Kapitel 4

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Die Nacht war leider schneller für mich vorbei, als ich es gehofft hatte. Es war elf Uhr, als ich fertig angezogen und auf klappernden Haken in das Wohnzimmer trabte.
"Friday, Konferenzraum vorbereitet, ebenso die Sicherheitssysteme", ich blickte auf die Hologramme, welche die Daten rund um den eintreffenden, hohen Besuch zeigten, eine weitere Projektion ließ die Nachrichten auf Dauerschleife laufen.
"Jawohl, Miss", antwortete mir Fridays Stimme. Inzwischen hatte ich mich an die künstliche Intelligenz, die mir meine Leben wirklich erleichterte, gewöhnt. "Übrigens habe ich neue Informationen im Ordner „Spiderman" angelegt. Wollen Sie sie sehen?"
"Später, Friday, wenn die Lagos-Katastrophe überwunden ist", ich scrollte durch ein Dokument.
"Hey, du bist ja schon ganz schön im Stress für die Uhrzeit", ich blickte auf und sah Sam, der neben Vision auf der Couch saß. Ja ja, ich war im Stress, damit sie so entspannt auf der Couch herumlungern konnten.
"Es hat sich hoher Besuch angekündigt. Der Außenminister kommt mit einem wichtigen Anliegen. Sie werden gleich da sein, weswegen ich euch auch sehr verbunden wäre, wenn ihr euch im Konferenzraum sammeln könntet", seufzte ich. "Und mit alle, meine ich alle Avengers, die sich momentan im Haus befinden."
"Ich werde Wanda und Captain Rogers Bescheid geben", Vision erhob sich und glitt durch die nächste Wand. Vision war, aus mir unbekannten Gründen absolut kein Freund von Türen. Wobei ich vermutlich auch einfach durch die Wand gehen würde, wenn ich könnte. Das würde mir Zeit sparen. 
"Ich suche Natascha", Sam stand ebenfalls auf.
"Vielen Dank, dann kümmere ich mich um den Empfang", ich nickte ihnen dankbar zu. Nach den getroffenen Vorbereitungen ging ich nach draußen. Kurz darauf hielten drei Autos vor dem Gebäude. Ein orangefarbener Audi R8 und zwei schwarze SUVs. Tony stieg aus dem Auto und ein Bodyguard öffnete die hintere Tür des vorderen SUVs, aus welchem der Außenminister stieg. Er trug einen Anzug, wie eigentlich immer, wenn ich ihn sah. Secretary Thaddeus „Thunderbolt" Ross war ein sehr, nun ja, redefreudiger Mann, zumindest mir gegenüber. Es gab eigentlich keine Konferenz, nach der er nicht mit mir am Tisch saß und mir seine Golf- oder Armygeschichten erzählte.
"Miss Sadie, wie schön sie zu sehen", er streckte mir die Hand entgegen und ich ergriff sie freundlich lächelnd. "Auch wen die Umstände äußerst unschön sind."
"Ich hätte es nicht besser formulieren können", antwortete ich und blickte dann zu meinem Boss. "Tony." Ich nickte ihm zu. Er ließ seinen Blick unruhig hin und her gleiten.
"Sind alle versammelt?", er wirkte erstaunlich ernst und ziemlich müde, auch wenn er versuchte das durch eine Sonnenbrille zu kaschieren. Es funktionierte nur so mäßig, besonders wenn man ihn ein wenig kannte.
"Ja, ich habe alles vorbereitet", nickte ich. "Willst du einen Kaffee, du siehst nämlich aus, als könntest du einen gebrauchen."
"Später, Sad, später und dann werde ich wohl nicht nur einen Kaffee brauchen", murmelte er und lief an mir vorbei. Ich seufzte.
"Okay, kommen Sie, Herr Außenminister. Ich bringe Sie zum Tisch", ich drehte mich auf dem Absatz um. "Ich weiß nicht, was Sie darin vor haben zu beschreiben aber bitte, den meisten in diesem Raum geht es furchtbar. Sie leiden genauso unter der Situation, besonders Wanda."
"Ich weiß und menschlich bin ich Ihnen da sehr verbunden aber ich bin leider im Dienst hier", die Antwort hatte ich fast erwartet. Ich glaubte sogar, dass niemand als ich besser verstand, dass die Gefühle die ich den Menschen mir gegenüber nicht meine Arbeit beeinflussen durften. 
"Natürlich", ich öffnete ihm die Tür zum Raum, dann folgte ich ihm, hinter mir noch seinen Bodyguard. Ich ließ mich in einer Ecke nieder, bereit mir etwas zu notieren. Ross begann mit einer Golf- und Herzinfarkt-Anekdote.
"Es hat mir etwas gelehrt, dass mir viele Jahre in der Army nicht beibringen konnten", erklärte Ross und blickte ernst in die Runde. "Perspektiven." Er stütze sich leicht auf den Glastisch. "Die Welt schuldet den Avengers mehr als wir ihnen je zurück geben können. Viele Menschen sehen Sie als Helden aber es gibt auch welche, die das Gegenteil empfinden." Er kam eindeutig zum ernsten Teil seiner Rede. "Sie nutzen das Wort „Selbstjustiz"."
"Welches Wort würden Sie denn verwenden, Secretary?", fragte Natascha nach und musterte ihn.
"Ich würde „gefährlich" wählen. Wie würden sie eine Gruppe von Individuen nennen, die US-basiert auftreten aber nicht unter den Regeln der Regierung stehen und regelmäßig grenzüberschreitend handeln, je nachdem wie sie es wollen und ohne sich um das Chaos zu kümmern, dass sie hinterlassen?" Er wandte sich dem großen Bildschirm zu. Dieser leuchtete auf, eh er eine Landkarte zeigte. Die ersten Bilder, die er zeigten waren aus New York, der Angriff der Chitaurie, hervorgerufen durch eine menschenähnliche Spezies einer anderen Welt namens Asgard, die zu den Zeiten der Wikinger auf der Erde gewandelt haben mussten, denn diese hatten sie als Götter verehrt. Thor war Teil dieser Spezies und Teil der Avengers. Im Moment wusste jedoch niemand wo er war. Zum Glück hatte ich zu dieser Zeit noch studiert, weit weg von New York und all das nur durch die Nachrichten und das Internet erfahren.
Als nächster Ort wurde Washington D.C. gezeigt. Mit diesem Fall kannte ich mich schon ein wenig besser aus. Die Geheimorganisation SHIELD war von Hydra jahrelang unterwandert wurden. Hydra war einen Nazi-Organisation aus dem Zweiten Weltkrieg, welche sich, unter anderem, mit dem rekreieren eines Serums für  Supersoldaten beschäftigt hatte, wie Steve Rogers einer war. Sie hatten allerdings auch Techniken zur Gedankenkontrolle und Massenvernichtung erforscht. Damals hieß das Projekt „Valküre" und im Jahr ihres Niedergangs hatten sie es mit „Insight" versucht. Hierbei sollte ein Algorithmus potenzielle Gefahrenquellen für Hydras Weltherrschaftspläne erkennen und sie durch drei riesige, bewaffnete Helicarrer auszuschalten. Diesen Plan hatte Captain America vereitelt und die drei fliegenden Giganten nahe der Stadt abstürzen lassen.
Als der nächste Ort angezeigt wurde, biss ich mir fest auf die Zunge um nicht laut nach Luft zu schnappen. Sokovia. Ich wagte es nicht, die Bilder zu betrachten, lieber blickte ich auf meinen Rock, in dessen Stoff sich meine Finger gekrallt hatten. Für einen Moment war mir schwindlig und ich hatte das Gefühl, jeden Moment aus dem Raum stürmen zu müssen. Plötzlich schien alles unerträglich. Ich zwang mich, tief durch die Nase ein und durch den Mund wieder aus zu atmen. Eine Panikattacke konnte ich nicht gebrauchen. Wie immer, wenn ich in Panik verfiel ging ich meine Biografie durch.
Saide McMilller, 24 Jahre alt.
Geboren und aufgewachsen in einem kleinen Nest in Ohio, nach der Highschool weit weg gezogen um zu studieren, fand jedoch keinen Job in der Branche, bewarb sich deshalb bei Tony stark.
Keine Geschwister, wohlhabendes Elternhaus, jedoch seit einigen Jahren keinen Kontakt mehr zu den Eltern.
Ich blickte erst wieder auf, als die Zerstörung von Lagos gezeigt wurde. Es war furchtbar, schlimmer als die Medien sich trauten zu zeigen. Mein Blick fiel auf Wanda. Sie machte sich Vorwürfe. Wie könnte sie auch nicht? Die Explosion war durch ihre Kraft in das Haus gelenkt wurden. Sicher, es war nicht ihr Wille gewesen, Menschen zu schaden aber wer wollte das schon? Trotzdem hatten diese Menschen nicht die gleiche Priorität gehabt, wie ihr Missionsziel.
"Ich denke, das genügt", unterbrach Steve die Präsentation.
"In den letzten Jahren haben Sie mit uneingeschränkten Mitteln gekämpft und die Regierungen der Welt verlieren immer mehr das Gefühl Ihrem Urteil trauen zu können", sprach Ross weiter. "Aber ich denke, ich habe eine Lösung." Er legte einen dicken Katalog aus Papier auf den Tisch, der an der Seite gebunden war. "Das Sokovia-Abkommen." Wanda hob es an und blickte nachdenklich darauf. "Es wurde von 117 Nationen unterschrieben und es besagt, dass die Avengers nicht länger eine private Organisation sind, sondern unter der Aufsicht der UN operieren und auch ausschließlich, wenn diese dem Einsatz zustimmt."
"Die Avengers wurden gegründet um die Welt sicherer zu machen und ich habe das Gefühl, wir haben das getan", wandte Rogers ein.
"Sagen Sie mir Captain: Wissen Sie wo Thor und Banner stecken?", er sprach hier von Dr. Bruce Banner, einem Physiker, der sich selbst Strahlung ausgesetzt hatte und zu einem großen, grünen Monster namens Hulk mutierte, wenn er emotional wurde. "Wenn ich zwei Atomsprengköpfe verloren hätte, dann könnten Sie wetten, dass das Konsequenzen für mich hätte." Ross blickte auf den Blonden herab. "Das da, das ist ein Kompromiss. So funktioniert die Welt. In drei Tagen wird dieses Abkommen in Wien von der UN unterschrieben. Sie wollten wirklich darüber nachdenken." Er wandte sich zum Gehen. Irgendwie hatte ich nicht das Gefühl, dass ich heute Golf-Anekdoten erzählt bekommen würde.
"Was passiert, wenn wir zu einem Entschluss kommen, der Ihnen nicht gefällt?", fragte Natascha Romanoff.
"Dann werden Sie in Rente gehen", entgegnete er und verließ den Raum endgültig. Ich folgte ihm schnell um ihn nach draußen zu geleiten, einerseits, weil es sich gehörte, andererseits, weil ich dringend frische Luft brauchte. Ich wusste nicht, was ich von diesem Abkommen halten sollte. Nur, weil man das Chaos unter die Verantwortung einer Regierung stellte, würde es doch nicht verschwinden. Nein, es würde weiter zivile Opfer geben, da konnte eine übergeordnete Versammlung auch nichts daran ändern. Man konnte ja nicht mal die Schuld auf jemanden schieben, immerhin entschied die Versammlung ja, wenn die Avengers zum Einsatz kamen. Es gab nur eine Lösung und niemand hatten den Mut, die Zügel für ihre Durchführung in die Hand zu nehmen.
Als ich wieder in das Gebäude trat, herrschte das pure Chaos, jeder diskutierte mit jedem. Ich verweilte ein paar Sekunden und lauschte den Unterhaltungen. Sam und der Captain waren entschieden gegen das Abkommen, Natasha, Vision und Rhodey schienen sich dafür auszusprechen. Wanda blieb still, vermutlich war sie noch unentschieden.
Als ich den Raum durchqueren wollte, kam ich nicht mal bis zur Hälfte.
"Sad?", ich wandte mich zu Tony um und sandte ihm für die Nutzung des dämlichen Spitznamens einen warnenden, vielleicht auch tödlichen, Blick. "Was ist deine Meinung, als Außenstehende." Wenn er wüsste, wie weit ich da drinnen gefangen war.
"Ganz ehrlich...", ich blickte in die Runde. "Das ist nicht an mir, Außenstehende oder nicht. Es sind eure Taten, eure Handlungen und ihr müsst euch dafür verantworten, wie auch immer es gerecht ist." Ich konzentrierte mich besonders auf meine Worte, damit sie nicht leichtfertig etwas verrieten, dass vielleicht nicht verraten werden sollte. "Aber wie genau man „gerecht" hier definiert, das kann ich nicht bestimmen." Ich wandte mich schnell um und verließ das Wohnzimmer. In meinem Schlafzimmer holte ich mein altes Handy aus einer Kiste unter meinem Bett und tippte kurz eine Nachricht. Morgen, 14 Uhr, Adresse folgt.

Spy // "Avengers"-FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt