Kapitel 34

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Bruce hatte ein Gerät, beinah im Taschenformat aufgebaut, welches denselben Effekt haben sollte, wie das Portal. Er hatte erfahren, dass das Entfernen der Stones einen parallelen Zeitstrang erschuf, der noch mehr Chaos und Zerstörung über die Menschheit brachte, also mussten wir sie zurückbringen. Ich, für meinen Teil, hätte sie lieber in den nächstbesten See geworfen, aber es mussten ja nicht noch mehr Menschen leiden.
"Bist du sicher, dass du mitkommen willst?", fragte Sam leise, während wir zu der vereinbarten Stelle liefen. Ich hatte die letzten Nächte kaum geschlafen, wenn ich schlief kam ich kaum in die Tiefschlafphase. Mir hing das Schlachtfeld noch immer im Kopf fest, besonders die Bombeneinschläge hatten mir zugesetzt. Sobald ich die Augen schloss, kam alles wieder hoch. Wenn ich wach war, dann geisterte Tony durch meinen Kopf. Die Kiste stand unberührt auf dem Nachttisch neben meinem Bett in der wieder errichteten Basis. Ich traute mich schlichtweg nicht, was auch immer auf dem Handy war, und ich war der Überzeugung Tony hatte etwas darauf hinterlassen, bereitete mir Bauchschmerzen.
"Was soll ich denn sonst tun?", entgegnete ich. "Den ganzen Tag in meinem Zimmer auf und ab tigern bis ich vollkommen wahnsinnig werde?"
"Du musst es dir langsam anschauen", Sam redete jetzt schon seit ein paar Tagen auf mich ein, aber ich brachte es einfach nicht übers Herz. Etwas in mir sträubte sich dagegen, die Wunde weiter auf zu reißen.
"Ich kann das noch nicht, okay?", ihm musste der Satz inzwischen zum Hals heraushängen aber selbst, wenn er das tat, dann ließ Sam es sich nicht anmerken.
"Okay, verstanden", nickte er. "Du machst das in deinem Tempo." Ich musterte ihn und erkannte Verständnis in seinen Augen. Er kannte das Gefühl, er wusste wie es war Freunde zu verlieren, er wusste wie es war zum ersten Mal auf einem wirklichen Schlachtfeld zu stehen und er verstand mich, wenn ich wegen meiner Albträume einen nächtlichen Zusammenbruch hatte. Er wollte es nicht zeigen, aber ihm ging es nicht besser, auch er steckte den Kampf eher schlecht als Recht weg, viele von uns taten das, dazu hatte ihn die Nachricht von Natashas Tod ebenfalls hart getroffen, immerhin waren sie enge Freunde gewesen. Ich blieb stehen, obwohl wir nicht mehr weit von dem Treffpunkt entfernt waren. "Was?"
"Danke", flüsterte ich und umgriff seine Hand fester. "Für alles, Sam. Ich weiß, dass es für dich nicht einfach ist, immerhin hat sich alles um dich herum irgendwie verändert, besonders ich." Ich strich ihm vorsichtig mit dem Daumen über den Handrücken. "Ich habe die letzten fünf Jahre in einem Zustand aus nicht-loslassen und dem Versuch weiter zu leben gelebt. Am Anfang war es schwer für mich überhaupt zu akzeptieren, dass ich noch da war und so Viele nicht. Thanos hatte Menschen, die so viel besser waren als ich verschwinden lassen und ich war noch da." Er wollte etwas sagen, aber ich deutete ihm an zu warten. "Du hast so viel Geduld mit mir, dass ich gar nicht weiß, wie ich all das zurückgeben soll."
"Sadie, so funktionieren eine erwachsene Beziehung nicht", entgegnete er amüsiert. "Du machst mich glücklich, ich fühle mich bei dir ein bisschen heiler und Zuhause. Das ist genug, glaubst du nicht auch?"
"Ich hoffe es", ich blickte ihn ernst an. "Sam, ich will keinen Druck machen aber dich nochmal zu verlieren..." Langsam schüttelte ich den Kopf. "Ich glaube im Moment würde mich das umbringen."
"Ich gehe nicht weg, das habe ich dir versprochen", antwortete er und legte die Arme um mich. "Ich halte meine Versprechen." Sanft strichen meine Finger über seine Wange, spürte die Wärme und seine, etwas kratzigen, Barthaare. In den letzten Tagen hatte ich immer wieder bemerkt, dass ich manchmal meine Finger ein wenig fester in seine Haut drückte, nur um den Widerstand zu spüren, nur um das Gefühl los zu werden, er könnte sich wieder in meinen Händen auflösen.
"Jetzt klingst du wie Steve", schmunzelte ich. Er lachte leise und beugte sich zu mir herab, ich streckte mich seinen Lippen entgegen, senkte ein wenig die Lider, genoss seinen warmen Atem auf meinen Lippen aber bevor wir das zu Ende bringen konnten, was wir da gerade angefangen hatten, wurden wir rüpelhaft unterbrochen.
"Kommt ihr Turteltauben dann irgendwann? Wir wollen anfangen", ich werde Barnes irgendwann...nun ja, vermutlich würde ich gar nichts tun, weil er es sicherlich überleben und mich umbringen würde. Ich drehte mich also zu Barnes um und sah, wie er mit verschränkten Armen dastand und ein, für ihn ziemlich fettes, Grinsen auf den Lippen hatte.
"Geht es dir gut? Deine Mundwinkel sind so komisch nach oben geschoben", meinte ich und zog eine Augenbraue nach oben.
"Beweg den Hintern, Zemo", entgegnete er trocken. Sam griff meine Hand und zusammen folgten wir ihm. Als wir auf die Lichtung am Seeufer traten, löste ich meine Hand und lief zu Bruce, der auf dem Tisch vor ihm die Steine in einem Koffer liegen hatte. Ich schob mich an ihm vorbei und klappte den Koffer auf.
"Sadie...", meinte Bruce.
"Psst", ich hob warnend einen Finger, dann musterte ich die bunten Steine. "Ich will euch Mistdinger nie wiedersehen, in meinem ganzen Leben nicht. Ihr habt mich zwei Freunde gekostet." Eine große, grüne Pranke klappte langsam den Deckel zu.
"Ich vermisse sie auch Sadie", meinte Bruce leise. "Ich habe versucht Natasha zurück zu holen, ich habe wirklich..."
"Ich weiß Bruce", meinte ich leise und sah zu ihm auf. "Ich mache auch dir keinen Vorwurf. Es waren diese verdammten Steine, die all das Übel losgetreten haben."
"Können wir anfangen?", fragte Steve und griff den Koffer.
"Ja, natürlich", Bruce reichte ihm den Koffer. "Denk dran, sie müssen genau an die Stellen zurück, an denen wir sie genommen haben."
"Ich weiß", nickte er.
"Du weißt, wenn du willst, dann könnte ich dich begleiten", meinte Sam und begleitete Steve zur Plattform.
"Du bist ein guter Mann, Sam. Aber das muss ich allein machen", lächelte Steve, eh er mit Bucky sprach.
"Keine Sorge, Zeitreisen werden völlig überbewertet", ich legte ihm schmunzelnd meine Hand auf die Schulter.
"Verdammt", murmelte er. "Warum passiert das Coolste immer, wenn ich nicht dabei bin?"
"Pechsträhne, würde ich meinen", wir gesellten uns zu dem Einarmigen.
"Wie lange wird das dauern?", fragte Sam.
"Für ihn, so lange wie er braucht. Für uns fünf Sekunden", erklärte Bruce.
"Hey, Sad", ich blickte zu der Plattform auf. "Du hast ein Auge auf meine Jungs, ja?" Verwirrt runzelte ich die Stirn.
"Klar, für die nächsten fünf Sekunden", die Art, wie er lächelte war merkwürdig, aber ich hatte keine Zeit zu fragen, was los war, da war er auch schon in der Quantenebene verschwunden. Nach fünf Sekunden wollte Bruce ihn zurückholen, doch Steve blieb verschwunden.
"Wo ist er?", fragte Sam.
"Ich weiß es nicht. Er sollte hier sein", meinte Bruce.
"Hol ihn zurück", meinte Sam deutlich aufgebracht. Bruce drückte wild auf den Knöpfen herum. "Bring ihn verdammt nochmal zurück!"
"Sam", wir wandten uns fragend zu Barnes um. Er nickte in Richtung einer Bank, auf der ein alter Mann saß, neben ihm eine Ledertasche. Erkenntnis huschte über mein Gesicht und ich spürte das Gefühl ebenso. "Geh zu ihm." Sam sah für einen Moment zwischen uns hin und her, eh er sich langsam zu der Bank bewegte und mit Steve sprach.
"Er hat mich gewarnt, dieser Mistkerl", ich schnaubte amüsiert auf, dann blickte ich Barnes an. "Und du hast es auch gewusst, nicht wahr?"
"Cleverer als ich dachte", meinte er und lächelte mich flüchtig an, doch in seinen Augen keimte Schmerz und Einsamkeit auf. Sein bester Freund hatte ihn zurückgelassen, kurz nachdem er ihn endlich wiederhatte.
"Hey", ich legte vorsichtig eine Hand auf seine menschliche Schulter. "Du hast immer noch uns, Sam und mich." Er atmete seufzend aus, als er erkannte, dass ich genau bemerkt hatte, was mit mir los war, dann hob er den Arm und legte ihn mir um die Schulter auf eine überraschend kumpelhafte Art.
"Genau das ist es ja. Er lässt mich mit gleich zwei Idioten allein", meinte er dann und lächelte, noch immer mit einer unterschwelligen Schicht Traurigkeit.
"Er hat mir gesagt, ich soll ein Auge auf euch haben, Bucky", meinte ich und blickte ihn ernst an. "Steve hat seine Versprechen mir gegenüber gehalten, also werde ich es auch tun. Du hast mich jetzt an der Backe." Ich lehnte mich ein wenig an ihn und blickte wieder nach vorne. Steve übergab Sam gerade sein Schild.
"Sadie?", ich blickte überrascht auf. "Wenn du dich Sam und meiner annimmst, dann wird dieses Leben für immer zu deinem werden."
"Ach weißt du, ich war mal eine Studentin, dann eine Spionin, dann eine Terroristin und Verbrecherin und jetzt bin ich eben etwas Anderes, etwas Besseres", ich lächelte leicht. "Ich kann nicht behaupten, dass ich nicht auch ein wenig gespannt bin, was als Nächstes kommt." Ich blickte wieder zu der Bank. "Sag mal, bin ich bescheuert oder starren die mich an?"
"Beides, würde ich sagen", entgegnete Bucky.
"Blödmann", entgegnete ich leise.
"Wenn ich dich an der Backe habe, dann hast du mich auch an der Backe", entgegnete er. Sam erhob sich und lief auf uns zu. "Na ich werde dann wohl mal herausfinden, was ich die letzten Jahre so verpasst habe." Er grinste mich verschwörerisch an. Was hatten denn heute alle mit ihrem merkwürdigen Gegrinse? Hatte hier jeder Pläne, die sie mir verheimlichten? Als er bei Sam ankam flüsterten sie leise, eh Bucky ihm motivierend auf die Schulter klopfte. Sam blieb vor mir stehen. Seine eine Hand hatte er in der Tasche versenkt, in der anderen hielt er das verpackte Schild.
"Wie fühlst du dich, Captain?", schmunzelte ich.
"Ich weiß nicht", er zuckte mit den Schultern und lehnte das Schild gegen die kleine Plattform. "Es ist noch ein wenig merkwürdig."
"Lass dir Zeit", lächelte ich und griff seine, nun frei gewordene Hand. Zusammen liefen wir ein Stück. "Nur weil du das Schild hast, musst du nicht sofort zu seinem Besitzer werden und wenn du es an die Wand hängst und nie benutzt, dann wird dir niemand einen Vorwurf machen, schon gar nicht Steve." Ich sah zu ihm auf. "Wie du gute Taten vollbringst ist egal." Er lief für ein paar Sekunden stumm neben mir. Ich bemerkte, dass er die ganze Zeit mit der anderen Hand an etwas in seiner Tasche herumfummelte.
"Hast du mal überlegt deinen Nachnamen zu ändern?", ich lachte auf.
"Was?", fragte ich und zog amüsiert die Augenbrauen nach oben.
"Na ja, Zemo ist ja etwas befangen", meinte er und ich bemerkte an ihm eine gewisse Nervosität.
"Nein, Sam, darüber habe ich noch nicht nachgedacht", entgegnete ich, runzelte die Stirn und lief weiter. Was war denn heute los mit ihm? "Ich habe andere Probleme als meinen Nachnamen In was sollte ich ihn denn ändern?" Ich spürte einen Widerstand, da Sam stehen geblieben war. Als ich mich umwandte, wäre ich fast nach hinten gestolpert.
"Ich hatte vielleicht an „Wilson" gedacht", er lächelte verlegen und ich blickte auf die kleine Schachtel in seiner Hand. Der feine Silberring mit dem filigranen Stein war simple, aber doch wunderschön.
"Sam...ist das nicht zu früh?", fragte ich völlig überrumpelt. "Ich mein, wenn du darüber nachdenkst, dann sind wir vielleicht ein paar Monate zusammen.
"Mit der Frage habe ich gerechnet", gestand er. "Wenn mir die letzten Kämpfe etwas gezeigt haben, dann wie viel du mir bedeutest. Seit ich in Wakanda wieder zu mir gekommen bin, habe ich mich gefragt, ob die letzten fünf Jahre deine Gefühle verändert haben. Ehrlich gesagt, weiß ich nicht was ich getan hätte, wenn du nicht so reagiert hättest, wie du es hast." Er zog mich vorsichtig ein wenig zu sich. "Du hast fünf Jahre auf mich gewartet, einen besseren Beweis dafür, dass du die Richtige bist." Ich lächelte leicht. "Ich finde, wenn ich es genau nehme, dann bin ich ziemlich spät dran. Was meinst du?" Ich musterte ihn und ließ ihn für einige Sekunden zappeln.
"Der Spruch war ganz schön kitschig", meinte ich dann.
"Sadie...", er blickte mich vorwurfsvoll an.
"Was denn? Wenn du dich ein Leben lang an mich ketten willst, dann solltest du das besser jetzt gehört haben", entgegnete ich und versuchte zu verbergen, dass mir das Herz fast aus der Brust sprang. In dem letzten Jahrzehnt meines Lebens war ich kein Mensch gewesen, der sich gut an Dinge binden konnte, geschweige denn sesshaft zu werden. Das hier grenzte für mich an Wahnsinn. Er hatte Recht, wir hatten viel erlebt, Situationen, die ein normales Paar vermutlich nie erleben würde.
"Warum habe ich geglaubt, du machst mir das hier leicht?", murmelte er.
"Hast du mit Barnes darüber gesprochen? Er schien nämlich zumindest eine Ahnung davon gehabt zu haben", er wirkte ein wenig verlegen.
"Ja, mit ihm und Steve. Ich brauchte ein paar andere Meinungen, nicht dass ich am Ende hier stehe wie der letzte Trottel", gestand er. "Steve hat vorhin nochmal mit mir gesprochen."
"Ich wusste, ihr habt mich angestarrt", meinte ich nachdenklich. "Was hat er gesagt?"
"Nichts, was ich nicht schon gewusst hätte: dass ich ein Idiot bin, wenn ich das hier nicht tue und dich gehen lasse", meinte er leise. "Ich weiß, es scheint schnell zu gehen und dass wir wenig Erfahrung mit dem „Alltag" haben, aber ich weiß, dass wir uns aufeinander verlassen können, in jeder Extremsituation und ich weiß, dass ich dich um mich haben will, zu jeder Zeit, weil ich dich liebe." Wäre es möglich gewesen, dass mein Herz noch höher schlagen könnte, dann hätte es das jetzt getan und vermutlich hätte mir das einen Herzinfarkt beschert aber ich spürte, dass ich genauso fühlte, dass ich ebenso bei ihm sein wollte.
"Ja", brachte ich stockend hervor, als ich mich halbwegs gefangen hatte.
"Was?", er wirkte ein wenig aus dem Konzept gebracht.
"Deine Frage. Meine Antwort lautet „ja"", entgegnete ich. Sam begann zu strahlen. Ich quiekte leise auf, als er mich hochhob und mich an sich drückte. Schmunzelnd schlang ich die Arme um seinen Nacken.
"Ich liebe dich", flüsterte er. Ich beugte mich sanft zu ihm herab und küsste ihn. Für einen Moment blieb die Welt stehen und die letzten Wochen waren völlig vergessen.

Ich saß auf meinem Bett und blickte die Kiste vor mir an, dabei spielte ich nervös an dem Ring. Sam hatte ich schon eine Weile aus dem Zimmer geschmissen. Ich wollte das allein tun, ich wusste, dass ich es nicht musste, aber anders fühlte es sich nicht richtig an. Langsam atmete ich aus, schloss für einen Moment die Augen, dann schob ich den Deckel von der Kiste.
"Okay, Tony", murmelte ich. "Ich bin bereit zu hören, was du zu sagen hast." Ich aktivierte das Handy und sofort öffnete sich ein Hologramm.
"Hey Sad", ich zuckte bei dem Klang seiner Stimme für einen Moment zusammen. "Ich will nicht dramatisch sein aber wenn du das siehst, dann bin ich vermutlich tot. Geht es Morgan und Pepper gut? Gott, ich hoffe wirklich es geht ihnen gut." Ich zog die Knie an meinem Körper. "Und ich hoffe wir haben es geschafft, ehrlich, ich hoffe, dass alle wieder da sind, dass alle wieder ihre Liebsten im Arm halten können." Ich wischte mir die ersten Tränen weg. "Du weißt, ich bin ein Mann großer Worte. Natürlich weißt du das, immerhin hast du die meisten meiner Reden und Statements Korrektur lesen müssen. Ich bin nicht mehr und deswegen hinterlasse ich dir eine Aufgabe. Pass auf sie auf. Du bist jetzt ein Avenger, das ist jetzt dein Job."

THE END

Spy // "Avengers"-FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt