht zwischen einer von uns und Benicio und so weiter. Plötzlich bekam ich mit, wie Benicio mit öfter in der Stunde ansah und dann haben wir uns tatsächlich miteinander unterhalten. Gio war zwar eifersüchtig, hatte es mir aber gegönnt. Benicio hatte sich für mich interessiert. Naja, wir kamen uns näher." "Habt ihr euch geküsst?", fragt Chia interessiert. Ich verdrehe grinsend die Augen. Typisch Mädchen. "Der Arsch hat mir meinen ersten Kuss gestohlen.", schnaubt Karol an meine Brust. "Wie?" Nun rutscht Chiara näher, um alles mitzubekommen. "Nach der Schule. Ich habe das Schulgebäude verlassen und war auf dem Heimweg, als Benicio mich gerufen hatte. Ich bin stehen geblieben, er kam zu mir. Er hatte total schüchtern gespielt, dass er nicht wusste, wie er jetzt anfangen sollte blablabla. Dann hatte er sich nach vorne gebeugt und mich geküsst." "Irgendwie arschig, aber dennoch ein klitzekleines bisschen süß.", grinst Chia. "Jedoch habe ich ihn danach mit Gio zusammen gesehen. Es passierte immer öfter. Und wenn ich sie darauf angesprochen hatte, meinte er nur:" Das war nichts. Wir sind nur Freunde." und so einen Scheiß. Und ich bin darauf reingefallen." Ich merke, dass Karol sich anspannt und beginne wieder beruhigend über ihren Rücken zu streichen. "In so vielen Momenten hätte ich merken können, dass er mit mir spielt, aber ich habe ihm immer geglaubt." "Aber du hast es ja dann doch kapiert.", erwidere ich sanft. Sie sieht mir kurz in meine Augen und mir wird etwas komisch. "Ja. Benicio und ich mussten dann ein Schulprojekt zusammen machen..." "Klischee.", seufze ich. "Was?" "Nichts. Erzähl weiter.", bitte ich sie. Karol zieht eine Augenbraue nach oben, erzählt dann aber weiter. "...und ich habe ihn gefragt, ob er sich nur auf das Zusammenarbeiten freut und er so: Nein, nein. Auch damit wir ein bisschen Zeit miteinander verbringen können. Nur du und ich. Ich habe mich riesig auf das Treffen gefreut und bin dementsprechend später aufgeregt zu ihm nachhause gegangen. Doch als ich bei ihm ankomme sah ich ihn und Giovanna. Er..." Sie bricht ab. Chiara streckt eine Hand nach vorne, legt sie auf Karols Hände und streichelt diese.
Karol
Ich kann es genau vor mir sehen. Sein Haus, er und Gio.
Rugge
"Was hat er gemacht?", frage ich. "Er stand dort mit Gio. Sie war an die Hausmauer gelehnt, er über sie. Sie haben sich geküsst...ach was rede ich. Sie haben sich gegenseitig die Zungen in den Hals gesteckt. Daraufhin bin ich heulend davongerannt. Ab dem Moment war Gio meine Ex-Beste Freundin. Um das Ganze zu verarbeiten, habe ich dann das Lied geschrieben, was ich dir, Rugge, schon vorgesungen habe." Ich schüttle nur den Kopf. Wie kann jemand nur so ein Arsch sein? "Das klingt echt schrecklich.", meint Chia mitleidig. "Das ist auch der Grund, warum ich nicht einschätzen kann, was wahre Liebe ist und was nicht.", beendet sie ihre Erzählung.
"Trotzdem hast du daran nicht schuld. Er hat mit dir gespielt und du konntest nichts dafür." Chiara versucht seit einer Weile schon, Karol zu überzeugen, dass sie nichts für das Geschehene kann. "Ich weiß nicht." Ich nehme Karols Hände in meine. "Du trägst keine Schuld. Vertrau mir. Du kannst am wenigsten was dafür.", erkläre ich bestimmend und sehe ihr in ihre schönen, grünen Augen. Langsam wird unser Blickkontakt intensiver.
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
Bearbeitet
DU LIEST GERADE
Our Lovesong
AcakWas passiert, wenn man den besten Musiker des Studios, der aber Probleme hat, mit anderen zusammen zuarbeiten und eine schüchternde Neuanfängerin in Sache Showbusiness, mit einer düsteren Vergangenheit zusammen mischt? Was ist wenn ein Liebessong am...