Kapitel 4

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Taehyung POV

Ich höre, wie sich die Wohnungstür öffnet und wieder schließt, ehe Yoongis Stimme, meinen Namen rufend, durch die Wohnung schallt. Mir nicht die Mühe machend mich vom Sofa zu erheben, schaue ich Richtung Tür, durch welche man zum Flur gelangt, und einen kurzen Augenblick später steht auch schon Yoongi im Türrahmen.

„Tae," beginnt er auch schon vorwurfsvoll. „Ich hab doch gesagt, du sollst Abfahrtbereit sein, wenn ich da bin. Wir wollten doch gleich los."
„Keine Sorge," erwidere ich und schalte den Fernseher aus, ehe ich mich erhebe. „Meine Tasche ist schon gepackt. Ich muss mir nur noch Schuhe und Jacke anziehen, dann können wir los. Dein Essen ist übrigens noch in der Küche, kannst du dann auf dem Weg essen."
„Wie soll das beim Fahren bitte funktionieren?," brummt Yoongi nur, allerdings sichtlich zufrieden mit der Situation.
„Ich kann auch fahren. Immerhin hatte ich schon länger Feierabend und du solltest dir wirklich mal eine Pause gönnen," antworte ich nur auf Yoongis Frage hin und beginne damit meine Sachen zusammen zu suchen und in den Flur, zu Yoongis Tasche, zu stellen. Aus der Küche hole ich Yoongis Essen und hätte beinah den Wein für seine Eltern und die Schokolade für seinen Bruder vergessen. Ich hoffe nur, dass sein Bruder die Schokolade noch immer so gerne isst, wie damals, als er noch jünger war. Gesehen hab ich den Kleinen nämlich seit bestimmt acht Jahren nicht mehr. Kleine Kinder sind auch relativ einfach glücklich zu machen. Inzwischen ist Jungkook aber schon 18 Jahre alt und eben kein kleines Kind mehr. Es wird sowieso etwas komisch sein, Yoongi Familie wieder zu sehen. Damals habe ich mich bei ihnen noch wie zu Hause gefühlt und bin oft einfach ins Haus gekommen, ohne vorher zu Klingeln und habe seine Eltern beim Vornamen genannt. Das ist aber auch schon wieder eine Ewigkeit her. In den Feiertagen habe ich meine eigene Familie besucht und ich kann mir auch nicht immer zur selben Zeit, wie Yoongi, frei nehmen.

Kurze Zeit später sitzen Yoongi und ich schon im Auto auf dem Weg nach Busan. Es hatte zwar noch eine kurze Diskussion gekostet, aber Yoongi sitzt nun auf dem Beifahrersitz und isst sein Essen, während er das Navi im Auge behält, damit ich mich auch ja nicht verfahre. Dadurch, dass es doch recht spät geworden ist, wird es schon langsam etwas dunkler. Laut Navi sollen wir aber gegen 21:30 Uhr ankommen und so wie es gerade auf den Straßen aussieht, könnte das sogar tatsächlich passen.

„Sag mal Yoongi, ist es für deine Familie wirklich okay, wenn ich in nächster Zeit auch bei euch wohne?," frage ich zum gefühlt hundertstem Mal nach. Normalerweise wäre ich auch bei meinen Eltern untergekommen, nur sind diese vor drei Jahren nach Daegu gezogen. Ich hätte mir auch ein Hotel genommen, die Firma hätte die Kosten immerhin übernommen. Doch für Yoongi war sowieso klar, dass er die Zeit in Busan bei seiner Familie verbringen würde.

„Zum tausendstem Mal: Ja, das geht klar. Ich hab dir doch schon gesagt, dass meine Mutter das Thema sowieso als erste angesprochen hat und darauf bestanden hat. Also mach dir darüber nicht zu viele Gedanken. Sie freuen sich, dass du auch kommst."
„Und was ist mit Jungkook?," frage ich. Immerhin ist er noch ein Teenager. Ich weiß, wie ich in dem Alter war. Ich hatte auch einen Haufen Macken und mich haben Dinge gestört, bei denen ich heute gar nicht mehr nachvollziehen kann, wieso eigentlich. Außerdem könnte es auch gut sein, dass er sich, durch mich, in seiner Privatsphäre eingeschränkt fühlt.

„Für den ist das sicherlich auch kein Problem. Ihr habt euch zwar seit Ewigkeiten nicht gesehen, aber er mochte dich ja eigentlich immer. Das wird er bestimmt immer noch tun, selbst, wenn er inzwischen ziemlich groß geworden ist," grinst Yoongi.
„Stimmt," erwidere ich und lege den Kopf schief, ohne den Blick von der Straße abzuwenden. „Meintest du nicht, er wäre bei deinem letzten Besuch schon größer als du gewesen?"
„Ja," schnaubt Yoongi. „Aber er hat immer noch die Augen von einem kleinen Kind. So richtige Kulleraugen eben."
Ich muss bei Yoongis Worten grinsen. Auch, wenn es sich eher abwertend anhört, weiß ich, dass er es nicht so meint. Er liebt seinen kleinen Bruder und seiner Meinung nach ist dieser viel zu schnell erwachsen geworden. Dabei hatte Yoongi anfangs noch Zweifel, ob er mit einem Bruder, der so viel jünger ist als er selbst, klar kommen würde.

„Dann mag er sicherlich noch Marvel, oder? Vielleicht können wir uns mal wieder einen Film mit ihm zusammen anschauen," schlage ich vor, als ich daran denke, wie begeistert Jungkook damals war, als wir ihm seinen ersten Marvel Film gezeigt haben.

„Wenn Jungkook mal Zeit hat, gerne. Aber er schreibt in zwei Wochen seine erste Abschlussprüfung, da meinte meine Mutter schon, dass es gut sein könnte, dass wir Jungkook eher selten zu Gesicht bekommen. Außerdem hat er auch noch seine Freunde, wer weiß, ob er mit uns alten Knackern da überhaupt was unternehmen will."
„Ach, so alt sind wir doch gar nicht," grinse ich, werde aber trotzdem etwas schwermütig, denn irgendwo steckt auch etwas Wahrheit hinter Yoongis Worten. Als wirklich jung, kann man uns nicht mehr bezeichnen, immerhin stecken wir inzwischenin unseren Dreißigern. Es ist schon ewig her, dass wir unseren Abschluss gemacht haben und wir haben mittlerweile seit mehreren Jahren einen festen Job. Es hat sich viel verändert, seitdem wir Jugendliche waren. Bis auf die Tatsache, dass Yoongi noch immer nicht so ein richtiges Händchen für Frauen zu haben scheint und immer an die merkwürdigsten Frauen gerät und ich immer noch Versuche den Normen gerecht zu werden und verschiedene Frauen treffe, während ich immer wieder One Night Stands mit Männern habe und Yoongi mir ständig dazu rät, endlich der Tatsache ins Gesicht zu blicken, dass ich schwul und nicht Bi bin. Eigentlich hat der Schwarzhaarige auch recht, dass wissen wir beide. Doch bisher gab es nur einen Mann, den ich wirklich geliebt habe. Mit ihm an meiner Seite, wäre es einfacher gewesen es einfach zu akzeptieren. Aber so stecke ich irgendwie noch zu sehr in den Erwartungen der Gesellschaft an mich fest. Anders zu sein, ist halt nicht einfach und nicht jeder Mensch kann gut damit umgehen oder diese Tatsache einfach akzeptieren. Aber so wie mir Yoongi stolz berichtet hat, kommt Jungkook damit wohl ganz gut klar, genauso wie seine gesamte Umgebung. Ich freue mich für den Kleinen und frage mich gleichzeitig, wieso ich mir dann eigentlich noch so einen Stress machen, wenn es für den Großteil der Menschen sowieso okay wäre. Aber manche Macken und Denkweisen wird man wohl selbst als Erwachsener nicht so schnell los.

Oder vielleicht gibt es eine Sache, die mir bisher seit diesem einen Mann immer gefehlt hat: Liebe.



Does age matter? (BTS, Vkook, FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt