Kapitel 9

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Als ich wach wurde lag ich auf einer Pritsche. Die Wände um mich herum waren grau und als ich den Kopf nach links drehte erkannte ich eine Art Energiefeld, das leicht bläulich schimmerte. Mein Kopf dröhnte und meine Hand schmerzte. Ich richtete mich nur langsam auf, da mir sonst nur wieder schwindlig geworden wäre. Mein Hals fühlte sich ausgetrocknet an. Als ich einen Blick auf meine Hand warf erkannte ich einen dicken Mullverband. Langsam setzte ich meine Füße auf den Boden. Ich trug noch immer die Sachen aus Sibirien, alles außer meiner Jacke. Als ich aufstehen wollte stolperte ich und prallte unsanft gegen die Wand links von mir. Mit meiner gesunden Hand stützte ich mich an der glatten, kalten Wand ab. Kurz darauf hörte ich Schritte. Fast panisch suchte ich nach einer Waffe, doch ich hatte keine mehr. Natürlich nicht. Offensichtlich saß ich im Moment irgendwo in einer Zelle und wenn ich mich nicht irrte, dann dürfte ich ziemlich weit unter der Erde sein.
"Du bist wach", ich blickte auf und erkannte T'Challa. Er stand vor dem Feld und musterte mich.
"Wo bin ich?", fragte ich und hörte wie gebrochen und kratzig meine Stimme klang.
"In Wakanda. Meiner Heimat", erklärte er und musterte mich.
"Du bringst mich nach all dem in deine Heimat?", fragte ich und zog eine Augenbraue hoch. "Klingt nicht so klug."
"Das ist alles, was ich für dich tun konnte", er wirkte amüsiert. "Und wir sind sehr viel weiter entwickelt als die meisten Länder der Welt. Du kannst hier nichts anstellen, besonders nicht, da du in einer Zelle bist." Und ich dachte immer Wakanda wäre ein armes, zurückgebliebenes Land aber wenn ich mir die Zelle und T'Challas Rüstung so ansah, begann ich dieses Wissen anzuzweifeln.
"Clever", murmelte ich. "Was ist passiert nach dem Schuss?"
"Ich habe euch zurück gebracht, dein Vater hat die CIA behalten und dich wollten sie auch mitnehmen, doch ich habe gesagt, dass du meine Gefangene bleibst, als Ausgleich", erklärte er.
"Wie könnten sie das ablehnen? Ich bin die kleinere Bedrohung", meinte ich und hustete.
"Das sehe ich ähnlich aber vor allem glaube ich, dass bei dir noch nicht alles verloren ist", er verschränkte die Arme.
"Ich fühle mich geschmeichelt", ich musterte ihn misstrauisch. "Trotzdem wirst du mich wohl eine ganze Weile in der Zelle schmoren lassen."
"Ja, besonders da es Leute gibt, die vorher noch mit dir sprechen wollen", erklärte er.
"Mit mir sprechen?", ich schnaubte amüsiert. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendwer nach dem Vorfall noch mit mir redet."
"Ich werde dir erstmal etwas Wasser besorgen und Schmerzmittel für deine Hand", damit wandte er sich ab und ging davon. Ich ließ mich an der Wand herab gleiten, völlig erledigt. Eine Weile blieb ich stumm sitzen und starrte an die andere Wand, ging einfach stumm meinen Gedanken nach, versuchte meine Erinnerungslücken zu füllen. Ich war nach dem Schuss noch ein paar Mal wach gewesen aber ich erinnerte mich nur an Fetzen. Der Transport muss ziemlich schnell gegangen sein. Seufzend lehnte ich den Kopf nach hinten und döste an der Wand ein wenig vor mich hin. Ich wurde nach einer ungewissen Zeit, vielleicht ein paar Minuten, vielleicht sogar eine Stunde, von erneuten Schritten in die Realität zurück geholt. Das Energiefeld öffnete sich und ein Mädchen trat ein, an ihrer Seite eine rot angezogen Frau mit Glatze und einem Speer. Beide hatten dunkle Haut und diskutierten in einer Sprache, die ich nicht verstand aber die definitiv aus dem afrikanischen Raum kam, vermutlich die Landessprache von Wakanda. Ich musterte die Beiden, verspürte aber nicht die Lust mich zu bewegen und selbst wenn, hätte ich auch keine Kraft dazu gehabt. Das Mädchen stellte ein Tablett neben mir auf den Boden, auf welchem sich eine Plastikflasche mit Wasser und ein Verbandskasten befand.
"Hey", sie lächelte mich freundlich an. "Wie geht es dir?"
"Ich weiß nicht? Wie sollte es mir nach einem Durchschuss in der Hand denn gehen?", entgegnete ich und musterte die Frau mit dem Speer skeptisch. Das Mädchen lachte.
"So schlimm ist es gar und ich muss es wissen, ich habe deine Hand geflickt", sie hielt mir ihre Hand hin und ich legte die verwundete Hand hinein. "Ich bin übrigens Shuri, meinen Bruder kennst du ja inzwischen."
"Du bist T'Challas...oh",ich wandte betroffen den Blick an.
"Mach dir keinen Kopf. T'Challa hat mir alles erzählt, auch, dass du an dem Anschlag nicht beteiligt warst", erklärte sie.
"Ich habe es aber auch nicht verhindert", seufzte ich. "Und das tut mir wirklich leid."
"Es ist gut das zu hören", sie lächelte mir aufmunternd zu. Vorsichtig wickelte sie den Verband ab.
"Das ist ja unglaublich", stieß ich aus, als ich die Wunde sah. "Wie lange bin ich denn hier?"
"Ungefähr zwei Tage", schmunzelte sie.
"Diese Wunde sieht aber nicht nach zwei Tagen aus", ich blickte fasziniert auf die Hand. Das sah nach einem Monat aus.
"Das ist Wakanda, wir haben hier ganz neue Technik und die meiste habe ich entwickelt", grinste sie.
"Wie alt bist du nochmal?", fragte ich provokant.
"Alt genug um schlau zu sein", entgegnete sie keck. Sie verband meine Hand neu und drückte mir ein paar Pillen und die Flasche in die Hand. "Nimm das, dann geht es dir schnell besser. Das sind Vitamine und Schmerzmittel."
"Du könntest mir gerade Amphetamin oder eine Zyankali-Kapsel geben und ich würde es schlucken", murmelte ich.
"Sag es nicht zu laut. Okoye macht sich sonst noch Notizen", grinste Shuri, dann erhob sie sich und stellte sich neben ihre Begleitung.
"Du bekommst drei Mal am Tag etwas zu Essen, zu jeder Mahlzeit einen Liter Wasser für den ganzen Tag, geduscht wird immer Abends und alle fünf Stunden hast du Klogang", erklärte die Frau, Okoye, nüchtern und mit einer kräftigen Spur Abneigung. Ich konnte es verstehen.
"Das klingt fair", ich nichte, warf die Pillen in meinen Mund und spülte sie mit einem kräftigen Schluck Wasser nach unten.
"Ich schaue morgen wieder nach deiner Verletzung", erklärte Shuri und ich nickte, dann verließen sie meine Zelle. Ich zog mich mühselig auf die Beine und ließ mich auf mein Bett fallen. Es dauerte nicht lange und ich war eingeschlafen.
Am Abend hatte mich eine der rotgekleideten, glatzköpfigen Frauen zum Duschen abgeholt und über die Dusche war ich mehr als dankbar. Ich hatte seit Berlin nicht mehr die Chance gehabt zu duschen. Es war unglaublich, das alles war nur ein paar Tage her und doch fühlte es sich schon so lange vergangen an. Beinahe wie ein anderes Leben. Aber das war es auch wohl und wer wusste schon, was mich jetzt erwartet würde. Selbst wenn ich meine Zeit nicht bis an mein Lebensende in einer Zelle verbringen würde, so könnte ich nie in ein normales Leben zurückkehren. Nach der Dusche bekam ich neue Kleidung, auch dafür war ich sehr dankbar. Das Gefängnis in Wakanda war, trotz Klimaanlage, deutlich wärmer als das Terrain für das meine Kleidung ausgelegt war. Ich bekam drei kurze und drei lange, schwarze Hosen, drei schwarze Tanktops und drei graue Pullover. Bis auf die Pullover ähnelte alles davon Sportkleidung, was die Sachen zumindest elastisch und bequem machte. Das Essen, das ich hier bekam war gut und tatsächlich nicht jeden Tag das Gleiche. Ich musste auch feststellen, dass ich scheinbar die einzige Gefangene in dem Block war, was mir einerseits ganz gut gefiel, da ich zumindest meine Ruhe hatte, andererseits war es, gerade in der Nacht dadurch so still, dass ich schon beim kleinsten Geräusch aus dem Schlaf fuhr. Zumindest ging es mir am nächsten Tag schon deutlich besser. Mein Kopf brummte nicht mehr und dank regelmäßiger Vergabe von Schmerzmittel machte mir meine Hand auch keine Probleme. Nun, wenn man von dem Kraftfeld und meiner gähnenden Langeweile absah, konnte es mir nicht besser gehen. Die Langeweile löste bald jedoch erneute Gedankenfluten aus, denen ich mich nicht gewachsen fühlte. Im Moment fühlte ich mich im Inneren völlig taub. Ich wusste nicht, wer ich war und wer ich sein wollte, ich hatte keine Aufgabe um das heraus zu finden. Selbst wenn die Tür meiner Zelle offen gewesen wäre, ich hätte vermutlich hier gesessen und alles über mich ergehen lassen. Meine letzten Entscheidungen waren nun wirklich nicht die weisesten Entscheidungen meines Lebens gewesen aber rückgängig konnte ich es nun mal auch nicht machen. Immerhin konnte ich damit abschließen. Ein für alle Mal. Ich zuckte erschrocken zusammen, als sich das Energiefeld senkte.
"Hey, ganz ruhig. Ich bin es doch nur", lachte Shuri, als sie meine angespannte Haltung sah. "Habe ich dich bei etwas gestört?"
"Nein, ich habe nur nachgedacht. Hier ist ja nicht viel, bei dem man mich stören könnte", meinte ich und zuckte mit den Achseln.
"Hm, das stimmt wohl. Vielleicht kann ich mit T'Challa reden, dass du wenigstens ein paar Bücher und einen Zugang zu einem Sportraum bekommst", sie setzte sich neben mich auf mein Bett und wechselte den Verband. "Versuch mal die Finger zu bewegen, dann sehe ich, ob ich alle Muskeln wieder gut miteinander verbinden konnte. Die waren ziemlich zerfetzt." Wen wunderte das, wenn eine Kugel direkt aus dem Lauf durch die Hand wanderte? Langsam bewegte ich jeden einzelnen Finger. Manchmal hatte ich dabei noch ein wenig Schmerzen. "Sieht gut aus, deine Hand wird wieder." Na immerhin. Wenn schon mein Leben verkorkst war, dann funktionierte doch zumindest meine Hand.
"Ich soll dich nach oben bringen", sprach plötzlich Okoye zu mir. "Streck deine Arme nach vorne."
"Braucht sie denn wirklich Handschellen? Ist das nicht etwas viel?", fragte Shuri und stand auf, doch allein Okoyes Blick war unnachgiebig. Mit Worten musste man es gar nicht erst versuchen. Ich hatte auch gar nicht vor zu widersprechen. Ich würde als das auftreten, bei dem ich mir im Moment sicher sein konnte, dass ich es war: eine Verbrecherin.

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