Sicht von Blake
Einatmen und ausatmen. Ein und aus. Beim Ausatmen ließ ich das Messer in meiner Hand mit Schwung nach vorne schnellen und ließ es dann los. Es flog genau auf die Zielscheibe zu. Zentrum! Ich hatte den kleinen gelben Kreis in der Mitte gut getroffen, aber ich war noch nicht zufrieden, also nahm ich mir mein zweites Messer und warf erneut.
Ich hatte den schwarzen Punkt, der die Mitte der Zielscheibe markierte, ausgelöscht. Es war, als wäre er nie da gewesen. Ich drehte meinen Kopf nach links und sah, wie ein Junge sein Messer warf. Er hatte den roten Ring, also den zweit innersten, getroffen und nun konnte man von einigen Mädchen Applaus hören. Klar, dass sie das gut fanden. Sie trafen ja nicht einmal die Scheibe!
Wir hatten in der letzten Stunde vor den Ferien Sport. Naja, an diesem Gestaltwandler-Internat sollte das wohl eher Kämpfen heißen. Dazu gehörten der Umgang mit Waffen und Nahkampf in Tierform. Ich liebte es, mit Waffen zu kämpfen, und war auch recht gut darin, wie man an meiner Zielscheibe sehen konnte. Das interessierte aber eigentlich keinen, da ich auch sonst nie wirklich beachtet wurde. Mein Problem war der Nahkampf, weil ich mich nicht in meinen Wolf verwandeln konnte. Eigentlich verwandelt man sich zum ersten Mal zwischen dem achten und dem zehnten Lebensjahr, aber ich war schon 15 Jahre alt und hatte mich noch nie verwandelt. Deswegen wurde ich auch von Ashley und ihrer Gang geärgert. Zu Ashleys Gang gehörten ihre Freundinnen Selina, Christin, Melissa, Jessica und ihr fester Freund Jack mit seinen Freunden Max und Jan. Sie waren schon immer eine feste Gruppe gewesen und tyrannisierten die Außenseiter. Ashley hatte es irgendwie geschafft sich zur Anführerin auf zu schwingen und hatte es sich anscheinend zur Aufgabe gemacht mir mein Leben zur Hölle zu machen.
Nach meinen ersten zwei Würfen ließ ich noch weitere sechs Messer fliegen, mit denen ich den äußeren Ring des gelben Zentrums nachzog.
Ich schreckte hoch, als mich plötzlich Herr Meier, unser Sportlehrer, ansprach. "Blake, du bist echt zu schnell. Ich weiß ja, dass Wurfmesser dein Fachgebiet sind, aber was soll ich denn mit dir machen?"
"Kann ich vielleicht wieder etwas früher gehen?" Ich wusste schon, dass er mich gehen lassen würde. "Ich schätze du hast alle getroffen, richtig?", fragte Herr Meier, obwohl seine Augen mir verrieten, dass er die Antwort auf seine Frage schon längst kannte.
"Klar", antwortete ich dennoch.
"Okay, dann geh, aber du darfst erst ab dem Ende der Schulstunde in die Herbstferien", entschied er mit einem Nicken. "Danke!", rief ich ihm noch kurz zu während ich zu der Zielscheibe rannte, um meine Messer zu holen. Sie steckten erstaunlich tief in der dicken Zielscheibe aus Holz, sodass es mich einiges an Kraft kostete, sie zurück zu bekommen. Dann machte ich mich auf den Weg in die Mädchenumkleide, um mich dort umzuziehen.
Ich lief aus der Umkleide, die neben dem riesigen Sportplatz lag. An dem großen Platz lief ich vorbei. Sowie auch an meinem Schulgebäude, wo in diesem Moment der reguläre Unterricht stattfand. Ich musste in den Ostflügel des Wohngebäudes des Internats. Dort wo die Mädchenzimmer lagen. Jede hatte ihren eigenen Raum. Im Westflügel waren die Räume der Jungen und im Gegensatz zu uns Mädchen war es bei ihnen schon etwas enger. Da doppelt so viele Jungen wie Mädchen auf dieses Internat gingen, mussten sie sich ihre Zimmer fast immer teilen.
Mein Zimmer war in der ersten Etage das hinterste, genauer gesagt das hintere Eckzimmer. Damit lag es schon fast ganz im Wald und da ich den Wald liebte, war mir das sehr recht. Um von dort aus schneller in den Wald zu kommen und nicht durch das ganze Gebäude laufen zu müssen, hatte ich eine Art Strickleiter an meinem Balkon befestigt. Von der Strickleiter wusste jedoch keiner, da niemand außer mir so tief in den Wald ging. Ich konnte die anderen was das angeht gar nicht verstehen!
Noch dazu hatte ich im letzten Jahr hier in der Nähe einen kleinen See entdeckt. Der See war wunderschön und fast kreisrund. In seiner Mitte waren rosarote Seerosen und an einem Ufer stand eine alte, riesige und knorrige Eiche mit tief ausladenden Ästen, auf welchen ich schon sehr oft bis in die Krone geklettert war und stundenlang einfach auf den See geschaut hatte.
Da ich heute früher aus dem Sportunterricht hatte gehen dürfen, hatte ich noch eine halbe Stunde Zeit. Ich entschied mich dazu, in meinem eigenen kleinen Badezimmer duschen zu gehen. Ich entledigte mich meiner Klamotten, stellte das Wasser an und duschte kalt. Ich duschte immer kalt, sowie ich auch meinen Tee nur kalt trank, egal ob es Winter oder Sommer war. Nach dem Duschen ging ich zu meinem Kleiderschrank, um mir neue Klamotten zu holen. Ich entschied mich für einen schwarzen, knielangen Rock und ein schwarzes, dünnes T-Shirt. Es war zwar Herbst, jedoch war mir nie wirklich kalt.
Da ich danach noch ungefähr 10 Minuten Zeit hatte, packte ich schon die Sachen, die ich über die Ferien brauchte. Es war nicht sonderlich viel, da ich lediglich den ganzen Elektrokram wie mein Handy, das dazugehörige Ladekabel und meine Kopfhörer mitnahm.
Als ich fertig war, ging ich nach unten, um auf meinen 18 jährigen Bruder Derek zu warten. Er war, wie meine Eltern auch, ein schwarzer Werwolf. Schwarze Wölfe waren, nach den weißen, die stärksten unserer Art. Er holte mich immer zu den Ferien und Wochenenden aus dem Internat in der Nähe von Cyss ab. Gerade als ich unten ankam, fuhr Derek auch schon in die Einfahrt zum Internat. Ich rannte auf das Auto zu und riss die Tür auf, um meinen kleinen schwarzen Lederrucksack auf die Rückbank zu werfen und vorne auf dem Beifahrersitz neben Derek Platz zu nehmen.
Ich wartete nur noch darauf, dass er mir die altbekannte Frage stellte.
"Hast du dich in dieser Woche verwandelt?" Und da war sie auch schon. Ich antwortete ihm nicht, sondern schüttelte einfach nur den Kopf – so wie jedes Mal.
Nach zwei Stunden Fahrt durch große Waldgebiete kamen wir endlich bei uns zu Hause an. Wir hatten ein großes, weißes Haus mit rotem Dach am Stadtrand von Omolo. Im Erdgeschoss befand sich rechts neben der Eingangstür die Küche und links das große Wohnzimmer. Im ersten Stock rechts war Dereks Zimmer, welches direkt über der Küche lag. Auf derselben Etage war auch das Zimmer meiner Eltern. Dazu gibt es noch ein großes Badezimmer auf der ersten Etage. Ich wohnte im Dachgeschoss, das mit riesigen, schrägen Fenstern und einem kleinen Balkon in Richtung Wald ausgestattet war.
An dem Balkon rankten violette Rosen hoch, die meine selbst angebrachte Strickleiter verdeckten, so dass niemand außer mir davon wusste.
Nachdem Derek geparkt hatte, sprang ich aus dem Auto und wollte gerade ins Haus laufen, als meine Eltern als schwarze Wölfe aus dem Wald neben unserem Haus kamen. Sie verwandelten sich nicht zurück, wahrscheinlich waren ihre Klamotten bei der Verwandlung zerrissen. Dieses Problem haben komischerweise nur einzelne Werwölfe, zu denen auch meine Familie gehörte.
"Hallo!", rief ich ihnen zu, als sie auf mich zukamen. Meine Mutter, eine kleine, schwarze Wölfin mit grünen Augen, deutete mir, die Tür zu öffnen, damit sie in das Haus gehen konnten.
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So, das war also mein erstes Kapitel in meinem ersten Buch. Ich hoffe, es gefällt euch und ich habe alles genau genug beschrieben.
Danke für's Lesen!
1220 Wörter
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Elementwölfe
FantasyBlake Moon, ein hübsches, junges Mädchen, lebt in einer Familie aus schwarzen Werwölfen. Ihr müsst wissen: Schwarze Wölfe sind, nach den Weißen, die aber vor mehreren hundert Jahren ausgestorben sind und nun als Mythos gelten, die Stärksten. Blake...